Dauerläufer in Orange
Variotherm-Eigentümer Alexander Watzek baut weiter aus: Produktion und Lager werden erweitert, ein neuer Verkaufsleiter ist an Bord und die zwei Söhne sind für die Nachfolge positioniert.
Treiben lassen, Möglichkeiten erkennen und Zufälle nutzen. Das ist ein Credo von Alexander Watzek. Er ist Eigentümer des auf Flächenheizung- und -kühlung fokussierten Unternehmens Variotherm mit Sitz in Leobersdorf, das zuletzt kräftige Umsatzzuwächse erzielt hat. Vor zwei Jahren erwirtschaftete der 40-Mitarbeiter-Betrieb knapp 10 Millionen Euro, 2021 waren es mehr als 14 Millionen. Und die Chancen für weiteres Wachstum stehen gut. Demnächst wird am Firmensitz eine neue Fertigungslinie für Gipsfaser-Fußbodenplatten installiert. Damit erhöht Variotherm den jährlichen Ausstoß des umsatzträchtigsten Produktes von derzeit 220.000 m² auf 380.000 m². Und damit mehr auf Vorrat produziert werden kann folgt eine fünfte Lagerhalle. „Derzeit laufen unsere bestehenden Anlagen an sieben Tagen rund um die Uhr und trotzdem können wir die Nachfrage nicht immer unmittelbar vollständig abdecken“, so Watzek. Man sei das erste Mal in der Geschichte gezwungen Lieferungen zu kontingentieren, bedauert der passionierte Sportler, der das väterliche Unternehmen 1999 übernommen hat. Watzek ist 57 Jahre alt und motiviert inzwischen die Jungen, ihre Kräfte zu forcieren. Zwei seiner Söhne arbeiten bereits im Unternehmen mit und mit Ronald Brunner hat soeben ein junger Mann die Verkaufsleitung übernommen. Er selbst möchte nicht bis 70 mitmischen, sondern die Zügel zeitgerecht übergeben und sich seinen Hobbys, wie eben dem Sport, widmen. Watzek war einst begeisterter Kicker, hat zwei Ironmen in den Beinen und läuft fast täglich sechs bis zehn Kilometer. Im Winter schnallt sich der Absolvent der HTL-Pinkafeld gerne Langlauf- oder Tourenski an. Den für Familienunternehmen relativ frühen Ausstieg hat auch sein Vater so gehalten und der Erfolg des jungen Watzek gibt ihm recht: Für die gerade anstehenden Erweiterungen der Produktion samt Lager braucht Variotherm keine Bank. Investiert werden immerhin rund 2,5 Millionen Euro. Etwas weniger wurde vor gut zwei Jahren bereits in die Erweiterung der Zentrale investiert.
Strahlkraft der Strahlungswärme
Variotherm ist kein Haustechnik-Highflyer, sondern ein konstant wachsender Nischenanbieter, der seit 43 Jahren existiert. Begonnen hat es mit der Fertigung von Heizleisten, später folgten Speichersteine, bis vor mehr als 20 Jahren die ersten Variotherm Systeme für den Trockenbau entwickelt wurden. Der Erfolg blieb nicht aus, in der gesamten Geschichte gab es nur zwei Jahre, in denen das Unternehmen nicht gewachsen ist. „Auffällig dabei ist, dass Variotherm in Krisenzeiten deutlicher wächst als in Boomzeiten“, erklärt Watzek. Seine Erklärung: In schwierigeren Zeiten denken Konsumenten intensiver darüber nach, was sie um ihr Geld bekommen. „Das ist jene Zeit, in der wir mit unserem Tun und unseren Lösungen besser durchdringen. Wir brauchen ein offenes Ohr“, sagt er und man glaubt es ihm aufs Wort. Mit rund 400 Artikeln im Sortiment ist Variotherm ein bisschen erklärungsbedürftig. Der große Aufhänger ist die Behaglichkeit der Strahlungswärme, zu deren Demonstration es in der vor zwei Jahren kräftig erweiterten Zentrale auch einen Wohlfühl-Raum gibt.
Ganz und gar nicht in das Schema des geordneten Wachstums fallen die letzten beiden Jahre. Das seien Ausnahmejahre, die allen in der Branche viel Zeit und Nerven abverlangten, so Watzek, der beim Interview, wie so oft bei anderen Gelegenheiten, einen orangefarbenen Pullover trägt. „Wir haben permanent Rapid-Viertelstunde“, kommentiert er den Trubel, der sich um die Agenden mit Zulieferern und Preisen dreht. Übrigens: Der umsatzstärkste Markt für Variotherm ist Deutschland, der größte Einzelkunde sitzt in Holland und immer wieder verlässt ein Container Leobersdorf in Richtung Neuseeland. Auch in Irland und Großbritannien werden die Heiz- und Kühllösungen verbaut. Nicht weil man dort aktionistisch nach Abnehmern gesucht hat, sondern weil man gefunden wurde, wie Watzek es nennt. Wie es dazu gekommen ist, warum Variotherm viele kleine Kunden serviciert, wieso der Firmenchef gerne orange Pullover trägt und wenig begeistert ist, die hauseigenen Lösungen noch mehr zu vereinfachen, erfahren Sie im Building Times-Interview.
INTERVIEW: Alexander Watzek
Building Times: Herr Watzek, 2020 und 2021 waren herausfordernd. Wie waren die letzten beiden Jahre für Ihr Unternehmen?
Alexander Watzek: Ich meine, dass nahezu alle Firmen unserer Branche in den beiden letzten Jahren große Umsatzzuwächse erzielt haben. So ist es auch uns ergangen. Die Zahlen würden jeden reinen Ökonomen richtig freuen, ich bin aber nicht ganz glücklich damit.
Building Times: Wie hoch waren die Zuwächse in den letzten beiden Jahren?
Alexander Watzek: Zwischen 25 und 35 Prozent. 2021 haben wir einen Umsatz von 14,3 Millionen Euro erzielt, 2019 lagen wir bei knapp 10 Millionen. Wir sind trotzdem ein kleines Unternehmen und stehen teilweise im Wettbewerb mit Konzernen.
Building Times: Aber es geht sich trotzdem aus?
Alexander Watzek: Ja, weil wir in einer Nische tätig sind und dafür bekannt sind, Lösungen zu bieten.
Building Times: Und was ist schlecht an wuchtigem Wachstum?
Alexander Watzek: Wir haben gerade eine Zeit, in der es nicht mehr um Leistung geht, sondern um das Verteilen und um Lieferfähigkeit. Das wirkt sich negativ aus, weil auch im Einkauf die Hemmungen fallen. Um lieferfähig zu bleiben, akzeptieren alle Beteiligten verrückte Preise. Das tut niemandem gut.
Building Times: Was wirkt stärker, die Renovierung oder der florierende Neubau?
Alexander Watzek: Diese Frage stellt sich immer wieder, wir haben das aber noch nie richtig recherchiert. Merkbar ist aber klar, dass der Anteil der Sanierung und Renovierung am Gesamtanteil zunimmt. Wir sind aber sehr breit aufgestellt, so dass wir für viele bauliche Situationen die richtigen Produkte haben und auch geografisch gut aufgestellt sind.
Building Times: Wie hoch ist der Anteil an großen Kunden?
Alexander Watzek: Klein, wir sind aus Tradition nie großen Kunden oder Projekten hinterhergelaufen. Eher ist das Gegenteil der Fall. Wir haben rund 450 Stammkunden, die bei uns bestellen und der durchschnittliche Rechnungsbetrag liegt bei knapp 2.000 Euro. Wir pflegen das Kleine und sind damit bislang gut gefahren.
Building Times: Das heißt, Großprojekte interessieren Sie nicht?
Alexander Watzek: Nein, aber wir sind dort auch nicht der richtige Partner. Wir passen weder zu einem großen Großhändler, noch zu einem Großinstallateur, der große Projekte macht. Wir haben uns auf einer Ebene positioniert, auf der die kleinen Dinge wichtig sind. Das ist kein Zufall.
Building Times: Hatten Sie zuletzt auch Probleme mit der Lieferkette?
Alexander Watzek: Ja, laufend. Es ist ein Wahnsinn, was sich derzeit abspielt. Wir waren erstmals seit mehr als 40 Jahren dazu gezwungen, Waren zu kontigentieren. Wir haben auf unser umsatzstärkstes Produkt, die 20 Millimeter Fußbodenheizung Variokomp, auch erstmals Lieferzeiten, was es davor nie gab. Dieses Produkt liefern wir bis Neuseeland und wir erwirtschaften damit fast 45 Prozent des Umsatzes.
Building Times: Was war das Hauptproblem in der Beschaffung?
Alexander Watzek: Das variiert, wir haben fast jeden Tag Sitzungen dazu. Wir haben sehr gute Beziehungen zu unseren Lieferanten. Wir behandeln Kunden und Lieferanten gleich, das ist nicht immer einfach, weil es verhaltenskonträr ist.
Building Times: Aber welche Materialien machen die größten Sorgen?
Alexander Watzek: Bei Kupfer und Alu hatten wir eine lange Durststrecke, auch durch Pech, weil unser Kupfer-Hauptlieferant von der deutschen Flutkatastrophe schwer betroffen war. Unser wichtigster Rohstoff ist Gipsfaser, wo wir mit Knauf und Fermacell zwei Lieferanten haben, die wir beide brauchen und wo wir auch an Kapazitätsgrenzen gestoßen sind.
Building Times: Und die Rohre?
Alexander Watzek: Die sind natürlich auch ein Thema. Wir haben ja ganz spezielle Mehrschicht-Verbundrohre, teilweise in Lizenz für uns produziert. Trotzdem sind wir hier „Spielball“ der großen Kunststoff-Konzerne, die Preise sind absurd hoch. Eine sehr unbefriedigende Situation. Aber auch hier werden wir – ganz in unserem Stile – gut rauskommen.
Building Times: Das heißt, es wurde teurer und knapper?
Alexander Watzek: Ja, wir hatten eigentlich geglaubt, dass sich die Beschaffung bis Mitte des Jahres normalisiert, seit kurzem sind wir nicht mehr so sicher.
Building Times: Haben Sie die Preise erhöht?
Alexander Watzek: Ja, erstmals im August 2021, zwischen Null und 4 Prozent. Wir kalkulieren normalerweise jedes Jahr im April jeden unserer 400 Artikel durch. Die Standard-Preiserhöhung auf die gesamte Liste gibt es bei uns nicht. 2021 haben wir die Kalkulation dreimal gemacht, das hatten wir zuvor noch nie.
Building Times: Folgten weitere Anpassungen?
Alexander Watzek: Im Jänner mussten wir die Preise bei einzelnen Ausreißern um bis zu 20 Prozent erhöhen, das Gros der Produkte bewegt sich im Bereich zwischen 5 und 10 Prozent. Wir hoffen, dass es damit erledigt ist. Aber wir drucken derzeit keine Preislisten mehr.
Building Times: Das heißt, auch für die Endkunden wird Variotherm teurer.
Alexander Watzek: Schwer zu sagen, wir stellen fest, dass unsere Händler und Installateure die Erhöhungen nur teilweise durchreichen.
Building Times: Ein aktuelles Variotherm-Projekt steht in Dublin. Andere in Neuseeland oder Großbritannien. Wie kommt es dazu, dass so weit weg Ihre Produkte verbaut werden? Das ist ja irgendwie unlogisch, oder?
Alexander Watzek: Wieso unlogisch?
Building Times: Weil es ja dort vermutlich auch Lösungen gibt.
Alexander Watzek: Ohne abgehoben wirken zu wollen, aber in Neuseeland ist haustechnisch Steinzeit, in Irland und Großbritannien teilweise auch. Ich möchte dazu aber etwas weiter ausholen: Ich war im Export noch nie wirklich erfolgreich bei der Suche nach Distributoren für die Erschließung eines Marktes. Wir wurden immer gefunden. Neuseeland ist ein Zufall. Ein deutscher Installateur ist dorthin ausgewandert und hat uns vor Ort verbaut. So haben wir seinen Lieferanten kennengelernt, daraus ist eine Freundschaft entstanden und dieser Händler ist heute unser Importeur.
Building Times: Und Irland?
Alexander Watzek: Dorthin hat uns Griffner-Haus geführt. Das Unternehmen expandierte Anfang der 90er-Jahre dorthin und verbaute teilweise unsere Lösungen. Auch hier entstand später nach ersten Projekten eine Freundschaft. So geht das, treiben lassen, Chancen wahrnehmen und bei Problemen vor Ort sein. Das war nicht immer lustig, hat sich aber gelohnt.
Building Times: Deutschland ist aber der wichtigste Markt, oder?
Alexander Watzek: Ja, eindeutig. Der Markt wird künftig auch vom neuen Verkaufsleiter Ronald Brunner betreut. Unser größter Export-Kunde ist allerdings ein holländisches Unternehmen.
Building Times: Wie wichtig sind die Architekten für Sie?
Alexander Watzek: Das ist unterschiedlich. In Österreich befassen sich viele Architekten wenig mit der Detailtechnik. In anderen Ländern ist der Architekt technisch involviert und damit auch entscheidend für uns. Die meisten heimischen Architekten, mit denen wir arbeiten kommen aus der Baubiologie-Ecke. Das hat Tradition, weil mein Vater auch beim Anfang des IBO (Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie) dabei war.
Building Times: Sie bedienen vornehmlich Installateure und Trockenbauer mit Ihren Produkten. Mit welcher Berufsgruppe macht die Arbeit mehr Spaß?
Alexander Watzek: Trockenbauer und Zimmerer haben wir wenige. Ähnlich verhält es sich mit Architekten – zumindest in Österreich. Wir bekommen unser Geld von zufriedenen Kunden, gehen aber ausschließlich Business-to-Business. In Österreich strikt zweistufig. Im Export arbeiten wir mit kleinen Spezialhändlern, die unsere Ware auf eigene Rechnung einkaufen und einlagern und im jeweiligen Land im Vertrieb ähnlich agieren, wie wir in Österreich. Das bringt mit sich, dass wir im Export einen geringeren Deckungsbeitrag erzielen. Deshalb sind wir bemüht, immer darauf zu achten, dass wir den Heimmarkt ordentlich bearbeiten.
Building Times: Wie steht es um den Export insgesamt?
Alexander Watzek: Derzeit machen wir 60 Prozent Umsatz im Export und 40 Prozent im Inland.
Building Times: Der Holzbau boomt, können Sie da reüssieren?
Alexander Watzek: Wir sind mit ein paar Fertighausherstellern im Geschäft und was sich zuletzt verstärkt zeigt, ist der Modulbau. Im Segment Fertighaus stellen wir aber fest, dass wir zu detailliert und damit zu kompliziert sind für deren standardisierte Abläufe. Unsere Lösungen bestehen aus Komponenten, das erhöht mitunter den Planungsaufwand und damit hat man ein Argument gegen uns, auch wenn das Ergebnis ein sehr gutes wäre.
Building Times: Das heißt, der gewerkeübergreifende Charakter Ihrer Lösungen steht im Weg.
Alexander Watzek: Ja, wir sind extrem gewerkeübergreifend. Das ist auch der Grund, warum es Trockenbauer und Installateure gibt, die sagen, oh je, das ist mir zu kompliziert. Sie könnten es natürlich umgekehrt als Chance sehen, die Wertschöpfung ihres Tuns zu erhöhen. Es gibt ja längst solche Firmen, die das gut auf die Reihe kriegen. Bei der Firma Koller, einem unserer großen Kunden, arbeiten Installateur, Elektriker, Fliesenleger Hand in Hand.
Building Times: Sie könnten Ihre Produkte adaptieren und damit einfacher machen?
Alexander Watzek: Dieses Ansinnen wird immer wieder vorgetragen und ich verstehe es auch. Der Haken ist, dass damit der Handwerker an Stellenwert verliert. Das können wir alle nicht wollen, denn damit geht viel Qualität verloren.
Building Times: Variotherm-Lösungen findet man auch in deutschen und österreichischen Online-Shops. Wird dieser Vertriebskanal aktiv forciert oder sind das unerwünschte Ausreißer?
Alexander Watzek: Das sind ungewollte Ausreißer, wir unterstützen und forcieren das nicht. Hinter diesen Shops, die Sie hier ansprechen, stehen Installateure, die unsere Kunden sind. Wir haben inzwischen durchgesetzt, dass sie unsere Produkte nicht drastisch unter unseren Listenpreisen verkaufen. In jedem Fall müssen auch wir diese Vertriebsschiene akzeptieren, da führt kein Weg daran vorbei.
Building Times: Wandheizung und Lehm vertragen sich ziemlich gut. Können Sie dieser Kombination etwas abgewinnen oder bleiben Sie lieber bei Gipsfaser?
Alexander Watzek: Lehm als Putz ist toll, in der Verarbeitung von Platten ist Gipsfaser aber weitaus einfacher und der Markt für Lehm zu klein.
Building Times: Letzte Frage: Sie tragen häufig orangefarbene Kleidung und mit Variotherm verbindet man die Farbe Orange. Warum eigentlich?
Alexander Watzek: Weil Orange eine warme Farbe ist. Ursprünglich war die Firmenfarbe kupferfarben, weil mein Vater ja mit Heizelementen aus Kupfer begonnen hat. Später folgte dann eine kurze Rot-Phase, aber seit dem Bau des neuen Gebäudes 1979 sind wir Orange.