Bauteilaktivierung im Visier
„Betonkernaktivierung und Ressourcenschonung“ war das Thema des Building Times Expertenforum Ende November.
Gestartet hat den Abend Sebastian Spaun, Geschäftsführer des Verband der Österreichischen Zementwerke (VÖZ), mit einem preisverdächtig lebendigen Vortrag. Er glaube das, was er predigt, betonte Spaun und erörterte, warum es sinnvoll sei Bauteile zu aktivieren. Beton habe eine hohe Wärmeleitfähigkeit und ein hohes spezifisches Gewicht von 2.400 Kilo pro Kubikmeter. Decken aus Beton eignen sich aufgrund des herausragenden Strahlungsaustauschs auch hervorragend für die Heizung und Kühlung von Gebäuden. Mitentscheidend für die Nutzung der Bauteilaktivierung ist das Auskühlverhalten von Bauteilen.
In einem konventionellen Bauwerk sinkt die Raumtemperatur an einem klaren und kalten Tag mit einer Außentemperatur von 6 Grad innerhalb von 29 Stunden von 21,5 auf 0 Grad. In einem bauteilaktivierten Gebäude dauert es 119 Stunden bis die Innentemperatur um 1,5 Grad gesunken ist. Diese 90 Stunden Differenz machen letztlich den Unterschied aus, so Spaun. Abschließend zeigte der Experte einige Beispiele gelungener Projekte, die mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energieträger geheizt und gekühlt werden. Bei einigen davon hat der Vorreiter der Bauteilaktivierung Harald Kuster sein Know how eingebracht. Er arbeitet gerne mit Solarthermie und Photovoltaik um einen möglichst hohen Anteil an Erneuerbaren Energie zu erreichen, In den Städten stößt man damit jedoch an die Grenzen der Machbarkeit, da nicht ausreichend Fläche für Kollektoren zur Verfügung steht. Als Alternative bietet sich hier Überschussenergie aus Windkraft und Photovoltaik an, so Spaun. Er verweist auf ein Pilotprojekt im Weinviertel, wo der Überschussstrom aus der Windkraft im ersten Winter 71 Prozent der gesamte Heizenergie (Wärmepumpe) lieferte. Im zweiten Winter steig der Wert auf 90 Prozent. Dazwischen wurden 28 Schwachstellen an der Gebäudehülle saniert, die im Zuge der Rollladeninstallation entstanden sind. Spaun´s Resümee ist eindeutig: „In Österreich werden pro Jahr rund 4 Millionen Quadratmeter Decken gefertigt, etwa 90 Prozent davon in Beton. Es ist eigentlich schade wenn diese Bauteile nicht aktiviert werden, das sie der billigste Energiespeicher sind“.
Auf die Thematik der Energiespeicherung ging auch Ines Lusenberger, vom Stromanbieter aWattar ein. Der Versorger liefert dann Überschussstrom, wenn er günstig zu haben ist oder man sogar für die Abnahme bezahlt wird. Das Unternehmen ist fokussiert auf Kunden mit Speichern, die fossile Energie ersetzen. Mit Wärmepumpen, E-Autos und klassischen Batterien könne Strom gespeichert und somit Lastspitzen reduziert werden, so Lusenberger. Beim Einsatz eines Elektromobils seien bis zu 50 Prozent Einsparungen gegenüber dem Börsepreis möglich, so die Expertin. Es wäre einmal interessant zu errechnen, wie viel ein Betonkern ermögliche, meint sie.
Im Anschluss daran zeigte Stefan Wehinger, Eigentümer der Firma Enercret, wie die Bauteilaktivierung in Großprojekten zur Anwendung kommt. Bei einigen der Enercret-Projekte erfüllt die Bauteilaktivierung eine wirksame Vorkonditionierung, so Wehinger. Es werden also zusätzliche Heiz- und Kühlsysteme installiert. Wenn Wehinger von Betonkernaktivierung spricht, meint er massive Gebäudekerne. Am Beispiel einer Pharmazentrale in Cambridge (UK), wo Enercret als Generalunternehmen für Wärme und Energie fungiert, eröffnete er den Gästen neue Dimensionen. Bei dem Projekt werden 1.500 Pfähle betoniert und 200 Sonden zu je 200 Meter gebohrt. Auch das Projekt „Four“, ein Hochhaus in Frankfurt, ist technisch eine Herausforderung. Aufgrund des geringen Platzangebots wurden dort 187 aktivierte Schlitzwandelemente mit einem Volumen von je hundert Kubikmeter gebaut. Um eine Schlitzwand zu fertigen waren zumindest zwölf Betonmischer nötig, weshalb die Arbeiten aus logistischen Gründen in der Nacht gemacht wurden.
Abschließend fasste der Enercret-Chef die Vorteile der Bauteilaktivierung (BTA) aus seiner Sicht zusammen: Die BTA bringe Effizienz durch extrem tiefe Temperaturen in der thermischen Hierarchie, sie rechne sich eher bei großen Baukörpern und sie erfordere andere TGA-Ansätze vor allen in der Mess-, Steuer- und Regeltechnik, so Wehinger. Nachdem er sein Geschäft schon viele Jahre betreibt, kennt er auch die „Feinde“ der Technologie. Installateure und Hauchbauunternehmen seien vielfach nicht erfreut. Erheblichen Widerstand ortet Wehinger auch bei den Statikern, die ihre bereits gerechneten Projekte mit der Integration der Bauteilaktivierung noch einmal nachrechnen müssen.
Einig waren sich die Experten daher, dass die Bauteilaktivierung vom Bauherrn gewünscht und gefordert werden muss. Dass dies immer mehr der Fall ist, bestätigten Referenten und Gäste beim darauffolgenden Networking.