Freiburger Plusenergiebau
Das neue Rathaus von Freiburg im Breisgau, „das erste öffentliche Gebäude im Netto-Plusenergie-Standard weltweit“, ist seit November des Vorjahres in Betrieb. Ein umfassendes Monitoring soll zeigen, ob die Planwerte realisierbar sind.
An Superlativen fehlt es dem neuen Freiburger Rathaus nicht. Die Planer ingenhoven architects (Düsseldorf) sagen, es sei das „erste öffentliche Gebäude im Netto-Plusenergie-Standard weltweit“. Die Macher im Fraunhofer ISE meinen, es handele sich „nach derzeitigem Kenntnisstand um das europaweit größte Gebäude (Energiebezugsfläche/EBF 23.000 m²) mit der Zielsetzung Plusenergiegebäude“. Ob das Freiburger Rathaus den DGNB-Preis für „Nachhaltiges Bauen“ gewinnen wird, steht erst im Dezember fest. Nominiert dafür ist es jedenfalls.
Die Geschichte des Neubaus eines Verwaltungszentrums inklusive Rathaus für Freiburg im Breisgau reicht fünf Jahre zurück, als ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde. Als Ziele wurden „nicht nur ein architektonisch herausragender Entwurf, sondern auch ein Höchstmaß an Energieeffizienz“ definiert. Die ingenhoven architects gewannen – und im November 2017 ging das erste Gebäude in Betrieb, von insgesamt drei Bauabschnitten.
„Seither zeichnen wir Daten auf“, erläutert Peter Engelmann gegenüber Building Times. Er ist „Head of Group Buildings Systems Technology am Department Energy Efficient Buildings“ im Fraunhofer ISE (Institute for Solar Energy Systems), das ja ebenfalls in Freiburg sitzt, und führt gemeinsam mit DS-Plan – Ingenieurgesellschaft für ganzheitliche Bauberatung und Generalfachplanung GmbH (Stuttgart) im Rahmen eines bis Sommer 2019 verlängerten Forschungsprojektes das Monitoring durch. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist dabei die Frage, wie sich die bei der Planung festgeschriebenen Ziele bis in den Betrieb überführen lassen und sich ihre Umsetzung überprüfen lässt. Daraus wird auch ein Handbuch der „energietechnischen Inbetriebnahme“ zur integralen Planung, Inbetriebnahme und Betriebsüberwachung von Niedrigst- und Nullenergiegebäuden erarbeitet.
Nutzer-Bedarf wird nicht berücksichtigt
Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, zu beachten, was am Objekt Freiburger Rathaus unter „Plusenergie-gebäude“ verstanden wird: „Ein Gebäude, das, primärenergetisch bilanziert, in der Jahresbilanz mehr Energie zur Verfügung stellt, als es selbst benötigt.“ So weit, so gut. Dann aber folgt eine wesentliche Einschränkung: „Bilanzgrenze für die Primärenergiebilanz ist der nach EnEv zu betrachtende Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Beleuchtung und Kühlung. Nutzungsabhängiger Bedarf, etwa für Arbeitsgeräte, EDV und Kantine, wird nicht berücksichtigt.“ Und das kann in dem sechsgeschossigen Bau schon einiges ausmachen, denn fünf der sechs Geschosse werden von den Ämtern der Stadtverwaltung mit allen ihren EDV-Arbeitsplätzen genutzt, lediglich im Erdgeschoß befindet sich das Bürgerzentrum mit Konferenzräumen und dem Mitarbeiter-Restaurant. Als „ambitioniert“ bezeichnet ISE-Forscher Peter Engelmann daher den Antrag als Plusenergie-Gebäude.
PV-Module in Lärchenholz-Elementen
Zur Erreichung des hohen Ziels – das bei großen Gebäuden, wie das Fraunhofer ISE ausführt, eine besondere Herausforderung darstellt, weil die Nutzfläche und damit der Energiebedarf schneller steigen als die zur Verfügung stehenden Flächen zur Energiegewinnung, also Dach und Fassaden – wurde ein interessanter Mix gebäudetechnischer Maßnahmen eingesetzt: Das Gebäude ist hoch wärmegedämmt und ermöglicht durch die deckenhohe Dreifachverglasung in Kombination mit einem außenliegenden Sonnenschutz optimale Tageslichtnutzung. Die optisch prägenden, weil auffälligen Lärchenholz-Elemente der Fassade sind mit integrierten PV-Modulen ausgestattet, Grundwasser-Wärmepumpen dienen sowohl zum Heizen und über einen Wärmeübertrager zur direkten Kühlung, die durch Rückkühler auf dem Dach ergänzt wird. Geheizt bzw. gekühlt wird in den Büroräumen über Betonkernaktivierung bzw. Heiz-/Kühlsegel, in den öffentlichen Bereichen größtenteils mittels Fußbodenheizung sowie einer Teilklimaanlage. Die Spitzenlast-Abdeckung erfolgt durch einen Biogas-Kessel, der in Kombination mit der Solarthermie-Nutzung auch für die Trinkwassererwärmung sorgt, die in erster Linie in der Kantine benötigt wird. Dafür werden photovoltaisch-thermische Hybridkollektoren, die gleichzeitig Strom und eben Warmwasser bereiten, verwendet. Nicht nur aus der Fassade wird übrigens PV-Strom eingespeist, sondern auch aus Dachanlagen.
Vorsichtiger Optimismus
Zum „Energiebezug“ will Peter Engelmann gegenüber Building Times noch keine näheren Angaben machen, denn „da müssen wir erst mal ein volles Betriebsjahr abwarten. Die jetzt verfügbaren Daten (in Summe 9.500 Datenpunkte) sind noch nicht vollständig auf Plausibilität geprüft und beinhalten die Inbetriebnahmephase, das heißt in Teilen auch Fehlbetrieb, der nachgebessert/optimiert werden muss. In Bezug auf die ‚Plusenergiebilanz‘ sieht es zwar derzeit gut aus, aber wir wollen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine öffentlichen Aussagen machen, bevor die Daten nicht vollständig sind und geprüft wurden.“ Beim Thema Innenraumkomfort sei die Situation ähnlich: Die Messung sei gerade abgeschlossen und nach erster Auswertung sehe es so aus, dass im Wesentlichen ein hoher thermischer Komfort gemessen worden sei – wobei es natürlich auch Ausreißer gebe, die noch geprüft werden müssten. „Es spricht aber derzeit vieles dafür, dass Abweichungen nutzerabhängig sind, das heißt beispielsweise bei hohen Außentemperaturen Fenster geöffnet wurden, der Sonnenschutz falsch bedient wurde etc. Mit einem Wort – das alte Lied: Die Technik tät‘ ja passen, nur die Nutzer nicht.“