Lowtech-Bau in Dubai
Der österreichische Pavillon auf der Expo 2020 in Dubai wird vom Wiener Architekturbüro querkraft gestaltet. Gebaut wird mit örtlichen Ressourcen, gekühlt mit intelligentem Klima-Engineering – ganz ohne konventionelle Klimatechnik. Lowtech im Hightech-Paradies.
Zwischen 20. Oktober 2020 und 10. April 2021 präsentieren sich rund 180 Länder bei der Expo 2020 auf einem 4,4 km² großen Areal in Dubai den Besuchern. Österreich wird mit dem Projekt „in dialogue with austria“ des Wiener Architekturbüros querkraft herausragend präsent sein. Mit einer raffinierten Lowtech-Lösung, die aus rund 60 Lehmkegeln besteht und mit intelligentem Klima-Engineering von Peter Holzer, Geschäftsführer der Wiener Niederlassung des Ingenieurbüros P. Jung („Konzepte für innovative Gebäude“), ausgestattet ist – und auf konventionelle Klimatechnik komplett verzichtet. Kurzum: raffinierte Einfachheit als Kontrastprogramm, und das ausgerechnet in Dubai, das nicht nur mit dem höchsten Gebäude der Welt wirbt – dem Burj Khalifa mit 830 m –, sondern auch im Abstand von einigen Monaten stets neue Bau-Wundertüten öffnet und dazwischen auch gebaute Monströsitäten offeriert.
querkraft hatte einen EU-weiten, zweistufigen Architekten-Wettbewerb zum Expo-Thema „Connecting minds – creating the future“ mit mehr als 40 Teilnehmern gewonnen, wozu querkraft-Partner Gerd Erhartt (mit Jakob Dunkl und Peter Sapp) anmerkt, dass es in Zeiten omnipräsenter Information einfach sei, schnelle Antworten zu finden. „Schwierig ist es hingegen, die richtigen Fragen zu stellen. Der Österreich-Pavillon bietet den notwendigen Raum, mit den wesentlichen Fragen für eine gemeinsame und bessere Zukunft in Dialog zu treten. Als Metapher dient das ‚Wiener Kaffeehaus‘, das für interdisziplinären Dialog und Ausgleich steht. Der Pavillon stellt sich einer der wesentlichsten Zukunftsfragen und gibt eine mögliche Antwort: Achtsamer und respektvoller Umgang mit unseren irdischen Ressourcen.“
Beides will querkraft in Dubai ganz besonders respektieren, denn „lokale Ressourcen wie z. B. Stampflehm werden als Chance wahrgenommen“, sagt Erhartt.
„Sie werden von der Natur geliehen und ihr wieder zurückgegeben. Der Dialog mit lokaler Bautechnik und intelligentem Klima-Engineering ermöglicht den Verzicht auf konventionelle Klimatechnik und liefert damit einen Beitrag zur Energiedebatte.“
Lehm als Trumpf
Die haptische Struktur des Stampflehms vermittle natürliche Behaglichkeit, und die Kegelformen entfalten zwischen Licht und Schatten spielend eine Ästhetik, die in der hektischen Umgebung einer Expo zum Verweilen einlade und erforscht werden will. Im Gespräch mit Building Times räumt Architekt Gerd Erhartt jedoch ein, dass die Struktur der ineinander und miteinander verschnittenen Kegel noch nicht feststehe, weil dafür die Zeit seit dem Wettbewerbs-Gewinn zu kurz gewesen sei.
„Am Lehm im Innenraum halten wir auf alle Fälle fest, um den Tag-/Nacht-Effekt zu erzielen.“ Für den Lehmbau hat sich querkraft übrigens den heimischen Großmeister Martin Rauch mit seiner Firma LehmTonErde gesichert.
Bei der ersten Expo (früher „Weltausstellung“) in der rund 170-jährigen Geschichte dieser Veranstaltung, die in einem arabischen Land stattfindet, will sich Österreich als „innovatives und weltoffenes Land präsentieren und als weltweiter Innovations-Leader durch Digitalisierung, digitale Transformation und digitale Innovation positionieren“, heißt es seitens des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Insbesondere neue Technologien, e-& m-Government, Life-Sciences und Sicherheitssysteme sollen präsentiert werden. Auf einem rund 2.400 m² großen Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Pavillons der Schweiz und Chinas. Für die Errichtung des Pavillons stehen 16,48 Millionen Euro zur Verfügung, die zu drei Vierteln vom Digitalisierungs- und Wirtschaftsministerium finanziert werden und zu einem Viertel von der Wirtschaftskammer Österreich.
So soll der Pavillon funktionieren
Wie der österreichische Pavillon am arabischen Golf – die hierzulande übliche Bezeichnung „Persischer Golf“ unterlässt man in den Vereinigten Arabischen Emiraten tunlichst – funktionieren soll, erläutert Fachplaner Peter Holzer, verantwortlich für Bauphysik: „Der Österreich-Pavillon bietet während der gesamten Expo-Dauer behagliche Innenraum-Bedingungen mit natürlichen Maßnahmen der Temperatur-Regulation.“ Erreicht werde das „durch eine optimale Verbindung arabischer Bautraditionen mit österreichischem Know-how der klimasensitiven integralen Gebäudeplanung unter Einsatz hochentwickelter Planungs- und Fertigungstechnologien“, so Holzer.
Die architektonisch prägenden Türme seien das funktionale Rückgrat des Low-tech-Klimakonzepts, weil sie tagsüber geschlossen würden und nachts die transparenten Abdeckungen geöffnet seien, um den thermischen Auftrieb in den Türmen für eine forcierte Luftströmung zur Kühlung der innenliegenden Speichermassen zu nutzen.
„Damit werden die beiden traditionellen Elemente des Windturms (Malqav) und des Windfängers (Bagdir) einfach, aber wirkungsvoll umgesetzt“, beschreibt Holzer die Funktionsweise. In den Windtürmen wird die Luft 15 Mal pro Stunde gewechselt, womit ein Raumklima erreicht wird, das fünf bis zehn Grad Celsius unter jenem der Umgebung liegt. Insgesamt soll der Österreich-Pavillon um drei Viertel weniger Energie benötigen als ein durchschnittliches Gebäude in Dubai. Zu den Türmen ergänzt Holzer: „Die sorgfältig differenzierten Turmhöhen erzielen eine hochwertige, ausdifferenzierte, aber auch angemessene Tageslichtversorgung.“
Für die statischen Berechnungen sorgt übrigens Peter Resch, Geschäftsführender Gesellschafter der Werkraum Ingenieure in Wien. Damit noch nicht genug der klimatechnischen Schmankerln, denn zwei bepflanzte Innenhöfe sollen hochwertige Außenbereiche schaffen und thermisch mit den benachbarten Räumen interagieren. „Tagsüber wird aus dem begrünten Innenhof die Zuluft angesaugt, durch Befeuchtung gekühlt und in Kanälen unter den Bodenplatten den Räumen zugeführt, was eine höchst wirkungsvolle Interpretation der traditionellen Lüftungen über unterirdische wasserführende Kanäle (Quatar) darstellt“, stellt Peter Holzer dazu fest. Dabei würden die Zuluft-Einbringungen bewusst so gestaltet, dass sich eine moderate Luftbewegung in den Räumen einstelle, die durch die Kühlung der Hautoberflächen auch ohne weitere Temperatursenkung das Behaglichkeitsempfinden nennenswert steigere. Auch das sei eine Interpretation der Windfänger, so Holzer.
Die Funktion des Lehms beschreibt der Fachplaner wie folgt: „Innenliegende Speichermassen in Form des fünf Zentimeter starken Lehmputzes sowie die thermisch erdgekoppelte Bodenplatte nutzen die regionaltypischen hohen Tag-Nacht-Unterschiede der Außentemperatur: Mit intensiver, natürlich angetriebener Nachtlüftung werden die Speichermassen entwärmt, um tagsüber Überschusswärme wieder aufzunehmen.“ Nicht nur als Metapher, wie Gerd Erhartt eingangs gesagt erwähnte, wird es das Wiener Kaffeehaus geben, sondern auch realiter: Es soll, nach den Vorstellungen der Wirtschaftskammer, im Pavillon „ein Ort der Gastfreundschaft und Gemütlichkeit sein“. Ein InnovationLab soll es daneben auch geben.
Noch gilt es Geduld zu bewahren – in zwei Jahren geht es auf der Expo los.