Der Wand-Mann

Wienerberger-Chef Mike Bucher hat, was Trump gerne hätte: Mauersteine. Der Geschäftsführer möchte den Ziegel wieder in den Geschossbau pushen und verspricht sich viel von der Automatisierung.

Im Hennersdorfer Büro von Mike Bucher steht ein schräges dunkles Objekt. Konkret sind es elf Design-Dachziegel, die eine Fläche von einem Quadratmeter ergeben. Es sind Prototypen eines neuen Produktes, das schon bald heimische Dächer zieren soll. Der Geschäftsführer von Wienerberger Österreich ist überzeugt, dass der künftig in Pinkafeld produzierte Dachziegel den Kunden gefallen wird. Wenn dem so ist, können andere Werke in Europa nachbrennen. Entwickelt wurde der Dachziegel hierzulande im Heimatland des global tätigen Konzerns.

Eine andere Entwicklung wird demnächst in Belgien ihre Premiere erfahren: Erstmals soll der australische Mauerroboter Hadrian X in Europa sein Können zeigen. Der auf einem LKW aufgebaute „Maurer“ hat einen 30 Meter langen Greifarm, mit dem Ziegel auf Ziegel gemauert wird. Die Steine werden vom Lastwagen automatisch zur Vermauerung befördert und bei Bedarf auf dem Weg dahin zugeschnitten. Bucher sieht in diesem Versuch eine vielversprechende Art, dem Facharbeitermangel zu begegnen und dem Ziegel im mehrgeschossigen Bau wieder jenen Stellenwert zu geben, den er früher hatte.

Ältere Versuche, mit Ziegel-Fertigwänden die Dominanz des Betons zu kontern, verliefen bislang nicht immer wie gewünscht. Wenngleich das redbloc-Werk im bayerischen Plattling, an dem Wienerberger beteiligt ist, gerade umgebaut wird, um künftig die doppelte Kapazität zu produzieren. Fertigwände machen dann Sinn, wenn auch die Leitungen für Strom und Heizung berücksichtigt werden. Um nicht später auf der Baustelle die Fräse in Betrieb nehmen zu müssen, braucht es eine penible Detailplanung – bekanntlich ein Ding mit Seltenheitswert, das aber trotz diverser Widerstände und Hindernisse zunehmend kommt.

Vermehrt im Stadtbild sichtbar wird auch die vorgehängte Keramik-Fassade Argeton, die in Deutschland entwickelt wurde. Jüngste Bauten stehen in Graz, Niederösterreich und Wien. Weitere Projekte stehen an, wie Bucher erzählt. Ab 250 m2 Fläche kann die Fassade vom Architekten individuell gestaltet werden. Und das zu einem Preis, der sich im Bereich anderer hinterlüfteter Fassadensysteme bewegt.

Building Times: Hr. Bucher, in Österreich wird derzeit sehr viel gebaut. Profitiert Wienerberger von dieser Hochkonjunktur?

Bucher: Leider nur teilweise. Der Bauboom trifft spezielle Bereiche. Wir unterscheiden intern zwischen Dach und Wand. Auf der Dachseite können wir weniger profitieren, weil der Boom stark neubaulastig ist und der Dachmarkt eher ein Sanierungsmarkt ist. Die Sanierungsquote liegt bekanntlich unter einem Prozent, wir bräuchten zumindest zwei Prozent, um entsprechend den Wert der Gebäude in Österreich zu erhalten.

Im Bereich der Wand profitieren wir schon. Der Einfamilienhausbereich, in dem wir traditionell sehr stark sind, stagniert seit Jahren auf hohem Niveau, da gibt es nichts zu jammern. Aber dort, wo der große Boom stattfindet, im mehrgeschossigen Wohnbau, partizipieren wir zu wenig. Da müssen wir in Zukunft mehr tun. Es gibt viele Bauten, die ohne Probleme mit Ziegel realisiert werden könnten.

BT: Unter Architekten gilt der Ziegel als nachhaltiger und werthaltiger Baustoff. Trotzdem sieht man auf urbanen Baustellen nur Grau. Fehlt dem Ziegel das Lobbying an der richtigen Stelle?

Bucher: Ja, das stimmt. Das werden wir verändern und stellen uns zur Zeit neu auf. Grundsätzlich ist aber die Frage: Wer baut? Wenn jemand Eigentum errichtet, um selbst darin zu wohnen, gilt ein anderer Maßstab. Da sind Themen wie Raumklima und Ökologie wichtig.

Auch wenn am Land ein Mehrfamilienhaus gebaut wird, bei dem noch nicht alle Einheiten verwertet sind, wird häufig mit Ziegel gebaut – weil der Bauherr dann gute Argumente hat, die Wohnungen zu verkaufen. Wenn der Wohnraum von Investoren errichtet wird und schon verkauft ist, bevor der Bau begonnen hat, schaut die Welt anders aus. Dann wird oft in Beton gebaut, ohne dass darüber groß nachgedacht wird.

BT: Ist es inzwischen nicht so, dass sich die Architekten gar nicht mehr trauen, den Ziegel im geförderten Wohnbau vorzuschlagen?

Bucher: Nein, das nehme ich so nicht wahr. Wenn ich mit Architekten spreche, erhalte ich sehr unterschiedliche Antworten. Oft beginnt das Nachdenken erst, wenn man nachfragt. Da sind viele Automatismen im Spiel. Wenn man in der Geschichte zurückblickt, sieht es ähnlich aus. Ganz Wien ist in Ziegel gebaut worden. Wir haben uns dieses Ass aus der Hand nehmen lassen. Da müssen wir gegensteuern und haben auch schon damit begonnen. Bis die Maßnahmen greifen, dauert das aber etwas. Die Vorlaufzeiten von Projekten sind lang.

BT: Wenn ich an Ziegelmauer und Haustechnik denke, fällt mir Fräsen und Stemmen ein. Liege ich da richtig?

Bucher: Als ich hier bei Wienerberger begonnen habe, dachte ich auch an das Stemmen und Fräsen. Inzwischen bin ich besser informiert. Es wird immer noch so wenig detailliert geplant, dass der Ziegel einen Vorteil hat: Er ermöglicht die maximale Flexibilität für kurzfristige Entscheidungen auf der Baustelle.

BT: Das heißt, der Ziegel profitiert von der Planung auf der Baustelle?

Bucher: Ja, in gewisser Weise. Wenn einmal präzise in BIM geplant wird, ist dieser Vorteil zwar nicht weg, aber die Planung funktioniert dann anders. Ganz prinzipiell sehe ich aber im Bereich der Haustechnik zwei Strömungen. Es gibt Leute, die sehr auf die Haustechnik setzen und sich auch genau überlegen, was sie da tun. Dann wird auch entsprechend geplant. Und dann gibt es den Trend, so wenig Technik wie möglich zum Einsatz zu bringen. Da sind die elektrischen Rolläden schon das Maximum. Es gibt viele Menschen, die beim eigenen Haus eine sehr hohe Sensibilität in puncto Daten an den Tag legen. Es gibt Leute, die nicht wollen, dass ihr Heizungshersteller weiß, wann sie auf Urlaub sind.

BT: Die Hersteller von Wärmepumpen sagen, dass sich die Meinung gerade dreht. Die jüngere Generation sieht die Vorteile der Vernetzung, so wie es in Skandinavien ganz üblich ist.

Bucher: Die Skandinavier sind generell offener, dort sind auch die Steuerbescheide des Nachbarn einsehbar. Diese Offenheit ist hierzulande doch eher undenkbar.

BT: Seit einiger Zeit gibt es die sogenannte Ziegelwand-Temperierung, in der Rohrmodule in eine Ziegelwand integriert werden. Verkauft sich dieses System wirklich?

Bucher: Das Produkt ist seit heuer aus dem Sortiment gestrichen, weil wir keine Nachfrage dafür hatten. Die Ziegelwand an sich reguliert sich von selbst. Sie agiert wie eine Thermoskanne und hält die Wärme auf der richtigen Seite draußen oder drinnen.

BT: Wurden Sie da Opfer der Schnittstelle zwischen Haustechnik und Maurer?

Bucher: Nein, die Bauherren sahen nicht ein, warum sie das machen sollen. Es gibt wenige Argumente für das System, und die etablierten Klassiker wie die Fußbodenheizungen funktionieren bestens. Wir sind also gar nicht erst bis zur Schnittstelle vorgedrungen.

BT: Beim Beton funktioniert es aber.

Bucher: Ja, weil Beton erst heimelig wird, wenn er temperiert ist. Das ist beim Ziegel von Haus aus so.

BT: Lange Zeit hat die Ziegelindustrie sich gegen die Dämmung ausgesprochen, jetzt haben Sie selbst Systeme im Programm. Werden diese vom Markt angenommen?

Bucher: Wir bieten z.B. Systeme für die Innendämmung an. Diese sind für spezielle Anwendungen gedacht und werden stetig verkauft. Wenn Sie beispielsweise außen eine denkmalgeschützte Fassade haben, nur innen dämmen können und trotzdem eine optimale Feuchtigkeitsregulierung und ein gutes Raumklima wünschen, dann greifen Sie zu unserem acht Zentimeter dicken Problemlöser.

BT: Wäre es möglich, diese Dämmung mit gefüllten Ziegeln von innen für die Außenwand preislich so hinzukriegen, dass sie Styropor ersetzt?

Bucher: Nein, das ist nicht vergleichbar. Wir müssten hier mit anderen Innendämmsystem vergleichen, und auch da sind pauschal keine Aussagen zu treffen.

BT: Mit dem System Argeton bietet Ihr Haus auch ein keramisches Fassadensystem an. Das verhält sich ziemlich unauffällig, oder täuscht das?

Bucher: Es gibt einige sehr schöne Projekte, die zuletzt in Wien, Graz und Niederösterreich realisiert wurden. Und es wird uns künftig gelingen, dieses System vermehrt in den Markt zu bringen, weil der heimische Markt im Vergleich zu anderen Ländern viel Potenzial bietet. Das Produkt ist jedoch beratungsintensiv, und man muss von Beginn an wissen, was man will. Das Schöne an diesem System ist, dass Architekten sich austoben können. Die Fassade kann nach Keramik aussehen, muss es aber nicht. Es ist in Form und Farbe sehr viel möglich.

BT: Ist diese Fassade konkurrenzfähig?

Bucher: Sie ist kein Preisschocker und liegt im Bereich anderer vorgehängter Fassadensysteme. In diesem Markt ist viel Platz für uns, weil Keramik eine interessante Option ist. Und bereits ab 250 m² lohnt es sich, ein eigenes individuelles Design zu kreieren.

BT: In der Bau-Community wird viel über modulares Bauen gesprochen. Kann Wienerberger hier etwas beisteuern, oder sind Sie da nur Beobachter?

Bucher: Wir haben Ziegelwände im Portfolio. Im Werk Plattling in Bayern werden die Wände produziert, bei denen auch die Haustechnikschlitze geschlagen sind. Die Kapazität in diesem Werk wird gerade verdoppelt, weil das Werk ausgelastet ist. Auch im Weinviertel werden Fertigwände mit unseren Ziegeln hergestellt. Wir können also heute schon helfen. Der einzige Nachteil am Element ist der wirtschaftliche Radius für die Verlieferung, der bei rund hundert bis hundertfünfzig Kilometern endet.

BT: Seit Kurzem kooperiert der Konzern mit Hadrian X, einem Roboter, der Maurer ersetzen soll. Wann wird es erste Häuser geben?

Bucher: Der erste Versuch wird im späten Frühjahr in Belgien stattfinden. Das könnte noch interessanter sein als die bisher bekannten Module.

BT: Wieso macht ein österreichischer Konzern seine F & E Arbeit nicht hier?

Bucher: Wir wollten nicht bei null beginnen und haben dieses australische Start-up deshalb gewählt, weil sie sehr weit in der Entwicklung sind. Besonders interessant an Hadrian ist, dass der Greifarm 30 Meter lang ist. Das bedeutet, er kann auch für das mehrgeschossige Bauen eingesetzt werden. Zweitens hat der Roboter eine ausgeklügelte Sensorik, die mit Wind und Regen und ähnlichen Dingen zurechtkommt.

BT: Der Versuch wird in einem Werk getestet?

Bucher: Nein, live auf der Baustelle. Der Roboter ist im Grunde ein großer LKW, der in seinem Bauch Ziegel bereithält, die durch den Greifarm dorthin befördert werden, wohin sie gehören. Bei Bedarf können die Ziegel auch geschnitten werden. Meine persönliche Einschätzung ist, dass der Roboter interessanter ist als die Fertigmodule. Beides wird aber geprüft und weiterentwickelt.

BT: Das klassische Mauern wird dann aufhören?

Bucher: Wir alle kämpfen mit dem Thema Fachkraftmangel und dem Thema Bauzeit. Mit Automatisierung lässt sich an diesen Hebeln etwas bewirken.

BT: Sie haben beim Mauerziegel mit Energy+, Komfort und Klassik drei Kategorien. Welche ist der Verkaufshit?

Bucher: Das hängt von der Zielgruppe ab. Der Trend geht aber speziell im Einfamilienhausbereich in Richtung monolithisches Mauerwerk. Auch der dämmstoffverfüllte Ziegel wird vom Markt gut angenommen. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch im Bereich der Dämmung steigt eindeutig. Daher werden die Wände zunehmend so ausgeführt, dass keine Außendämmung mehr notwendig ist. Wir haben das Gefühl, dass dieser Trend sich noch weiter und schneller verstärkt.

BT: Was liegt dann mehrheitlich auf den LKWs, die bei Ihnen wegfahren?

Bucher: Das ist immer noch der klassische 25-er Mauerziegel. Dessen Anteil sinkt aber, derzeit liegt er rund bei der Hälfte. Früher war der 38-er ein Klassiker, jetzt wird es zunehmend der 50-er oder eben der 38er W.i mit Dämmstoff gefüllt. Die Wandstärke ist den Bauherren und Architekten wichtig. Raum ist knapp, und optisch machen schmälere Wände für viele ein schöneres Bild.

BT: Wie hoch ist der Anteil der Ziegel, die inzwischen geklebt werden?

Bucher: Heuer werden wir rund die Hälfte mit dem sogenannten Dryfix ausliefern.

BT: Diese Technik gibt es jetzt sicher schon ein Jahrzehnt, oder?

Bucher: Ja, schon über zehn Jahre. Solche Entwicklungen vollziehen sich nicht von heute auf morgen. Auch die Umstellung von Blockziegel auf Planziegel hat ihre Zeit gebraucht und dauert immer noch an. Aber es geht stetig voran, und es gibt Regionen in Österreich, in denen fast nur noch Planziegel verbaut werden.

BT: Wienerberger hat seit vielen Jahren die Massivwerthaus-Partner. Gibt es da ein Wachstum?

Bucher: Ja, wir wollen bis 2020 zwanzig Partner haben. Der Bauherr eines Einfamilienhauses hat drei zentrale Fragen, die er gelöst haben will: Preis, Termin und Sicherheit. All das können wir mit unseren Massivwerthaus-Partnern bieten. Einen Fixpreis und einen Terminplan, der hält. Ein unabhängiger Sachverständiger begleitet, prüft und zertifiziert die Qualität der Baustelle bzw. des Endprodukts.

BT: Bauen diese Partner auch Passivhäuser?

Bucher: Das Thema Passivhaus hat sich im Wesentlichen erledigt. Die Bauherren fragen nur noch sehr selten nach Passivhäusern. Es wird viel mit Augenmaß gebaut. Das soll heißen, dass große Investitionen für das letzte Hundertstel der Dämmung lieber für z.B. erneuerbare Energien ausgegeben werden. Das passt perfekt zum soliden Ziegelbau in Kombination mit neuen Technologien.

BT: Wäre das Konzept der Massivwerthaus-Partner nicht ausdehnbar auf den mehrgeschossigen Wohnbau?

Bucher: Denkbar ist es schon, und das gab es auch in Einzelfällen. Allerdings sprechen wir dann von einer anderen Zielgruppe. Aktuell kümmern sich unsere Massivwerthaus-Partner ausschließlich um private Häuslbauer.

BT: Könnten Sie derzeit mehr verkaufen, wenn es mehr Maurer gäbe?

Bucher: Ja, kurzfristig wäre das möglich. Aber die Frage ist: Wie lange? Wir gehen davon aus, dass wir heuer auf dem Niveau von 2018 liegen, für 2020 getraut sich niemand so recht etwas zu prognostizieren. Heuer wird einiges gebaut, was vom letzten Jahr verschoben wurde. Auch deshalb, weil die Kostenschätzung nicht mit der Preisrealität harmoniert.