Die Proaktive
Maria Kollar hat vor knapp 10 Jahren den väterlichen Installateurbetrieb in Lilienfeld übernommen. Seither ist vieles anders.
Sie ist nicht besonders groß und dennoch herausragend. Sie ist nicht laut und wird dennoch gehört. Und es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sie den seit 1867 existierenden niederösterreichischen Familienbetrieb übernommen hat. Maria Kollar hat an der Wiener Boku Umwelt- und Bioressourcenmanagement studiert und hatte nicht vor, Chefin einer Firma zu werden, in der ihr Vater 60 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Vor 13 Jahren ist sie dennoch eingestiegen und teilt sich seit nunmehr knapp 10 Jahren die Führung mit dem gewerberechtlichen Geschäftsführer Franz Kessel. „Er ist Techniker und hält mir in vielen Belangen den Rücken frei und ich bin die Visionärin, so die Mutter eines vierjährigen Sohnes.
Was sie damals genau wusste? Dass sie zufrieden sein möchte mit dem, was sie tut. Außerdem sollte es Sinn haben und einen positiven Beitrag zur Umwelt leisten. Unabhängigkeit und Freiheit spielen dabei eine große Rolle. „Was wäre, wenn eine neue Art des Wirtschaftens voller Sinn, Lebensqualität und Möglichkeiten vor uns liegt?“ steht dazu passend als zentrale Botschaft auf der Website. Ein Stück weit auf dem Weg dahin hat Kollar bereits realisiert. Sie arbeitet derzeit vormittags und am Abend, die verbleibende Zeit gehört dem vierjährigen Sohn. Ein zentrales Anliegen ist es auch, die Energiewende aktiv voranzutreiben und so zu agieren, dass Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Partner:innen zufrieden sind. Die zentralen Elemente dazu sieht sie in der profunden Beratung, einem gewerkeübergreifenden 360°-Package und motivierten Mitarbeiter:innen. Sie möchte die 41 Männer und 7 Frauen auf diese Reise mitnehmen. Im Gepäck sind der wertschätzende Umgang miteinander, bestens funktionierendes Werkzeug, Zahlentransparenz, flache Hierarchien, ein ordentliches Grundgehalt sowie kurzfristige Urlaubsmöglichkeit. Auch für Gesundheit wird vorgesorgt. So haben Monteur:innen die Möglichkeit, jeden Dienstag von 7 bis 8 Uhr unter Anleitung eines Fitness-Trainers ihre Körper fit zu halten. In der Stunde danach trainieren die Angestellten. Für das mentale Wohlbefinden gibt es ein weiteres Angebot.
Was das Geschäftliche betrifft, ist Kollar pragmatisch. Sie mag das hierzulande übliche Sudern nicht und agiert lieber proaktiv. Darum gibt es neben den klassischen Installateur:innen, einen Fliesenleger-Meister und einen Elektro-Meister. Und eine eigene Planungsabteilung, die pro Jahr etwa 150 Projekte abwickelt. „Wir wollen nicht irgendetwas verkaufen, sondern den Kund:innen sinnvolle Lösungen anbieten“, betont Kollar. Und: „Es geht uns seit 13 Jahren gleich gut, wir sorgen selbst für Auslastung“. Und das doch auf spezielle Art und Weise. Der Schauraum in der Utzgasse ist ansprechend gestaltet, verfügt über ein überschaubares Portfolio an Heiztechnik, Duschlösungen, Badewannen, Fliesen und Armaturen. Und es gibt eine Spielecke für Kleinkinder, was bei Installateurbetrieben eher eine Seltenheit darstellt.
Kollar ist überzeugt, dass es den meisten Kund:innen nicht egal ist, was bei ihnen im Haus verbaut wird. Vorausgesetzt natürlich, dass sie wissen, welche Möglichkeiten offenstehen. „Wir verbauen im Neubau zu 90 Prozent Erdwärmepumpen mit Ringgrabenkollektor, weil es die bessere Lösung ist als die Luftwärmepumpe“, so die knapp 40-Jährige. Auch bei den Rohren für die Fußbodenheizung macht sie einen kleinen, feinen Unterschied. Die von Variotherm, einem heimischen Unternehmen, kosten pro Quadratmeter etwa einen Euro mehr als jene aus Asien oder Osteuropa. Dafür gäbe es in Leobersdorf wertschätzende Arbeitsbedingungen. „Wenn die Leute das wissen, dann zögern die wenigsten“, so Kollar. Ähnliches gilt in der PV. „Wir haben PV-Module aus heimischer Produktion und asiatische, wir haben bislang zu 90 Prozent jene aus Österreich verkauft. Wenn man bereit ist, mit den Kund:innen zu reden, verstehen sie den Sinn der Sache“.
Kollar selbst hat auch nicht gezögert, die Finanzierung eines Umbaus nicht an die regionale Bank zu vergeben, sondern einer Umweltbank, weil diese bei der Nachhaltigkeit mehr punktete. Das sorgte freilich für einen heftigen Wirbel. Nach etwas ruppigen Angriffen aus dem örtlichen Geldspeicher haben sich die Wogen inzwischen geglättet, so Kollar.
Interview: Maria Kollar
Building Times: 2024 beginnt so verrückt, wie 2023 aufgehört hat, hört man aus der Industrie, die weitaus weniger Wärmepumpen und Biomassekessel absetzt als erhofft. Wie geht es Ihnen aktuell?
Maria Kollar: Uns geht es seit 13 Jahren immer gleich gut. Wir merken keinen Unterschied, weil wir selbst für unsere Auslastung sorgen. Wir machen uns nicht von kurzfristigen Förderungen abhängig und setzen stattdessen auf Eigeninitiative und Selbstverantwortung.
Building Times: Wie geht das?
Maria Kollar: Wir schauen mit verschiedenen Maßnahmen, dass unser Geschäft läuft. Das klassische österreichische Sudern liegt mir nicht. Die aktuelle Situation mit rückläufigem Neubau kompensieren wir mit der Sanierung. Dazu haben wir sieben Meister im eigenen Haus, die wie kleine Firmen in der Firma arbeiten. Damit haben wir für jede Aufgabe Spezialisten.
Building Times: Wie gelingt es Ihnen, ausreichend Mitarbeiter:innen an das Unternehmen zu binden?
Maria Kollar: Auch hier haben wir unsere Strategien. Wir appellieren nicht an die Politik oder an die Industrie um eine Lösung, weil es sind unsere Aufgaben. Grundsätzlich gilt: Ich verlange viel, gebe aber auch alles.
Building Times: Sie führen ein gemeinwohlbilanziertes Unternehmen. 2022 haben Sie Ihre erste Gemeinwohlbilanz erstellt. Warum ist Ihnen das wichtig?
Maria Kollar: Im Grunde steckt der aktive Wunsch nach einer Veränderung unseres Wirtschaftssystems dahinter. Meine Intension war von Beginn an, zu zeigen, dass Wirtschaft auch anders funktionieren kann. Ich bin ein gesellschafts- und wirtschaftskritischer Mensch und war nie damit zufrieden, wie unser System und unsere Prozesse laufen. Deshalb habe ich mich auf die Suche nach Alternativen für ökologisches und faires Wirtschaften gemacht. Die Gemeinwohlbilanz ermöglicht die Messung.
Building Times: Sie haben in dieser Gemeinwohlbilanz eine Gesamtsumme von 557 Punkten erreicht. Sind Sie damit zufrieden?
Maria Kollar: Man möchte immer tausend, aber ich bin sehr glücklich. Es ist ein gutes Tool, um eine Bestandsanalyse zu machen und Ziele für die Zukunft zu definieren. Es ist auch ein sehr umfassendes Überprüfungstool.
Building Times: Gibt es aktuell ein Ziel, das Sie sich gesetzt haben?
Maria Kollar: Wir haben schon viel geschafft. 2021 haben wir den Wechsel zur 1. Umweltbank Österreichs vollzogen, das ist in der aktuellen Bilanz nicht berücksichtigt. Und natürlich steht das Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft auf der Agenda.
Building Times: Waren die Akteur:innen der lokalen Bank da nicht verstört?
Maria Kollar: Oh ja, sehr und nicht nur die. Auch bei der Energieversorgung haben wir ähnliches erlebt. Je mehr Gegenwind mir entgegenbläst, desto mehr weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Die Wogen haben sich aber längst geglättet.
Building Times: Wie hat Ihr wirtschaftliches Umfeld auf die Gemeinwohlbilanz reagiert?
Maria Kollar: Ich versuche immer, andere mitzunehmen, was nicht einfach ist. Das ökologische Wirtschaften wird ja in der Öffentlichkeit oft mit Verlust und Verzicht assoziiert. Demgegenüber stehen unsere Zahlen, unser Eigenkapital und unsere geringe Fluktuation beim Personal. Ich sehe jedenfalls, dass unsere Art zu wirtschaften nur ein Gewinn ist, und zwar für die Menschen, die Lebensqualität und die Umwelt.
Building Times: Wie sind Sie zu den Erneuerbaren gekommen?
Maria Kollar: Die Vorarbeit hat mein Vater geleistet und ich habe an der Boku studiert. Wir sind seit 35 Jahren auf Erneuerbare spezialisiert. Wir haben als eines der ersten Unternehmen Österreichs eine Solaranlage installiert, die damals ein halbes Vermögen gekostet hat. Wir haben den Angestellten-Fuhrpark seit 2018 komplett elektrifiziert. Drei Serviceautos sind seit drei Jahren elektrisch. Bei den großen Montagewägen haben wir inzwischen zehn elektrische. In zwei Jahren wird der Fuhrpark komplett elektrisch sein.
Building Times: Mögen die Mitarbeiter:innen diese Autos und lohnt sich das Investment?
Maria Kollar: Natürlich wird manchmal geschimpft, weil man nur 100 auf der Autobahn fahren kann. Die Mitarbeiter:innen kennen aber die Intention und die Vision. Und ja, es lohnt sich. Wir hatten 2014 mit 26 Fahrzeugen 165.000 Euro Fuhrparkosten. Zehn Jahre später, mit 33 Autos haben wir Gesamtkosten von 150.000 Euro. Dasselbe gilt bei Strom und Wärme, wo wir bei Kund:innen Lösungen etablieren, die geringere Kosten und weniger Umweltbelastung erzeugen.
Building Times: Worin sehen Sie die größte Herausforderung, um noch besser zu werden für die Umwelt?
Maria Kollar: Unsere größte Herausforderung ist die Kreislaufwirtschaft, wo wir selbst aber wenig Einfluss haben, weil wir nicht produzieren. Es gibt Dinge, die müssen von der Politik gelöst werden, sei es über steuerliche Anreize oder Maßnahmen, wie die CO2-Bestuerung.
Building Times: Hat die Industrie auch eine Bringschuld?
Maria Kollar: Ja, wir treten auch bei jeder Gelegenheit in den Dialog und konfrontieren die Vertreter:innen der Industrie auch mit unserer Sicht.
Building Times: Sind Sie teurer am Markt als die Mitbewerber:innen?
Maria Kollar: Wir sind nicht im Billigst-segment und bewegen uns im Mittelfeld bis oben. Unsere Kund:innen sind in allen Segmenten vertreten. Für Kund:innen mit geringeren Budgets offerieren wir die drei Varianten Basis, Standard und Exklusiv. Erstere verkaufen so gut wie nie.
Building Times: Machen Sie auch Projekte?
Maria Kollar: Ja, aber nur technisch anspruchsvolle. An klassischen Ausschreibungen beteiligen wir uns nicht. Unsere Monteur:innen mögen die Abwechslung und die Qualität. Dazu kommt, dass wir nicht wollen, dass ein Drittel vom Jahresumsatz auf ein großes Projekt entfällt, das macht sehr verletzlich.
Building Times: Gibt es bei Zulieferern und Technik No-Gos?
Maria Kollar: Wir haben vor 15 Jahren aufgehört, Ölheizungen im Neubau zu installieren. Ganz ähnlich bei Gasheizungen. In der Sanierung kommt beides inzwischen sehr selten vor. Wir haben auch immer wieder Projekte abgelehnt, wenn Kund:innen unnötigerweise fossile Energien einbauen wollten, wo aber erneuerbare Energien keine Herausforderung gewesen wären.
Building Times: Sie verbauen kaum Luftwärmepumpen. Warum?
Maria Kollar: In Niederösterreich verbauen wir in 90 Prozent der Fälle eine Erdwärmepumpe mit Ringgrabenkollektor. Das ist sonst eher im Westen Österreichs üblich, wir meinen aber, dass es die effizientere Lösung ist. Wenn man die Kund:innen ordentlich berät, kann man Dinge anders machen. Wir setzen dabei auf ein 360°-Package mit eigenem Planungsbüro, eigener Elektroabteilung, die sich um die elektrische Kombination mit der Haustechnik, mit der PV-Anlage, Batteriespeicher, Notstromanlage und Smart Home kümmert. Ganz ähnlich machen wir das im Sanitärbereich, wo wir einen Fliesenlegemeister haben. Wir schauen einfach, dass wir Schnittstellen vermeiden und gehen proaktiv auf Kund:innen zu.
Building Times: Der Sanitärgroßhandel hat seinen Servicegrad enorm hochgeschraubt und beliefert Installateur:innen fast rund um die Uhr. Ist das wirklich notwendig?
Maria Kollar: Wir brauchen das nicht. Zu uns kommen sie einmal täglich, dazu hatten wir ein Gespräch.
Building Times: Viele Installateur:innen haben während Corona große Lager aufgebaut. Sie auch?
Maria Kollar: Ja, wir haben uns ein Zusatzlager angelegt und werden auch künftig Materialien einlagern, die wir permanent brauchen, weil sie einfach günstiger werden.
Building Times: Sie haben kürzlich erwähnt, dass Sie im Bedarfsfall beim Heizungstausch die Zwischenfinanzierung übernehmen.
Maria Kollar: Bei der Förderung „Sauber heizen“ für sozial Schwächere tun wir das, weil es uns wichtig ist.
Building Times: Sie bieten Ihren Mitarbeiter:innen körperliche Fitness und Mindset-Coaching an. Wird das genutzt?
Maria Kollar: Extrem, das körperliche mehr als das geistige. Wichtig ist, solche Dinge ins Arbeits-Setting zu integrieren. Die Mitarbeiter:innen arbeiten den ganzen Tag, ihnen zu empfehlen, dass sie am Abend in das Fitness-Center gehen, greift zu kurz.
Building Times: Was sagt Ihr Vater zu der ganzen Sache?
Maria Kollar: Er ist sehr stolz und dankbar, denn die Banken, die Industrie und Marktbegleiter waren skeptisch. Ich war bei der offiziellen Übernahme 28 und die Fußstapfen waren groß.
Building Times: Nächstes Jahr feiern Sie Ihr 10. Jubiläum als Geschäftsführerin. Was hat Sie in all den Jahren als Frau in einer Männerdomäne am meisten bewegt?
Maria Kollar: Zu sehen, dass man, wenn eine Frau beharrlich ihren Weg geht, sehr viel erreichen kann und dass man als Frau absolut ernst genommen wird. Wir sind sieben Frauen in der Firma und ich sehe das sehr positiv, da wir einen anderen Zugang haben und etwas mehr auf Intuition vertrauen.
Building Times: Sie haben auch die Elektrotechnik im Programm. Geht das über die PV hinaus, machen Sie auch Hausin-stallationen?
Maria Kollar: Dazu sind wir zu klein und Wachstum steht gerade nicht auf meiner Agenda.
Building Times: Wäre es gar nicht reizvoll, eine Filiale in der Großstadt Wien zu etablieren?
Maria Kollar: Unser Radius ist 70 Kilometer. Im Wohnbau gäbe es spannende Projekte, wer weiß, was die Zukunft bringt?