Digitalisierung braucht Nachhilfe
Ganze 118 Seiten umfasst der aktuelle Technologiereport von "Digital Findet Stadt" zum Digitalem in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Kernaussage: Es gibt viel zu tun.
Am Bau läuft es flau. Die österreichische Bauwirtschaft befindet sich weiterhin in einer Rezession. Die reale Bruttowertschöpfung sank in den letzten Jahren kontinuierlich und wird 2024 voraussichtlich um weitere 3,5 % sinken, was eine Verschärfung der bereits bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedeutet.
Besonders betroffen sind der Hoch- und Wohnbau, die unter hohen Bau- und Finanzierungskosten leiden. Und: Seit 2020 sind die Baukosten um 23 % gestiegen, bedingt durch Lieferkettenprobleme, steigende Energiepreise und erhöhte Lohnkosten. All das hat erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Seit August 2023 sank die Zahl der unselbstständig Beschäftigten in der Bauwirtschaft kontinuierlich, während die Arbeitslosigkeit in der Branche 2023 um 5,7 % gestiegen ist. Bis 2026 wird ein Rückgang der Wohnungsfertigstellungen um 25 % erwartet, was die angespannte Lage weiter verschärft.
Viel Handlungsbedarf
Unternehmen in der Bau- und Immobilienwirtschaft sollten die gegenwärtige wirtschaftliche Lage als Chance nutzen, ihre Prozesse zu modernisieren und neue Technologien zu implementieren. Durch die proaktive Anpassung an die aktuellen Herausforderungen und die Nutzung digitaler Lösungen können sie nicht nur die aktuelle Rezession meistern, sondern auch gestärkt und wettbewerbsfähiger aus dieser Phase hervorgehen. Dies erfordert jedoch ein kontinuierliches Engagement für Innovation und
Weiterbildung, um langfristig erfolgreich zu sein.
Zeiten, in denen man nicht im vollen wirtschaftlichen Wettbewerb steht, sollten als Chance genutzt werden, um neue Prozesse und Standards zu entwickeln, das Potenzial neuer Technologien zu evaluieren und verstärkt deren Anwendung zu pilotieren. Proaktives Handeln in der Implementierung digitaler Lösungen dient als Hebel zur Trendwende, um die Herausforderungen zu meistern und gestärkt aus dieser Phase hervorzugehen.
Die Handlungsempfehlungen
Auf Basis der Ergebnisse aus dem Technologiereport 2024 und ähnlichen Studien könne folgende Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die in der Bauwirtschaft tätig sind und für Politik und Verwaltung abgeleitet werden:
Unternehmensinterne Standards schaffen: Es ist wichtig, klare Prozesse und Standards für den Umgang mit digitalen Technologien zu entwickeln. Dies umfasst Standards für die Datenübertragung und die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, um die Integration und Interoperabilität zu verbessern.
Mitarbeiter weiterbilden: Unternehmen sollten gezielte Schulungs- und Weiterbildungsprogramme anbieten, um die digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter, insbesondere in kleinen Handwerksbetrieben, zu stärken. Dies ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Beschäftigten die erforderlichen digitalen
Werkzeuge und Methoden effizient nutzen können.
Kooperation mit Forschungseinrichtungen: Die Digitalisierung erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Unternehmen sollten Kooperationen mit Universitäten und Forschungsinstituten suchen, um den Austausch von Wissen und Erfahrungen zu fördern und innovative Lösungen zu entwickeln.
Digitale Methoden bei Auftraggeber:innen: Auftraggeber:innen (vor allem öffentliche) sollten Bauprojekte, einschließlich Genehmigungen, Planungen und Ausschreibungen, verstärkt digitalisieren und die entsprechenden Leistungen auch beauftragen. Dabei ist darauf zu achten, dass keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen und kleine sowie mittelständische Unternehmen gleichermaßen profitieren können.
Einführung eines Change-Prozesses: Um die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten, sollten Unternehmen einen strukturierten Change-Prozess einführen, in dem alle Mitarbeiter:innen über die Ziele und Vorteile der Digitalisierung informiert und in den Prozess einbezogen werden. Der Übergang zu digitalen Arbeitsweisen sollte in kleinen, kontrollierten Schritten erfolgen, um die Anpassung zu erleichtern und Widerstände zu minimieren.
Politik und Verwaltung
Um die Digitalisierung des Bauwesens zu unterstützen und ihre Potenziale voll auszuschöpfen, sollten Politik und Verwaltung folgende Maßnahmen ergreifen:
Finanzielle Anreize und Unterstützung für kleine Betriebe: Kleine und handwerkliche Betriebe sollten durch finanzielle Anreize und Unterstützungsangebote bei der Einführung und sicheren Anwendung digitaler Methoden gefördert werden. Der Ball liegt hier auch bei den Unternehmen, sich mit der aktuellen Förderlandschaft in Österreich auseinander zu setzen und die Angebote zu nutzen. In Ausbildungsberufen sollten digitale Kompetenzen und der Umgang mit relevanten Software-Tools stärker integriert werden.
Förderung von Digitalisierungsvorhaben: Die Entwicklung und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in der Bauwirtschaft sollten gezielt gefördert werden. Dies kann durch spezifische Förderprogramme geschehen, die Unternehmen finanziell bei der Einführung neuer digitaler Technologien und Prozesse
unterstützen.
Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen: Es sind klare und einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene notwendig, um den Umgang mit digitalen Planungs- und Bauprozessen zu regeln und die Digitalisierung zu fördern. Die normative Standardisierung spielt hierbei eine bedeutende Rolle.
Stärkung digitaler Kompetenzen: Politik und Verwaltung sollten Maßnahmen ergreifen, um die digitalen Kompetenzen der Beschäftigten in der Bauwirtschaft zu stärken. Dies könnte durch spezielle Aus- und Weiterbildungsprogramme erfolgen.
Förderung von Kooperationen: Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren, einschließlich Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderen relevanten Parteien, sollte gefördert werden. Zielgerichtete Kooperationsprojekte können den Austausch von Know-how und Erfahrungen unterstützen.
Schaffung von Anreizen: Um die Bauwirtschaft zur Digitalisierung zu motivieren, sollten gezielte Anreize geschaffen werden. Dies könnte beispielsweise durch steuerliche Vorteile oder andere finanzielle Anreize geschehen, die die Einführung und Nutzung digitaler Technologien fördern.
Den gesamten Technologiereport finden Sie hier