Solares Rechtsdesaster

Besitzern einer Solaranlage drohen Unterlassungsansprüche, warnt der Rechtsanwalt Johannes Kautz. Es gibt bereits zwei OGH-Urteile, die die Blendung durch Kollektoren zum Thema haben.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Photovoltaik- und Solaranlagen in Privathaushalten – nicht zuletzt dank staatlicher Förderungen – rasant angestiegen. Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) könnte jedoch dazu führen, dass so mancher es sich in Zukunft zweimal überlegt, ob er sich eine Solaranlage anschafft.

Das Höchstgericht entschied nämlich (bereits zum zweiten Mal), dass ein Nachbar die von den Solarpanelen ausgehenden Reflexionen unter Umständen untersagen kann. Ein Ehepaar hatte auf dem Dach seines Wintergartens eine Solaranlage montieren lassen. Da die Solarpanele – wie jede Fensterscheibe auch – das Sonnenlicht reflektieren, kam es vor allem während der Sommermonate an sonnigen Tagen zu einer Blendung auf dem Balkon des Nachbarhauses. Der Nachbar fühlte sich dadurch gestört und klagte auf Unterlassung.

Sonnenschirme nicht zumutbar

Der Fall landete schließlich beim OGH, der einen Unterlassungsanspruch bejahte, weil es dem Kläger nicht zugemutet werden könne, sich zwei Sonnenschirme anzuschaffen und diese vor dem Auftreten der Reflexionen aufzuspannen. Das Höchstgericht begründet dies damit, dass die Reflexionen aus unüblicher Richtung (waagrecht bzw. sogar leicht von unten) auf den Balkon des Klägers treffen und es „zweifellos“ (sic!) ein objektiver Fehler in der Sphäre der Beklagten gewesen sei, die Solaranlage auf dem niedrigeren Dach des Wintergartens (anstatt auf auf dem Hausdach) zu montieren. Daher könne von den Beklagten verlangt werden, dass sie die Solaranlage entweder (um bis zu EUR 15.000,-) umbauen oder ein Sonnensegel zur Abschirmung der Reflexionen aufbauen (was den Nachbarn freilich erst Recht zu einer Unterlassungsklage wegen des Entzugs von Licht veranlassen könnte).

Alternativenergie ist egal

Die Entscheidung des OGH ist durchaus diskussionswürdig. Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar ist, warum es unsachgemäß (bzw. ein „objektiver Fehler“) sein soll, auf dem Dach seines Wintergartens eine Solaranlage zu montieren, lässt der OGH bedauerlicherweise das allgemeine Interesse an alternativen Formen der Energiegewinnung völlig außer Acht. Auch die Annahme, dass es durch die Reflexionen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung kommt, ist realitätsfremd. Eine vergleichbare Blendung kann genauso durch ein Fenster oder die Windschutzscheibe eines Autos hervorgerufen werden und ist daher keineswegs ungewöhnlich. Es ist auch allgemein bekannt, dass es im Sommer bei einem Aufenthalt im Freien mitunter notwendig ist, einen Sonnenschirm oder eine Sonnenbrille zu verwenden, sei es nun zum Schutz vor der direkten Sonneneinstrahlung oder auch gegen Reflexionen. Warum solche  Schutzmaßnahmen, die für einen Durchschnittsmenschen eine Selbstverständlichkeit darstellen und weder große Mühen noch besondere Kosten verursachen, unzumutbar sein sollen, ist nicht verständlich und wird in der Entscheidung auch nicht näher begründet. Wenn sich ein Nachbar aufgrund besonderer Befindlichkeiten nicht in der Lage sieht, einen Sonnenschutz zu verwenden, ist ihm ohnedies ein Aufenthalt in geschlossenen Räumlichkeiten anzuraten.

Ein Urteil mit Folgen

Die Entscheidung des OGH könnte in der Praxis auch weitreichende Folgen haben. Nachdem sämtliche handelsüblichen Solarpanele das Sonnenlicht reflektieren, wird es bei nahezu jeder Solaranlage je nach Jahres- und Uhrzeit zu Reflexionen auf ein Nachbargrundstück kommen. Dies könnte Nachbarn mit verdichtetem Rechtsbewusstsein dazu veranlassen, ebenfalls eine Unterlassungsklage einzubringen. Mit dem Zweck des nachbarrechtlichen  Unterlassungsanspruches, der ein friedliches Zusammenleben der Nachbarn ermöglichen soll und von den Nachbarn eine gewisse Toleranz erfordert, lässt sich dies wohl kaum vereinbaren. Es bleibt daher zu hoffen, dass der OGH in Zukunft bei derartigen Fällen etwas mehr Augenmaß walten lässt.