Leicht schiefe Ebene
Schon bald soll die um- und ausgebaute Bibliothek der Universität Graz den Benutzern wieder zur Verfügung stehen. Es gibt einen neuen Hörsaal, ein Lernzentrum und einen auskragenden Bauteil, der um sieben Zentimeter abgesunken ist.
Vor zwei Jahren war mit dem Abbruch der 1970 angebauten Eingangshalle der Bibliothek der Universität Graz begonnen worden. Jetzt geht das mit 28 Millionen Euro veranschlagte Um-, Ausbau- und Sanierungs-Projekt der drittgrößten Bibliothek in die Zielgerade – Innenausbau und Fassade stehen noch auf dem Programm. Ende August soll die Rückübersiedelung der während des Baues ausgelagerten 330.000 Bücher erfolgen und mit Semesterbeginn das gesamte Ensemble mit einem neuen Hörsaal und 650 Arbeitsplätzen zur Verfügung stehen.
Glanzstück und Clou des Projektes, das vom Grazer Architekten Thomas Pucher geplant wurde, ist ein zweigeschossiger Glas-/Stahl-Aufbau, der auf den historischen Lesesaal aus dem 19. Jahrhundert aufgesetzt wurde – und sich leicht abgesenkt hat. „Sieben Zentimeter auf 20 Meter Länge“, erklärt BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss auf Nachfrage von Building Times. „Das liegt in der Toleranz, die mehr als das Doppelte beträgt“, ergänzt der Chef der BIG, die das Projekt gemeinsam mit der Universität Graz realisiert.
60 m lang und 26 m breit ist diese Stahl-Schraubkonstruktion, die von der Stahlbaufirma Heidenbauer in Bruck/Mur aus rund 350 Tonnen Stahl ausgeführt wurde – und eben rund 20 Meter auskragt. hatte die BIG schon im Jänner eingeräumt, dass die Statik nachgerechnet und kontrolliert werden müsse, so hat sich nun herausgestellt, dass der im Sub vom Generalplaner Thomas Pucher beauftragte Statiker zuerst längere Zeit nicht geliefert hatte und dann offensichtlich zu wenig Überhöhung gerechnet hatte. Ein Prüfstatiker hat dann den Fehler festgestellt, den ein weiterer Statiker behoben hat und der nun im Endausbau mittels Doppelbodens ausgeglichen wird. Bei der BIG hält sich man sich zu der unangenehmen Causa verständlicherweise bedeckt, weil sie, auch rechtlich, noch längst nicht ausgestanden sein dürfte.
Große PV, Abstriche bei der Schattung
Im Neubau wird mit Bauteilaktivierung gearbeitet, der Strom aus einer 800 m² großen Photovoltaik-Anlage wird direkt ins Hausnetz eingespeist. Die Rotations-Wärmetauscher wurden bereits eingebaut, weil wegen des Denkmalschutzes keine Rückkühler auf das Dach gestellt werden konnten, sehr wohl über das Dach erfolgt jedoch die Nachtlüftung. Die Fassade des Glasaufsatzes wird als Isolierverglasung ausgeführt, nicht jedoch, wie bei der Projektvorstellung im Herbst 2015 angekündigt, mit einer Beschattungsanlage mit Lichtlenkungs-Eigenschaften. Diese sollte im Winter zur Nutzung des passiven Solareintrages beitragen. Auf einer großen, begrünten Terrasse können die Studierenden diesen Solareintrag in Zukunft direkt genießen.
Die ursprüngliche Altbau-Fassade aus 1895, die großteils verbaut gewesen war, wurde jetzt freigelegt und wird derzeit gerade von der Restaurierungswerkstatt Zottmann (Gratwein-Straßengl) wieder hergestellt. Die Stahlkonstruktion des denkmalgeschützten historischen Lesesaals wurde restauriert, die satinierten Gläser saniert. Das historische Dach über dem Lesesaal aus dem 19. Jahrhundert wurde erneuert und darüber eine Brandschutz-Verglasung montiert.
Ein für die ganze Uni dringend benötigter neuer Hörsaal mit Platz für 430 Studierende anstelle des „alten Magazins“ sowie 650 Lern- und Arbeitsplätze bilden sozusagen den Kern der neuen Bibliothek, die von Rektorin Christa Neuper als „neues Zentrum des Uni-Campus, neuer Hauptplatz und Meilenstein in der Campus-Entwicklung“ bezeichnet wurde. Neuper nennt ihn „Alumni-Hörsaal“, offenbar deshalb, weil Absolventen (Alumnis) der Universität Graz für die Finanzierung der Hörsaal-Bestuhlung zu einer Fundraising-Aktion aufgerufen haben.
Die Strabag führt die Bauarbeiten durch, ihre Tochter Strabag Metallica ist für die Fassaden zuständig, den Trockenbau besorgt Pichler Trockenbau aus Passail, die Gebäudetechnik kommt von heiz-hofstätter und die Elektrotechnik von KS Engineers (Kristl Seibt, Graz).