Vergabe neu geordnet

Nicht nur das Vergaberecht ist neu, auch die in Vergaberechtsstreitigkeiten versierten Experten Stephan Heid und Martin Schiefer sind sich uneinig geworden – sie gehen künftig getrennte Wege. Einig sind sie sich aber darin, dass die Materie noch sensibler geworden ist.

Building Times: Hr. Heid, was sind die elementarsten Änderungen des neuen Bundesvergabegesetzes 2018?

Stephan Heid: Das neue Gesetz ist vom Gesetzgeber bewusst nicht bloß als Novelle, sondern als Totalrevision des Bundesvergabegesetzes erlassen worden. Neben vielen kleinen Modifizierungen bzw. Änderungen der vergaberechtlichen „Spielregeln“ , wie der Entfall der Verpflichtung zur öffentlichen Angebotsöffnung, finden sich daher im ganzen Spektrum der öffentlichen Auftragsvergabe maßgebliche Änderungen.

BT: Welche zum Beispiel?

Heid: Das BVergG 2018 bringt z.B. neben neuen Meldeverpflichtungen des Auftraggebers (z.B. Meldung an die Baustellendatenbank bei der Vergabe eines Bauauftrags mit einer Brutto-Auftragssumme von zumindest EUR 100.000,-), der Verpflichtung zur elektronischen Vergabe im Oberschwellenbereich und neuen Ausschlussgründen für Unternehmer (z.B. „schwarze Schafe-Klausel“) auch neue Verfahrensarten.

BT: Wie etwa die Innovationspartnerschaft?

Heid: Ja, die Innovationspartnerschaft ist z.B. eine gänzlich neue Beschaffungsmöglichkeit, mit welcher der Auftraggeber in insgesamt drei Verfahrensphasen (Vergabephase, Forschungs- und Entwicklungsphase sowie Erwerbsphase) gemeinsam mit dem Auftragnehmer innovative und am Markt noch nicht vorhandene Produkte bzw. Dienstleistungen in wechselseitiger Abstimmung entwickeln und erwerben kann. Dies war in dieser Form bislang nicht möglich.

BT: Welche Schritte sind seitens eines öffentlichen Auftraggebers zu tätigen, um eine Umstellung auf das neue Vergaberegime effizient zu gestalten?

Heid: In einem ersten Schritt sollte neben einer Befassung mit den neuen gesetzlichen Werkzeugen des BVergG 2018 vor allem auch der interne, operative Ausschreibungsprozess analysiert und entsprechend adaptiert werden. Gerade im Bereich des gewohnten Abwicklungsverlaufs einer öffentlichen Vergabe entfaltet das BVergG 2018 eine disruptive Wirkung. So besteht z.B. nunmehr die ausdrückliche Pflicht zur Wahrung der Unternehmeranonymität bis zur Entgegennahme der Angebote gegenüber Mitarbeitern des öffentlichen Auftraggebers und der vergebenden Stelle. Das in der Praxis übliche Informationstool der Interessentenliste wird und darf es somit in Zukunft nicht mehr geben.

BT: Werden Ausschreibungen künftig komplexer?

Heid: Als elementare Änderung im Bereich des Ausschreibungsprozesses ist auch die gesetzliche Vorgabe zu sehen, wonach bei der Durchführung von zweistufigen Verhandlungsverfahren bereits in den Teilnahmeunterlagen die Mindestanforderungen der zukünftigen Angebote unveränderlich bekanntgemacht werden müssen. Damit werden längere Projektvorlaufzeiten erforderlich. Sowohl Auftraggeber als auch Bieter sind daher gut beraten, sich zumindest mit den wesentlichsten Neuerungen ehestmöglich zu befassen.