Kühlung mit PV-Fassade
Mit PV-Strom, der aus Fassaden-integrierten Paneelen kommt, ist die dezentrale Kühlung dahinterliegender Räume mit günstigen Betriebskosten, wirkungsvoll und ohne externe Stromzufuhr möglich. Das haben Forscher der TU Graz im Projekt Coolskin bewiesen.
Geradezu niedlich sehen die beiden Raumzellen mit ihren gut 13 m² aus. „Boxen“ werden sie von den Forschern genannt, die mit ihnen auf dem Freigelände der Technischen Universität Graz arbeiten. An und in ihnen wird noch bis Ende August 2019 getestet, was das Forschungsprojekt für „Dezentrale Gebäudekühlung über Fassaden-integrierte Photovoltaik“, kurz „Coolskin“, kann. Auch wenn das Projekt nach seinem ersten Auslaufen Ende August soeben um ein Jahr verlängert wurde, steht eines bereits fest: „Die Raumkühlung über Fassaden-integrierte PV-Module wirkt“, wie die Forschungsgruppe Thomas Mach, Andreas Heinz und Daniel Brandl, alle drei vom Institut für Wärmetechnik der TU Graz, versichern. Die bisherigen Ergebnisse wurden auf der jüngsten ISEC (International Sustainable Energy Conference) im Grazer Congress vorgestellt. „Wir konnten die beiden Boxen nach Auslaufen eines anderen Projektes umbauen und weiterverwenden“, erklärt Thomas Mach im Gespräch mit Building Times. Hinter den beiden Boxen – die rechte wird mit dem eigens entwickelten System klimatisiert, die linke dient als unkonditionierte Referenz – wurde ein Versorgungs-Container aufgestellt. Die Böden und Decken sind aus Beton, einmal mit Wasser-Fußbodenheizung und zwei Mal mit Betonkern-Aktivierung in den Decken zum Kühlen. Auch der Wärme- und nicht nur der Kühlungsfall sollten nämlich ausgetestet werden, „auch wenn der Hauptanwendungsfall die Kühlung ist“, wie Mach erläutert.
Das Kühlsystem
Das von den Wissenschaftern entwickelte und gebaute Kühlsystem besteht aus fünf Hauptbaugruppen: Die erste Baugruppe bezieht die Energie von den PV-Modulen, lädt die Batterien und dient als Energiequelle für das gesamte Kühlsystem. Die zweite Gruppe ist der Wärmepumpenkreislauf, der sowohl heizen als auch kühlen kann, und schließt an die dritte Gruppe an, ein Wärmetauscher, der in einen Luftkanal integriert ist, der im Kühlbetrieb als Kondensator und im Heizbetrieb als Verdampfer dient. Über den Wärmepumpenkreislauf kann die Raumluft entweder direkt über einen FanCoil (Baugruppe 4) konditioniert werden oder indirekt über einen Wasserkreislauf, der die thermisch aktivierte Betondecke speist (Baugruppe 5). „Das System funktioniert für die Kühlung sehr gut, da der solare Strahlungseinfall und der Kühlbedarf zeitlich gut zusammenfallen“, wie Mach erläutert. „Daher war der August für uns sehr wichtig, weil er wichtige Messergebnisse bringt. Deshalb haben wir auch unsere Urlaube so abgestimmt, dass wir die Messungen dauernd durchführen, beobachten und auswerten konnten.“ Die PV-Module wurden als Bänder im Oberlicht- und Parapetbereich installiert, sie sind schwarz emailliert bzw. grau bedruckt monochrom, mit jeweils 930 Wp und 1.200 Wp und 1,75 m² sowie 2,39 m² groß. Obwohl die grauen Module nur etwa 78 Prozent der Leistung ihrer schwarzen Nachbarn liefern, scheinen sie den Forschern aus architektonischer Sicht günstiger. Die erwartete Leistung von ein kW wurde erreicht und teilweise auch überschritten. Nach Auswertung der ersten Messergebnisse aus dem August kann Andreas Heinz gegenüber Building Times feststellen:
„Über den Sommer funktioniert das System sehr gut. In der gekühlten Box war es zwischen drei Grad und sechs Grad kühler als in der nicht gekühlten. Wobei wir ja zwei Varianten verglichen haben: Einerseits die Kühlung über die Luft per FanCoil, einmal innen und einmal außen über den Wärmetauscher im Luftkanal, andererseits über die Betonkernaktivierung der Decke. Hier haben wir eine wesentlich längere Betriebszeit des Kompressors erlebt, bedingt durch die Trägheit dieses Systems“, stellt Heinz fest und fügt eine kleine Ergänzung an: „Das sind ja kleine Räume, mit denen wir es hier zu tun haben. Bei größeren Räumen müsste man das System nachjustieren und anpassen.“
„Energietechnisch autark“
Fazit des Berichts daher: „Die auf die Fassadenfläche auftreffende Solarstrahlung wird direkt oder zeitversetzt in Kühlenergie umgewandelt und an den dahinterliegenden Raum abgegeben. Das System ist in sich energietechnisch autark und braucht daher keine zugeführte Energie aus externen Quellen. Im Gegensatz zu konventionellen Kühlsystemen können nicht nur die Systemkomponenten, sondern das gesamte System zur Gänze industriell konfiguriert und vorgefertigt werden.“
Etwas anders sieht es beim Heizbetrieb aus, der bei teilweise exemplarischer Kälte getestet wurde, wie es im ISEC-Bericht heißt: „Wie erwartet sind die PV-Module und die Batterien für einen durchgehenden Heizbetrieb im Winter zu klein. Daher wären die Erhöhung der PV-Leistung und die nennenswerte Erhöhung der Batteriekapazitäten nötig, um den hohen Energiebedarf im Winter zu decken. Beides ist im Echtbetrieb unwirtschaftlich. Jedenfalls aber kann ein Teil der benötigten Heizenergie geliefert werden. Die eben angelaufenen Langzeit-Tests werden zeigen, ob das System genug Strom erzeugen kann, um jederzeit komfortable Innenraum-Temperaturen liefern zu können.“