Greenwashing – was hilft dagegen?
Planer und Baubranche sprühen vor Ideen und Innovationen, die auf eine CO2-Reduktion von Gebäuden abzielen. Doch halten die Konzepte, was sie versprechen? Das diskutierte die Fachgruppe TGA mit Experten. Resümee: Es wird zu optimistsich gerechnet.
Die Fachgruppe TGA des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, OIAV, zwingt in ihrer alljährlichen Diskussionsveranstaltung alle Beteiligten zum kritischen Hinterleuchten der Konzepte und der Praxis. Interdisziplinäre Fragen, die vor dem Hintergrund der digitalen Schnelllebigkeit, des Kosten- und Zeitdrucks, der Energieeffizienzbestrebungen, des Klimaschutzes und dem Spannungsfeld zwischen Plan und Realität, wurden im Rahmen der Diskussionsveranstaltung im Festsaal des OIAV beantwortet, an-, weiter- und vorgedacht.
Willi Reismann, Präsident des OIAV, freute sich über die zahlreichen Gäste, die an dem brisanten Thema Greenwashing Interesse fanden. Er ließ es sich nicht nehmen, die Teilnehmer und das hochkarätige Podium persönlich zu begrüßen. Robert Lechner, Chef des Ökologie-Institut und Vorsitzender im Wiener Klimarat, räumte gleich zu Beginn seiner Keynote ein, dass er sicher nicht über Zertifizierungen schimpfen wird: „Das werden Sie von mir nicht hören, denn in Österreich ist die Lage eigentlich sehr klar, es gibt keinen Kampf der Zertifizierungen. Die meisten Gebäude werden über klimaaktiv zertifiziert. Wir brauchen eine Gebäudetechnik, die das Klima schützt, darum geht’s.“ Lechner rief das Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015 in Erinnerung: „Diese internationale Einigung war entscheidend. Mit der EU Taxonomie haben wir darüber hinaus sechs einfache Kriterien, an die wir uns zu halten haben: Klimaschutz, Klimawandel, Ressource Wasser, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung, Biodiversität und Ökosystem.“ Lechner brachte das Thema Klimaschutz auf den Punkt: „Es geht bis 2040 um raus aus fossiler Energie, Energieeffizienz, Erneuerbare vor Ort und Betriebsoptimierung – und wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.“ Dazu brachte Lechner auch das Thema Zersiedelung und Versiegelung ein, das bei allen Klimaschutzbemühungen mitgedacht werden muss.
Christian Steininger, Vorsitzender der Fachgruppe TGA und Gebäudetechnikexperte bei Vasko+Partner Ingenieure, beobachtet, dass das Thema Klimaschutz dazu führt, dass bei einem Bauvorhaben oder einer Zertifizierung Greenwashing vermutet wird. Und: „Es gibt eine sehr starke fossile Lobby, wir machen Projekte für große Bauträger, da gibt’s viele Fallstricke. Raus aus Gas ist ja jetzt eine relativ neues Stichwort und eine gewaltige Herausforderung für uns alle.“
Kosten drücken Nachhaltigkeit
Marianne Durig, Architektin, Burtscher-Durig ZT, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema nachhaltig bauen. Wir haben die ersten Schulturnsäle mit Null-CO2 gebaut, wir haben genug Erfahrung – aber es braucht auch die Bauherren, die zu nachhaltigen Investitionen stehen.“ Als aktuelle Referenzen nennt sie den internationalen Busterminal oder das Landesdienstleistungszentrum Salzburg: „Da müssen wir in der weiteren Planung bis zur Bauökologie alles erfüllen. Nachhaltig bauen ist mittlerweile in jedem Architekturbüro angekommen, schwierig finde ich, dass nachhaltige Ansätze oft bei den ersten Kostenschätzungen gestrichen werden. Aber auch dass ein nachhaltiges Gebäude mit einer komplexen Haustechnik häufig sich selbst überlassen wird, halte ich für Greenwashing.“
Bernd Vogl, MA20, Energieplanung: „Wir wissen nicht immer, was die perfekte Lösung ist – wenn wir uns anschauen, was wir vor 20 Jahren gemacht haben, wissen wir, dass wir heute viel besser sind. Wir wissen heute aber sehr wohl die richtige Richtung: möglichst intensive Nutzung von erneuerbarer Energie vor Ort und gewisse Qualitäten wie Temperierung von Gebäude. Früher hat man die Erneuerbaren mit dem Wirtdschaftlichkeitsargument quasi weggerechnet. Mittlerweile ist klar, das wir das Ziel des Umstiegs erreichen wollen und müssen. Jetzt wird gegen die Erneuerbaren mit Green Washing argumentiert! Gut ist, wir haben in Wien eine qualitative sehr hochwertige Kultur der Planung, die uns hilft optimale Lösungen zu finden, womit wir weltweit im Spitzenfeld sind.“
Dirk Jäger, Nachhaltigkeitsexperte der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., erläuterte das Holistic Building Program, ein selbst entwickelter Kriterienkatalog für nachhaltiges Bauen und Betreiben: „Für uns war schon früh klar, das Ziel, klimaneutral bis 2040 ist ambitioniert und eine echte Herausforderung für unseren großen Bestand, aber wir arbeiten daran das auch zu schaffen. Mit dem Holistic Building Program, plus einem eigenen Onlinetool, haben wir Standards gesetzt, die für unsere Gebäude umgesetzt werden müssen. Wichtiger als am Papier ist, wie effizient ein Gebäude im realen Betrieb funktioniert.“
Schön gerechnet?
Das Fazit der Runde: Viel zu oft wird zu optimistisch gerechnet und die Konzepte liefern nicht das, was sie versprechen. Ein großes Manko wird aber auch in fehlenden Daten gesehen, auf die in der Gebäudetechnik zurückgreifen kann. Marianne Durig äußerte den Wunsch nach mehr Klarheit und Transparenz. Christian Steininger und Robert Lechner hoffen auf die Jugend – dass sie die Chance ergreifen, sich das Know-how für die klugen Gebäude der Zukunft aneignen und die Bauwirtschaft mit ihrem Wissen bereichern.