Lebensraum-Gestalter

Mit Lösungswillen und Gestaltungsfreude zum Ziel: Das Linzer Büro mia2 mit seinen rund zwölf Beschäftigten zeigt, dass es nicht immer auf die Größe ankommt.

Vor kurzem hat das Architektenpaar Sandra Gnigler (42) und Gunar Wilhelm (43) mit seinem Architekturbüro mia2 in der Fachwelt mit der Beauftragung für das Großprojekt Froschberg Aufsehen erregt. Immerhin sollen in der ehemaligen Eisenbahner-Siedlung auf dem Linzer Froschberg 400 bestehende Wohnungen saniert und die Siedlung dabei gleich um 350 neue Wohnungen erweitert werden – ohne dass die Mieter:innen ausziehen müssen.
Doch woher kommt der Büro-Name? „Wir haben beide an der Kunstuni Linz Architektur studiert und mit Studienkolleg:innen eine lose Arbeitsgruppe gebildet. Als wir gegen Studienende (2008) immer weniger geworden sind, haben wir uns gefragt, was jetzt bleibt? Antwort: Mia Zwoa“. Übersetzt aus dem Oberösterreichischen „Wir Zwei“ und übertragen auf das Büro: „mia2“. Gnigler hält daran 51 Prozent und Wilhelm 49 Prozent. 2011 haben sich die beiden selbstständig gemacht und vorerst Ausstellungs-Architektur gestaltet, bis sie 2013 die Ziviltechniker-Prüfung abgelegt haben.

Politik am Zug
Zurück auf den Froschberg: „Da warten wir jetzt auf die Änderung des Bebauungsplanes und politische Entscheidungen, was rund eineinhalb Jahre dauern wird. Für 2025 ist der Baubeginn für den ersten Abschnitt geplant“, erklären die Beiden im Interview.
Der doch eher überraschende Direktauftrag durch die WAG sei dadurch zustande gekommen, dass man für die WAG Wohnungsanlagen GmbH – neben anderen Projekten – bereits einen Wohnbau abgewickelt habe. Genauer gesagt, das Stadtteilzentrum Forum Oed mit 150 Wohnungen, Gewerbe und Gastronomie. „Wofür wir die Planung des Wiener Architekturbüros uek übernehmen mussten, diese überarbeitet sowie die Einreichung, Ausführungsplanung, künstlerische, technische und geschäftliche Oberleitung, sowie die ÖBA gemacht haben“, erklären Gnigler und Wilhelm.

Selbstversuche im „Stadthaus“
Das Architekturbüro hat seinen Sitz im sogenannten „Stadthaus“ in der Linzer Lederergasse. Hier wird nicht nur gearbeitet, sondern es wurde auch vieles von dem Architekten-Paar ausprobiert, um für zukünftige Sanierungsprojekte zu lernen.
„Der Bestand, in seiner Grundsubstanz aus dem 16. Jahrhundert, wurde saniert und erweitert. In einem mehrjährigen Prozess wurden erst die Räumlichkeiten im Erdgeschoß zum eigenen Architekturbüro umgebaut und in den letzten beiden Jahren mit einem Holzaufbau um zweieinhalb Geschoße erweitert. Als Eigenprojekt diente dieses Bauvorhaben als Experimentierfeld im Sinne von innovativen Sanierungsmethoden und Sonderlösungen“, heißt es von den Architekten.

Stampflehmwände und recyclierte Geländer
So wurde beispielsweise der Lehm vom Erdgeschoß-Aushub zu Stampflehmwänden verdichtet und die mehrere hundert Jahre alten Holzdecken konnten dank Holz-Verbundtechnik erhalten werden. „Mit einem selbst entwickelten Beton-Fertigteil wurde eine fünfgeschoßige Spindeltreppe errichtet und Geländer, die bei einem anderen Bauvorhaben entsorgt wurden, haben wir adaptiert. Die Holzaufstockung zeigt sich an der Straßenseite mit einer Pfosten-Riegel-Fassade, die mehrere Notwendigkeiten deckt, wie Absturzsicherung, Brandriegel-Funktion und Strukturgebung“, heißt es in der Baubeschreibung.
Ob sich Gnigler und Wilhelm als Holzbau-Architekten verstehen? „Ja, durchaus! Wir haben bei Roland Gnaiger, dem bekannten Holzbau-Architekten, studiert und der Holzbau war von Anfang an für uns wichtig“, erklärt Wilhelm und „wir haben beispielsweise ein Einfamilienhaus aus Holz auf eine neu gerasterte Fläche von 500 Quadratmetern gesetzt“, ergänzt Gnigler.

Wettbewerbs-Sommer
Demnächst wird das ehemalige Werk 2 der Ringbrot-Fabrik, das abgebrannt war, für die Kunstuni generalsaniert, wofür der Entwurf abgeschlossen ist und vor der Einleitung des Verfahrens steht. Ganz aktuell heißt es aber, Geduld zu zeigen: „Wir haben einen Wettbewerbs-Sommer gehabt, an fünf oder sechs Wettbewerben teilgenommen und warten auf die Ergebnisse“, sagt Wilhelm.
Wettbewerbe seien bisher „nicht sehr vordergründig gewesen, aber heuer haben wir mehr gemacht“. Was auch damit zusammenhängt, dass mia2 für heuer „wahrscheinlich sogar mit einem leichten Umsatz-Rückgang“ rechnet. Bisher hat der Jahresumsatz immer rund um eine Million Euro pro Jahr ausgemacht. Und das mit zwölf Beschäftigten, inklusive der Eigentümer:in. Wobei hier die Zahl durchaus schwankt, man liege immer so um die zehn, bzw. acht bis 15, weil immer wieder auch jüngere Kolleg:innen dabei sind. Frauen und Männer halten „sich halbwegs die Waage“ und kommen aus Österreich, Deutschland, Polen und Tschechien. „Ungefähr zwölf ist aber die Obergrenze“, sagt Gnigler, „für unsere Kapazität, da Gunar und ich den Überblick über alle Projekte behalten möchten“.

Gedulds-Spiele
Zum Thema „Wettbewerbe“ nennt Gnigler das Meditationszentrum Dhamma Mudita von Vipassana Österreich in Rechberg (OÖ), dessen erster Bauabschnitt bewilligt ist und im kommenden Frühjahr begonnen werden soll. „Da kommen 160 Betten, zwei Meditations-Hallen und die Verwaltung. Jetzt sind genug Spendengelder für den ersten Bauabschnitt zusammengekommen“. Eben erst gewonnen wurde der geladene Wettbewerb „Zur Post“ für ein multifunktionales Projekt in Ottensheim. Hier sollen Wohnungen, Arztpraxen und Gewerbebetriebe Platz finden, das Projekt ist gerade in der Entwurfsphase.
Auf die Frage, was sich in den zwölf Jahren seit der Gründung von mia2 in der Architektur getan hat, antwortet Wilhelm: „Dass die Qualität durchaus steigt, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst und auch der Holzbau zunimmt. Außerdem geht die Spirale bei den Baukosten nach oben: Hat ein Einfamilienhaus früher 300.000 Euro gekostet, so sind wir heute bei 800.000 Euro. Das Doppelte von früher ist heute wahrscheinlich zu wenig“.

Reduktion auf Wichtigstes
In der Gebäudetechnik hat es „zu unserem Beginn gerade noch das Passivhaus gegeben, das hat sich eher reduziert. Man speckt wieder auf das Notwendige ab“. In den Anfangszeiten des Büros zeichnete man sich zum Beispiel für das Haus MUT in Gai (Stmk.) mit Pellets-Förderer verantwortlich oder auch das Haus mit Betonschale, ein Einfamilienhaus aus Beton in Klosterneuburg (NÖ).
Wichtigstes Projekt für mia2 ist bisher das eigene Stadthaus, „von dem wir auch die Eigentümer sind, und dass wir sicher auch ein bisschen unterschätzt haben. Das war ja abbruchreif. Es hat uns aber auch einen Publizitätsschub gebracht“, erklärt Wilhelm, für den „immer die aktuellsten Projekte, die liebsten sind“.
Zum Portfolio und zum Holzbau von mia2 gehören mittlerweile rund 150 geplante und 60 realisierte Objekte. Diese wurden wiederholt ausgezeichnet, unter anderem das „Studio am Heuboden“ in Rainbach (OÖ) für einen Architektur-Fotografen. Hier wurde ein Heuboden in ein Foto-Studio verwandelt.
„No-gos“, zu denen für manche Architekturbüros beispielsweise Gefängnisse zählen würden, kennt mia2 nur eingeschränkt: „Gefängnisse würden wir nicht kategorisch ablehnen, denn da sind ja Menschen drinnen. Ablehnen würden wir aber dort, wo der Gestaltungsspielraum so eingeschränkt ist, dass es unsere Kompetenz nicht braucht“.
Durch die Klimakrise habe sich an der Arbeit des Studios nicht viel geändert, maximal wurde sie bestätigt, auch hinsichtlich des Flächen- und Ressourcen-Verbrauchs, sind sich die Architekten einig. Genauso wie durch die Energiekrise: „Wir haben von Anfang an versucht, gute Gebäudehüllen zu schaffen und beispielsweise große Glasfronten mit einem vorstehenden Dach abgedeckt“, so Wilhelm.

Gestaltung des Lebensraumes
Architektur bedeute für sie beide, die Gestaltung des Lebensraumes, der ja immer künstlicher werde. Architektur sei ein Schritt, den Lebensraum menschlicher zu gestalten, sagen Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm unisono. Oder, wie sie zum „Stadthaus“ zusammenfassend erklären: „Vor allem lag uns der soziale und gemeinschaftliche Gedanke am Herzen. Neben einem lebendigen und lebenswerten Stadthaus mit kommunikativen Balkonen und Hofbereichen nahmen wir auch unsere Verantwortung als Nachbar und Gegenüber wahr. Mit einem freundlichen Erdgeschoß, das man gern passiert. Selbst unser kleines Hausbankerl wird zum Verweilen und Rasten genutzt – das freut uns sehr!“
Als private Interessen abseits der Architektur nennt Wilhelm den Garten und den Sport, vor allem Bergtouren und Skiwandern, während es für Gnigler „eher die Ruhe ist. Die ungeplante Ruhe zuhause und auch der Garten“.