Zum Elefanten fusioniert
Das Wiener Architekturbüro Franz&Sue erregt mit seinen Bauten und Preisen immer wieder Aufmerksamkeit – und das nicht nur in der Fachöffentlichkeit. Die Wurzeln reichen 15 Jahre zurück, „geheiratet“ haben sie aber erst vor drei Jahren.
Jüngster Erfolg der Wiener Franz und Sue ZT GmbH ist der Sieg in dem von der BIG ausgeschriebenen EU-weiten, zweistufigen Verhandlungsverfahren für die Transformation des ehemaligen Orthopädischen Krankenhauses in Gersthof (Wien) in einen modernen Schulbetrieb. „Wir haben uns natürlich gefragt, ob es überhaupt möglich ist, dort einen Schulstandort hineinzubringen“, erläutert Architektin Corinna Toell, die das virtuelle Building Times-Gespräch gemeinsam mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Architekt Michal Anhammer führt. „Es ist möglich und es ist nachhaltig, weil alte Bausubstanz erhalten und im Sinn der Denkmalpflege wesentliche Merkmale des Gebäudes bewahrt werden“, sagt Toell.
Doch wie ist es überhaupt zu dem ungewöhnlichen Firmennamen gekommen? Sind Franz&Sue ein Paar? Gewiss doch, und zwar seit 2017, als das Büro Franz und das Büro Sue fusioniert haben. Das Büro Sue wurde 2006 von den Architekten Christian Ambos, Michael Anhammer und Harald Höller gründet, wobei Sue nicht für eine gemeinsame Freundin, sondern für „Strategie und Entwicklung“ stand, wie Anhammer erläutert. Franz wiederum, gegründet 2009 von den Architekten Robert Diem und Erwin Stättner, soll für „Bodenständigkeit und Ehrlichkeit“ stehen, sagt Toell, „stellvertretend für Alle, neutral und charmant“. Für Frau und Herr Jedermann somit. Denn es gehe um Haltungen, nicht um einzelne Mitarbeiter, ergänzt die Architektin. „Vor drei Jahren haben wir dann geheiratet und richtig gefeiert“, schmunzelt Toell.
Architektur von 84 Mitarbeitern
Die, für österreichische Verhältnisse, große Architekturfirma, die nicht als solche, sondern als Architekturbüro bezeichnet werden möchte, mit derzeit 84 Mitarbeitern, hat ihren Sitz im Stadtelefant im Wiener Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof und gehört den fünf Ursprungsgründern zu je einem Fünftel, wobei diese gleichzeitig auch Geschäftsführer sind. Auch wenn Michael Anhammer keine Umsatzzahlen nennen will, lässt er doch erkennen, dass Franz&Sue auf rund 70.000 Euro Pro-Kopf-Jahresumsatz kommen. Was durchaus im Rahmen der aktuellen Benchmark liegt. „100.000 Euro Pro-Kopf-Umsatz, wie in manchen anderen Branchen üblich, sind in der Architektur mit Anspruch nicht drinnen“, stellt Anhammer dezidiert fest.
Der Stadtelefant
Was stark nach gemütlichem Wirtshaus klingt, nämlich Stadtelefant, ist tatsächlich „ein Quartiershaus und Architekturcluster, wie Franz&Sue ihr Zuhause sehen, „in dem gearbeitet, diskutiert und Wissen geteilt wird, mit einem öffentlichen Lokal und einem Raum für Veranstaltungen. Unser Haus ist ein Pionierprojekt – es ist das einzige Gebäude in diesem Neubaugebiet, in dem auf allen Regelgeschoßen gearbeitet wird und das als Bürohaus von einer GmbH gewerblicher NutzerInnen selbst entwickelt, geplant, errichtet und finanziert wurde“. Was die Denk- und Arbeitsweise von Franz&Sue am eigenen Objekt augenfällig illustriert.
„Architektur schafft Räume und trägt damit auch Verantwortung für jene, die keine Stimme haben.“
Errichter waren die Architekturbüros Franz&Sue, Plov und Solid, sowie A-Null Bausoftware und Hoyer Brandschutz. Als MieterInnen arbeiten die Baukulturvermittler architektur in progress und die Architekturstiftung Österreich gemeinsam in einem Co-working space. „Wir sind im ersten und zweiten OG, der Statiker im letzten, zu dem wir eine eigene Datenleitung verlegt haben, die Brandschutzplaner im fünften und sechsten OG und dazwischen im dritten und vierten A-Null“, beschreibt Anhammer die Nutzung des Stadtelefanten. Fertiggestellt wurde „das Haus“, wie es ursprünglich nur geheißen hat, 2018, weist eine Bruttogeschoßfläche von 3.750 m² auf, hat 4,5 Millionen Euro gekostet, und ist „in seiner räumlichen Struktur unkompliziert und flexibel“.
Punkten mit Langlebigkeit
Ein Haus, sagen Franz&Sue, „das durch Langlebigkeit punktet und nicht mit aufwändigem Design“. Und das ist doch etwas überraschend für eine Architekturfirma, entspricht aber ganz der Philosophie von Franz&Sue. „Bei vielen Aspekten des Projektes haben uns die historischen Gründerzeithäuser Wiens inspiriert – am stärksten bei den 3,20 Meter hohen Räumen, die für Bürobauten ungewöhnlich sind. Wir verzichten damit auf ein zusätzliches Geschoß, erhalten im Gegenzug aber die Qualität und das Flair eines Wiener Altbaus“, heißt es in der Baubeschreibung. „Für die Fassade wurden 3,3 m x 3,6 m große, sandgestrahlte Betonfertigteile (von Trepka) verwendet, in welche die Wärmedämmung bereits eingelegt ist“, heißt es weiter. „Dadurch kommen wir mit minimaler Haustechnik aus – der Beton wirkt gleichzeitig aktiv als Speichermasse, Kühlung und Minimallüftung erfolgen über die Stahlbeton-Decken“. Der Stadtelefant wurde übrigens mit dem Bauherrenpreis 2019 ausgezeichnet. Ob vor dem Stadtelefanten eine Fußgängerzone funktionieren würde, fragten sich die Planer, als es dann aber auf diesem Platz davor das erste Meeting gegeben habe, fühlten sich die Planer vollinhaltlich bestätigt, denn „die Frage der öffentlichen Freiräume beschäftigt uns intensiv“.
„Architektur ist eine Dienstleistung und viel mehr“
Spätestens jetzt stellt sich die Frage, was Architektur eigentlich für Franz&Sue ist. „Eine Dienstleistung und viel mehr. Sie muss Räume schaffen und die Architektur muss Verantwortung für jene übernehmen, die keine Stimme haben oder nicht gehört werden“, sagt Anhammer, und spezifiziert: „Wir als Architekten dürfen uns am Ende so zurücknehmen, dass die Architektur alleine gut leben und sich weiterentwickeln kann“. Die Architektur müsse ein Anliegen von Freiheit vertreten, so Anhammer, „für jeden Einzelnen“, fügt Toell hinzu. „Eine agile Architektur, kein maßgeschneidertes Werk, sondern eines, das auch in Zukunft funktioniert“, ergänzt die Architektin.
Das Projekt Justizgebäude Salzburg ist, auch international, häufig publiziert worden, nicht zuletzt auch durch das Buch „Öffentlichkeit erwünscht – Umbau und Erweiterung Justizgebäude Salzburg“, im Vorjahr erschienen bei Park Books, und ist unumstritten. Anders sieht das beim gewonnenen Wettbewerb für das Schubhaftzentrum Vordernberg aus, weil die Übernahme dieses sensiblen Auftrags bei manchen Architektenkollegen auf Ablehnung gestoßen ist. Grundsätzlich hält Architekt Michael Anhammer dazu fest: „Bei allen Projekten, aber besonders bei öffentlichen Bauten wie diesen, ist es den Architekten ein Anliegen, immer jene künftigen NutzerInnen zu berücksichtigen, die nicht mit am Planungstisch sitzen“.
„Gibt es No-Gos? Ja, wir würden beispielsweise nicht für Oligarchen auf der Krim bauen.“
In einer Demokratie dürfe man wesentliche öffentliche Bauaufgaben nicht Leuten überlassen, die hauptsächlich auf Technik fokussiert seien und sich nicht als Anwalt der zukünftigen Nutzer eines Objektes verstünden, meint Architekt Anhammer, und spielt damit wohl auf die Schubhäftlinge an, für die es wichtig sei, die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. „Architektur kann das Falsche nicht richtig machen, aber wir glauben daran, dass wir als Architekten im Rahmen unserer Möglichkeiten wirksam werden können und müssen“, sagt Anhammer.
Was natürlich die Frage aufwirft, ob es für Franz&Sue No-Gos gibt? „Ja! Zu Ostern kommunizieren wir eine neue Markenkampagne in der Öffentlichkeit, aber wir würden beispielsweise nicht für Oligarchen auf der Krim bauen“, nimmt der Architekt eine klare Position zur aktuell laufenden Debatte um Coop Himmelb(l)au ein. Umgekehrt formuliert: „Wir wollen auf Augenhöhe an einem guten Projekt arbeiten“, sagt Anhammer, „und wir wollen ein gutes Vertrauensverhältnis“, fügt Toell hinzu. Und: „Alleinstehende Einfamilienhäuser machen wir nicht mehr, dafür stehen wir nicht mehr zur Verfügung“.
Noch mehr Wettbewerbsgewinne
Die Gersthof-Transformation ist nicht der einzige Gewinn der jüngsten Zeit: In Rodingen in Luxemburg wurde in einer Arge mit Schemel Wirtz Architectes (Luxemburg) der Wettbewerb für eine Schule und Kindertagestätte gewonnen, wozu Architekt Anhammer meint: „Da waren wir am stolzesten, weil die Idee gewonnen hat, mit der Schule dem Ort ohne große Identität ein Gesicht zu geben“. Das Bauwerk wird jetzt um 30 Millionen Euro und mit 10.900 m² BGF realisiert. „In Konstanz haben wir jetzt trotz Covid-Verzögerungen den Planungsauftrag für einen Schulbau bekommen, den wir schon vor zwei Jahren gewonnen haben, und in Nürnberg schließlich realisieren wir den Evangelischen Campus vom zweiten Wettbewerbs-Platz aus“. Wettbewerbe seien eine zweischneidige Sache, aber „in der Architektur ist der Misserfolg ein ständiger Begleiter“, sagt Anhammer, während Toell darauf aufmerksam macht, dass Wettbewerbe eigentlich die Idee der Fusion angestoßen hätten. „Für die war früher nie genug Zeit bei uns im Büro“. Jetzt gibt es bei Franz & Sue eine eigene Wettbewerbs-Abteilung mit mehr als zehn Personen. Bei BIM sei das Büro immer vorne mit dabei und noch in der Anfangsphase. Gerade jetzt werde aber für die Stadt Wien für eine Schule im 22. Bezirk ein mit allen Fachplanern abgestimmtes BIM-Projekt mit extrem knappem Zeitplan abgewickelt.
Für die Fachplanungen bediene man sich eines Pools von Leuten, wobei einer der Grundsätze die Handschlag-Qualität sei. Das könne nur funktionieren, wenn man den Weg über viele Jahre gemeinsam gehe. „Wenn das Vertrauen stimmt, dann kann manchmal bei unsere Projektpartnern ein Blödsinn passieren, manchmal bei uns. Trotzdem wird das Projekt gut und kleine Fehler werden frühzeitig im Team gefunden“.