Planen für Miteinander

Das Wiener Architekturbüro einszueins architektur hat seinen Fokus auf kooperative und partizipative Planungsansätze gelegt und dafür eigene Methodiken entwickelt. Das Projekt „die HausWirtschaft“ ist das jüngste Beispiel dafür.

Internationale Anerkennung ist den Wiener ArchitektInnen der einszueins Architektur ZT GmbH bereits sicher. Ob es jedoch einer der vier Hauptpreise beim New European Bauhaus Prize der Europäischen Union geworden ist, wurde erst unmittelbar vor Erscheinen dieser Ausgabe von Building Times bekannt. Immerhin hatten es Katharina Bayer, Markus Zilker und Markus Pendlmayr mit ihrem großvolumigen Partizipationsprojekt „Gleis 21“ im Wiener Sonnwendviertel aus mehr als 1.100 Einreichungen unter die 52 Finalisten geschafft und „vorsichtshalber“ genauso wie der Bauherr, der von Zilker initiierte Verein Gleis 21, je eine Vertreterin nach Brüssel zur Preisverleihung geschickt. Dort warteten auf die SiegerInnen – einszueins war in der Kategorie „Regaining a sense of belonging“ angetreten – 30.000 Euro, auf die zweitplazierten 20.000 Euro.

Gemeinsam aufs Gleis gebracht

Man kann das Baugruppen-Wohnprojekt „Gleis 21“ durchaus als prototypisch für die Arbeiten von einszueins bezeichnen, denn im Wiener Sonnwendviertel wurde „vom Städtebau bis zur Steckdose“ alles gemeinsam mit den zukünftigen NutzerInnen entwickelt, wie die Planer erläutern. „Wir haben dort eine Kerngruppe mit vielen Leuten aus dem Kulturbereich formen können und konnten neben den Wohnfunktionen ein kulturelles Zentrum schaffen“, erläutert Architektin Katharina Bayer im Gespräch mit Building Times.

Ausgeführt wurde Gleis 21 als kompaktes Niedrigstenergiehaus in Holz-Hybrid-Bauweise und im Sommer 2019 fertiggestellt. Im Erd- und Untergeschoß liegen vier „Gewerbeflächen“, nämlich ein Veranstaltungsraum und eine Medienwerkstatt, die auch vom Kulturverein Gleis 21 bespielt werden, eine Musikschule sowie eine Gastrofläche, welche die urbane Kante zum Helmut-Zilk-Park bildet. Die 34 Wohneinheiten in den vier Obergeschoßen wurden individuell mit den BewohnerInnen geplant und verfügen alle über einen Balkon. Fünf sogenannte „Flex-Einheiten“ werden Geflüchteten zur Verfügung gestellt. Im Dachgeschoß schließlich gibt es drei freistehende Pavillons, die ausschließlich gemeinschaftlich genutzt werden: Das „Ruhehaus“ mit Bibliothek, das „Gemeinschaftshaus“ mit Küche und Spielraum sowie das „Entspannungshaus“ mit Sauna, Badewanne und Meditationsraum. Dazu kommen auf dem Dach noch „Freiflächen zum gemeinsamen Garteln, Grillen und Sonnenbaden“, wie es in der Projektbeschreibung heißt.

Von der Technik gekommen

Die heutige Architektur-Firma geht auf das Jahr 2006 zurück, als Katharina Bayer und Markus Zilker die einszueins architektur als Bayer und Zilker Baukünstler OG mit einer Baumeister-Gewerbeberechtigung gründeten. Daraus entstand nach absolvierter Ziviltechnikerprüfung 2018 und erweitert um den langjährigen Mitarbeiter Markus Pendlmayr, die einszueins architektur ZT GmbH. Sie gehört fast genau zu je einem Drittel den drei Gesellschaftern und macht mit 16 MitarbeiterInnen – „das schwankt und hängt auch von der Zahl der PraktikantInnen ab, wir waren auch schon bis zu 25“, so Bayer – rund eine Million Euro Jahresumsatz. „Wir waren ursprünglich ein Technisches Büro und sind mit kleinen Projekten gestartet“, berichtet Bayer in der Rückschau. „Die OG betreut aber nur mehr auslaufende Projekte und wird es bald nicht mehr geben“, womit der Zwei-Firmen-Status obsolet wird. Den Namen führt Bayer auf die Gründung zu zweit zurück: „Wir waren bei der Gründung sehr stark im Dialog und wollten auch das Miteinander ausdrücken“.

„die HausWirtschaft“

Anfang Mai fand im Wiener Nordbahnviertel die Grundsteinlegung für „die HausWirtschaft“ statt, ein von einszueins entworfenes Gemeinschaftsprojekt, das Arbeiten, Wohnen und Kultur unter einem Dach vereint, wofür 6.900 m² Nutzfläche und eine große Dachterrasse geplant sind. Entwickelt wurde das Projekt auf dem Baufeld 6b2 Ecke Taborstraße/Bruno Marek Allee gemeinsam von den Mitgliedern der HausWirtschaft und mit dem Bauträger EGW Erste Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH. Bauen wird die Porr und im Herbst 2023 soll eröffnet werden.

Die Nutzungen in dem siebenstöckigen Atriumhaus werden vielfältig sein: So wird es einen großen Co-Working-Space, eine Pension mit neun Zimmern, einen Veranstaltungssaal, ein Gesundheitszentrum und 48 Wohneinheiten geben. Prozessbegleiter ist realitylab, HPD Engineering macht die HKLS- und Elektroplanung und zwoPK Landschaftsarchitektur steuert die Grünraumplanung bei. Einszueins ist im Nordbahnviertel noch ein zweites Mal engagiert: Für den Bauträger KIBB Immobilien GmbH wurde ein frei finanziertes, gemischt genutztes Objekt geplant, in dem es im Erdgeschoß eine gewerbliche Nutzung gibt und darüber Wohnungen. „Da haben wir die Planungen bis zur Einreichung gemacht und die künstlerische Oberleitung“, schränkt Architektin Bayer ein. Üblicherweise betreut man die gesamte Entstehungskette bis zur Fertigstellung und manchmal auch darüber hinaus.

„Wohnprojekt Wien“

Das erste Baugruppenprojekt von einszueins war das „Wohnprojekt Wien“ unter dem Titel „wohnen mit uns!“ direkt am Bednar Park: Entstanden sind 39 Wohneinheiten, basisdemokratisch entwickelt und aufgeteilt, mit zentralem Erschließungsbereich mit Lufträumen, 500 m² für vielfältige Gemeinschaftsräume wie Küche, Mehrzwecksaal, Werkstätten und Musikraum und 400 m² für Gewerbeeinheiten. Organisationsstruktur des Vereins sei die Soziokratie, erläutert Bayer. „Das Wohnprojekt Wien ist ein Modellvorhaben für eine neue Art zu leben in Wien: herzlich, jenseits von Dogmen, offen für Neues“, so die Projektbeschreibung. „2009 haben wir mit dem Projekt begonnen, Partner im geförderten Wohnbau war die Schwarzatal Gemeinnützige Wohnungs-Siedlungsanlagen GmbH und im Dezember 2013 konnten die BewohnerInnen einziehen“. „Wir haben damals angefangen eine Partizipations-Methodik, Vorgangsweisen für Beteiligungsverfahren zu entwickeln“, erläutert Architektin Bayer. Dementsprechend heißt es in der Baubeschreibung nicht einfach nur „Planung“, sondern vielmehr „Planung und Planungspartizipation“.

Diese Methodik, die auch Dritten angeboten wird, erweitere heute oft den Architekturauftrag um ein Drittel, „was auch wirtschaftlich interessant ist“, wie Bayer sagt. Es gebe viele Gruppen, die um Beratung anfragten aber auch Planer. „Wir beschreiten immer wieder Wege, die noch keiner beschritten hat“, so die Architektin. „Für uns ist wichtig, dass die Architektur über reines Bauen hinausgeht, dazu gehört auch die soziale Struktur. Die Architektur ist die Hardware und die soziale Struktur ist die Orgware bei Baugruppen“. Sie lebe selbst mit ihrer achtjährigen Tochter in einem Baugruppen-Projekt, denn „die Arbeit hat mein Leben beeinflusst. Ich bin auch stark in einem Nachbarschafts-Netzwerk engagiert“, berichtet Bayer.

Ökologische Kreisläufe schließen

Zu ihrem Selbst- und Architektur-Verständnis gehören auch Bemühungen, der Klimakrise entgegenzuwirken und die Nachhaltigkeit zu stärken: „Das Haus ist in einem ökologischen Kreislauf eingebunden und es gilt, diese ökologischen Kreisläufe zu schließen. Deshalb versuchen wir auch im Neubau, den Holzbau voranzutreiben“. Seit der Seestadt Aspern gebe es Baugruppen- Auswahlverfahren, „die für uns sehr wichtig sind“, aber natürlich auch Architekten-Wettbewerbe. Etwa eine Hälfte der Projekte komme deshalb aus dem klassischen Wohnbau und die andere aus anderen Entwicklungsformen. „Wir sind nicht einszueins macht Drei: Katharina Bayer, Markus Zilker und Markus Pendlmayr interessiert an spekulativem Wohnbau und an finanzorientierten Immobilien, wir fokussieren uns auf das Positive. Wir machen auch keine Bildungs- und keine Kulturbauten, denn wir wollen nicht alles machen“, grenzt sich die Architektin ab, die in der Freizeit neben Laufen, Radfahren und Wandern gerne kulturell reist. Fachplaner, mit denen sie bevorzugt zusammenarbeitet, will Bayer keine nennen, ausgenommen das Büro Woschitz für den ökologischen Holzbau, spricht von unterschiedlichen Projekt-Teams und betont, dass es für Baugruppen häufig auch eine soziale Begleitung gebe und oft auch die Caritas dabei sei.

Vis-à-vis für Synergien

Aktuell ist bei den einzueins-Partnern neben der „HausWirtschaft“ noch einiges los: So ist beispielsweise das Projekt „Vis-à-vis“ im Village im Dritten bereits eingereicht, natürlich ein Baugruppen-Projekt, das in eine geförderte Wohnanlage integriert wird, was laut Projektbeschreibung „neue Potenziale und Synergien“ eröffnet. Kooperationspartner ist hier das Wiener Büro Feld72, Auftraggeber, nach einem Wettbewerbsgewinn, ist erneut die Schwarzatal. Neun Geschoße werden in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet, „wir orientierten uns hier an der Deutschen Holzbau-Norm“, sagt Bayer, 72 geförderte Wohnungen sind geplant und in der Baugruppe 39 Wohnungen, 500 m² für Gewerbe, ein viergruppiger Kindergarten sowie eine SOS Kinderdorf-Wohngemeinschaft. „Die Baugruppe im Norden und der Wohnungsbau im Osten sind klar definiert und gleichzeitig auf allen Geschoßen miteinander verbunden. Unterschiedliche Wohnungstypen, zusammen mit Juno-Zentrum für Getrennte und Alleinerziehende, erfüllen die Wohnbedürfnisse aller Generationen und Lebenssituationen und fördern die soziale Mischung“, wird in der Baubeschreibung von feld72 erklärt. Weiters heißt es, dass neben der vertikalen Begrünung der Laubengänge und des Daches auch die Ost-West-Frischluftschneisen und die nach Süden ausgerichteten Laubengänge das Mikroklima zusätzlich beeinflussten und die Überhitzung reduzierten. Landschaftsplanerin ist Carla Lo.

Transformation in Ternitz

Eine besondere Herausforderung für einszueins wird die „Transform Ternitz“, in deren Rahmen eine ehemalige ArbeiterInnen-Siedlung der Schwarzatal „im Bestand entwickelt und klimawendetauglich“ gemacht werden soll. Die knapp 400 Wohnungen in der sogenannten „Dreiersiedlung“ wiesen einen hohen Sanierungsbedarf auf, seien von starken Leerständen betroffen und die Siedlung insgesamt kämpfe mit dem Image einer „Problemsiedlung“. Das vom Programm „Smart Cities Demo 2020“ geförderte Sanierungskonzept wird partizipativ erarbeitet, wobei die Caritas Wien als Konsortialführer fungiert, Carla Lo für die Landschaftsarchitektur verantwortlich ist, sowie die Schöberl und Pöll GmbH die Bauphysik planen und die Forschung einbringen wird. „Die Ressourcen sind beschränkt, daher müssen wir uns stärker dem Bestand widmen. Im Bestand nimmt man, was man an Materialien hat und im geförderten Wohnbau hat man einen Kostenrahmen. Dass ökologisches Bauen teurer ist, finde ich geradezu kurios“, schließt einszueins-Gründerin Katharina Bayer.