Bau & Boden: Forderung nach radikaler Wende

Ziviltechniker:innen fordern radikales Umdenken in Bodenpolitik und Baubranche. Die Bauwirtschaft sei Klimasünderin und somit Teil des Problems. Ziviltechniker:innen legen ein umfassendes Positionspapier vor.

Die Idee der Sozialpartner künftig Einfamilienhäuser großzügig zu fördern sorgt weiterhin für Nachbeben. So auch unter Architekt:innen und Zivilingenieur:innen. Sie sehen eine Förderung des Einfamilienhauses bzw. von Neubauten als zu kurz gedacht. Wir müssen Verantwortung für die Zukunft tragen und daher Nachhaltigkeit in den Fokus der Bauwirtschaft stellen“, zeigt sich Architekt Daniel Fügenschuh, Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen besorgt.

Positionspapier „Klima, Boden & Gesellschaft“

Die Ziviltechniker:innen fordern Politik und Wirtschaft auf, endlich die dicken Bretter zu bohren und nicht länger in alten Mustern zu verharren. Die Forderungen der Ziviltechniker:innen sind in vier Kapitel unterteilt und bieten eine ganzheitliche Betrachtung der Bauwirtschaft aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit.

Die Kernforderungen:

Österreich ist fertig bebaut

„Österreich ist fertig bebaut! Wir können uns das Haus auf der grünen Wiese nicht mehr leisten. Die Infrastrukturkosten, die durch die Zersiedelung entstehen, sind volkswirtschaftlich gesehen nicht mehr leistbar. Dieses Geld fehlt am Ende bei wichtigen Projekten, wie Bildungsbauten, Kinderbetreuung oder sozialem Wohnbau“, zeigt sich Architekt Günter Katherl, Vorsitzender Ressort Zukunft Lebensraum der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen, besorgt.

Ende des fossilen Zeitalters

„Öl, Kohle und Gas haben ausgedient. Die Energieproduktion der Zukunft ist dezentral und findet in Energiegemeinschaften und durch private PV-Anlagen statt. Für solche Konzepte braucht es verpflichtende Energieraumpläne“, fordert Klaus Thürriedl, Vizepräsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen
Das weltweite Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, die Urbanisierung sowie der Klimawandel üben massiven Druck auf die Ökosysteme und die Verfügbarkeit von Wasserressourcen aus.
Neue Wege in der Energieversorgung zu gehen bedeutet auch, dass sich nicht ausschließlich politische und wirtschaftliche Prozesse ändern müssen. Gemäß einer realistischen und ganzheitlichen Betrachtung wird jede und jeder Einzelne zukünftig dazu aufgerufen sein, hinsichtlich Energie, Klimaschutz und Umweltschutz das persönliche Verhalten anzupassen und einen Beitrag zu leisten.

Wegwerf-(Un)Kultur beenden

In Österreich beträgt der Bedarf an mineralischen Rohstoffen jährlich etwa 100 Millionen Tonnen, woran der Bausektor mit knapp 80% beteiligt ist. Demgegenüber steht ein gesamtes Abfallaufkommen von 77,4 Millionen Tonnen, wovon der Bausektor 75 Prozent der österreichischen Abfälle ausmacht.
Das sind Zustände, die laut Ziviltechniker:innen nicht mehr tragbar und auch nicht nötig sind. Die Politik muss sicherstellen, dass ein System des „Second-Hand“ im Baubereich etabliert wird. Ressourcenschonende Geschäftsmodelle müssen forciert werden.
„Baurestmassen stellen inklusive Bodenaushub drei Viertel unseres gesamten Abfallaufkommens dar. Hier muss dringend ein Umdenken einsetzen, der Kampf gegen den Klimawandel kann nicht ohne einen bewussten Umgang mit den begrenzt verfügbaren Rohstoffen geführt werden. Die Bauwirtschaft muss kreislauffähig werden!“, so Peter Maydl, stellvertretender Vorsitzender Ressort Zukunft Lebensraum der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen.

Wohnbau: Sozialer Frieden braucht Gemeinsinn

Qualität und leistbarer Wohnraum dürfen nicht länger im Widerspruch zu einander stehen. Klimagerechtes Bauen durch Qualität bietet Langlebigkeit, die für Nachhaltigkeit sorgt. „Wohnen, das sozial verträglich und leistbar ist, darf nicht länger Zufall sein, sondern muss gezielt durch effiziente Projektabwicklungen mit Bestbieterprinzip gefördert werden. Leistbarer Wohnbau und Nachhaltigkeit schließen einander nicht aus, denn wer billig baut, baut auf Kosten zukünftiger Generationen, die ebenfalls ein Recht auf Qualität und Nachhaltigkeit haben“, betont Sophie Ronaghi-Bolldorf, Ressort Zukunft Lebensraum der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen.

Goldgrube Bausektor

„In unsere vorgeschlagenen Maßnahmen zu investieren, würde beide Ziele verknüpfen: Die Bauwirtschaft anzukurbeln und leistbaren Wohnraum zu schaffen. Die Lösungen kommen direkt aus der Branche und liegen nun auf dem Tisch. Die Politik ist gefordert, dieses Potenzial zu nutzen“, so Daniel Fügenschuh, Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen.