Hinkender Vergleich
Lange waren sie in Fachkreisen erwartet worden: Der „Feldtest Infrarotpaneele“ bzw. die „Messtechnische Begleituntersuchung“ in zwei Genossenschaftsbauten in der Südsteiermark. Jetzt wurden sie vorgelegt und sorgen gleichermaßen für Verwirrung wie Verwunderung.
Das Land Steiermark, bzw. seine Baufachleute und jene der Wohnbauförderung, wollten schon seit Längerem wissen, was denn von Infrarotheizungen zu halten sei. Zur Beantwortung dieser Frage hatten sie in der Genossenschaft Ennstal einen Partner gefunden, der in der südsteirischen Gemeinde Kaindorf an der Sulm zwei baugleiche Häuser zum Studium anbieten konnte. Die Bauten wurden im Oktober 2016 fertiggestellt. Zum Vergleich ausgewählt wurden das mit Fernwärme versorgte Haus 3 sowie das Haus 4, das mit einer PV-Anlage und Infrarotpaneelen ausgestattet ist. 560 m. BGF, 438 m. Nettogeschoßfläche. Gebaut mit 25er-Hochlochziegeln, beschichtet mit 20 cm EPS-F, Energieeffizienzklasse B, Heizwärmebedarf laut Energieausweis 28 kWh/m². Während das Haus 3 ganz konventionell mit Fernwärme aus einem nahen Biomassewerk versorgt wird, die über Radiatoren verteilt wird und über dezentrale Speicher auch Warmwasser liefert, ist das Haus 4 mit Dach-PV-Anlage ausgestattet, die 13,3 m² pro WE (insgesamt sechs) groß und auf 2 kWp ausgelegt ist. Warmwasser wird elektrisch über dezentrale Boiler bereitet.
Systemvergleich durch die AEE Intec
Diese beiden Versorgungssysteme wurden nun einem Vergleich unterzogen, mit dem die AEE Intec beauftragt war. Das Team um Studienleiter Karl Höfler (Bereichsleiter Bauen und Sanieren) sollte den Energieverbrauch der beiden Systeme sowie deren Herstellungs- und Betriebskosten untersuchen, eine Wirtschaftlichkeits-Analyse erstellen, die Umweltfaktoren Primärenergie und Treibhausgase bewerten, den Eigenverbrauch des PVStroms ermitteln und die Behaglichkeit durch feststellen. Anlässlich des Energy Lunch Mitte September wurden die Ergebnisse einem Fachpublikum vorgestellt.
Wohl aus gutem Grund nannten Pertschy und Rüdisser eingangs ihre Arbeitsmaterialien, nämlich für die Vergleiche das Tool econ calc V3 des Energieinstituts Vorarlberg, für die Umweltfaktoren den „nationalen Strommix Österreich 2017“ und für die Ermittlung der „Behaglichkeit“ zwei Nutzerbefragungen, eine Erstbefragung nach dem Einzug der Bewohner zu Weihnachten 2016 und eine zweite im März 2018, also nach einer vollen Heizperiode, sowie nach Fanger die Ermittlung des PMV-Indexes (Predicted Mean Vote) und des PPD-Indexes (Predicted Percentage of Dissatisfied). „Wir haben nur in zwei Wohnungen gemessen, die Bereitschaft der Bewohner dazu war nämlich sehr gering“, bedauerten Pertschy und Rüdisser, während Höfler präzisierte, dass die Nutzerzufriedenheits-Messung „in einem großen Raum“ erfolgt sei.
Relativ vergleichbar
In seiner Zusammenfassung nannte Höfler die Herstellkosten „vergleichbar“, was einer Detailbetrachtung höchstens näherungsweise entspricht, denn die Herstellkosten machen im Fernwärme-Haus 267,07 Euro pro m² aus, im IR-Haus hingegen nur 238,44 Euro/m² ohne PV und 299,30 Euro/m² inklusive PV-Anlage. Immerhin wurde der Strom aus der PV-Anlage, laut Untersuchung, zu rund 80 Prozent genutzt.
„Vergleichbar“ nennt Höfler auch die „Betriebskosten und die Wirtschaftlichkeit“. Bei den Betriebskosten wird auch diese Aussage durch die von Höfler mitgelieferten Details nicht gedeckt, denn in allen Fällen – mit einer einzigen Ausnahme, nämlich Strombetrieb ohne PV– schneidet das IR-Haus günstiger ab. Bei der Wirtschaftlichkeits-Abschätzung auf 30 Jahre weisen die Unterlagen 1.907 Euro (0 %) für die Fernwärme aus, 1.839 Euro (- 3,5 %) für IR und 1.885 Euro (-1,1 %) für IR+PV.
Für die technische Lebensdauer der Komponenten von Elektroinstallationen für IR und PV wurden nur 25 Jahre angenommen, für die Elektroinstallation ohne Heizung 40 Jahre und für HLS 30 Jahre, für den FW-Anschluss gibt es anscheinend kein Ende.
Höherer Energieverbrauch bei Fernwärme-Betrieb
„Der Energieverbrauch ist bei Fernwärme höher“, hält die AEE-Studie fest, weil es dabei „trotz normengerechter Dämmung der Verteilleitungen signifikante Verluste“ gebe, was aus den Aufnahmen einer Wärmebildkamera deutlich ersichtlich ist. Beim Vergleich der Primärenergie schneidet der FW-Anschluss hervorragend ab, weil er gerade einmal rund fünf kWhPE/ m²/a aus „nicht erneuerbaren und nuklearen“ Quellen bezieht, das IR-Haus mehr als 50 und das PV-IR-Haus mehr als 40. Dementsprechend sehen auch die Emissionen in CO2-Äquivalenten aus: 50 g/kWh für das FW-Haus, an die 400 g/kWh für das IR-Haus und etwas mehr als 300 g/kWh für das PV-IR-Haus. „Nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf und Treibhausgas-Emissionen bei IR-Heizung markant höher“, heißt es dazu in der Zusammenfassung trocken. Im Winter sei der PV-Eigennutzungsgrad für die Heizung hoch, die Jahresdeckung sei jedoch gering, heißt es weiter.
Stromschlag
Schließlich halten die AEE-Autoren fest, dass die Nutzerzufriedenheit wegen ungleicher Wärmeverteilung im Wohn-Ess-Bereich bei der Infrarotheizung abgenommen habe. Dazu hat der von Building Times befragte Günther Hraby einiges zu sagen. Seine Firma easyTherm hat die IR-Paneele geliefert, und er ist gleichzeitig Obmann der IG Infrarot Austria: „Wiederholt und vielerorts werden die Ergebnisse der genau zur Überwachung der Stromzusammensetzung ins Leben gerufenen amtlichen Behörde E-Control ignoriert und die Zusammensetzung des Stroms wird nach den Daten der ENTSE-O betreffend des Grenzüberganges gerechnet. Damit wird der Strom kaputt gemacht“, kritisiert er.
Dann stellt Hraby gleich eine weitere Frage: Warum werde nicht mit dem österreichischen Fernwärmemix gerechnet? „Weil durch die Leitungen klar ist, woher die Wärme kommt. Beim Strom ist es aber auch klar, weil es Begleitpapiere zu den Elektronen (Ursprungszertifikate) gibt. Wenn ich Ökostrom kaufe, bekomme ich auch Ökostrom.“ Der Strommix des Exportlandes werde hineingerechnet, auch der „schmutzige Strom“, der aus Deutschland durch Österreich nach Italien geliefert werde, ergänzt Hraby gegenüber Building Times. Und der Import von Atomstrom sei ohnedies seit dem 1. Jänner 2015 verboten. Anmerkung: Die Energie Steiermark weist auf ihren Rechnungen „100 Prozent Ökostrom“ aus – und Kaindorf liegt auch in der Steiermark.
Auch zur Messung der Behaglichkeit hat der Infrarot-Lobbyist Hraby Einwände:
„Gedacht und geplant war eine ganzjährige Schätzung der Behaglichkeit nach den Temperaturverteilungskriterien gemäß ISO 7730 (Bodennähe und Scheitelhöhe). Diese konnte mangels der dafür vorgesehenen, aber nicht installierten Sensoren nicht ganzjährig ermittelt werden. Diese Messung wurde ersetzt durch die komplizierte Messeinrichtung, die noch dazu an einem der kältesten Tage im Jahr, und das auch nur in zwei Wohnungen, durchgeführt wurde.“ Dazu komme, dass eine nachträglich eingebaute Kücheninsel die Ergebnisse beeinflusst habe.
Schließlich haben es dem easyTherm-Chef auch die ausgewiesenen Gesamtkosten angetan: „Auch diese wurden nicht nach der vereinbarten Norm (ÖN M7140: Betriebswirtschaftliche Vergleichsrechnung für Energiesysteme) berechnet, sondern nach einem durch ein Energieinstitut selbstgestricktes Tool (econ calc V3, Anm.). Vergleichbarkeit ist dadurch kaum gegeben. Auch bei den Parametern (Lebensdauer, Servicekosten p.a.) wurde geschätzt und nicht die dafür qualifizierten Stellen befragt, entweder der Hersteller und/oder die IG Infrarot e.V.“ Womit sich selbst dem Fachmann die Frage stellt:
Und jetzt?