Hamster mit Lohnplus

Den Installateuren geht es gut. Die Nachfrage nach Heizung, Bad & Co brummt. Höhere Material-Einkaufspreise werden weitergereicht und die Stundensätze erhöht. Industrie und Handel müssen sich wegen Hamsterkäufen auf ein Nachlassen der Bestellungen einstellen, so der Trendforscher Arno Kloep.

Materialmangel und Preiserhöhungen sind zwei aktuelle Reizworte, die manche Handwerker und Endkunden auf die Palme bringen. Die Ursachen für die Verwerfungen am Markt sind vielfältig. Die Pandemie hat weltweit Reaktionen ausgelöst, deren Konsequenzen sich – wenn überhaupt – nur mit größerem Zeitverzug wieder einfangen lassen. Mit den ersten Lockdowns setzte eine mächtige Stornowelle ein. Daraufhin wurden in vielen Segmenten der globalen Produktionskreisläufe Kapazitäten freiwillig oder zwangsweise zurückgefahren. Das Zurückfahren der Fabriken drückte die Energiepreise, hunderttausende Container und die dazugehörigen Transportkapazitäten wurden plötzlich nicht mehr gebraucht. Nachdem die Impfstoffe da waren, drehte sich die Situation sehr abrupt komplett. Es wurde rasch erkannt, dass Corona zwar viel Leid und Schaden anrichtet, aber nicht das Zeug hat, die Erde völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wie auf Kommando wollte die ganze Welt wieder zurück zur sogenannten Normalität. Die gibt es zwar weiterhin nicht, die Sehnsucht danach aber schon. Und die ist einerseits geprägt von Angst und andererseits von Zuversicht. Angst, weil manche meinen, dass in der Zukunft weitere Pandemien anstehen. Weit mehr wiegt jedoch die Zuversicht, weil in den vielen Monaten der Lockdowns enorme Geldreserven angespart wurden. Nicht nur bei jenen, die nicht auf Urlaub fahren konnten und sich stattdessen ein neues Bad, eine Küche oder einen Pool gönnten. Auch das große Geld der Anleger suchte und sucht nach Anlageformen, die der anstehenden und inzwischen real gewordenen Inflation halbwegs standhalten: Immobilien. Dazu kamen noch die Investitionspakete der Regierungen, die viele Milliarden locker machten, um sie zu verbauen. Es ist kein Geheimnis, dass mit der hierzulande zur Rettung der Wirtschaft verkündeten Investitionsprämie Öl ins Feuer bereits ausgelasteter Betriebe gegossen wurde.

In Summe entstand ein Bauboom, der allerdings nur einen Teil der Misere erklärt. Die Lust auf mehr ist inzwischen immer und überall. Wenn die Nachfrage nach Produkten überwältigend ist, lassen sich höhere Preise erzielen. Genau das passiert derzeit auf allen Ebenen, vom Rohstoff bis zur Arbeitsstunde bei Elektrikern und Installateuren.

Hamsterkäufer und Profiteure

Wie es Installateuren genau geht, weiß Arno Kloep, Chef der SHK-Unternehmensberatung Querschiesser. Er war kürzlich wieder Kernreferent des VIZ-Trendkongresses, zu dem der Verband der Installations Zulieferindustrie nach Brunn am Gebirge geladen hatte. Kloep und sein Team haben hierzulande zuletzt gut 250 Installationsbetriebe nach ihrem Befinden befragt. Daraus resultieren eine ganze Palette an Erkenntnissen, die der Marktforscher stets redegewandt an den Mann bringt. „Wenn im Welthandel Container fehlen, dann stehen sie bei den Handwerkern auf dem Hof“, kommentiert der Analytiker den Umstand, dass viele Installateure Hamsterkäufe getätigt haben, um die Materialkrise zu übertauchen. 54 Prozent der österreichischen Handwerker haben das getan, weiß Kloep. Gebunkert wurden nicht nur Fittinge und Rohre, sondern auch Keramik und Armaturen. Dass sie damit nebenbei auch noch Geld verdienen, ist angesichts der Preisdynamik wahrscheinlich, hängt aber davon ab, wie es weitergeht. Und da hat Kloep Nachrichten, die bei den VIZ-Mitgliedern nicht so gerne gehört werden. Er meint, dass das eingelagerte Material erst einmal eine Zeit lang reicht und die Nachfrage im Großhandel abflauen wird. „Es ist extrem viel Material im Feld, das nicht verbaut wird, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Manpower fehlt“, so der Marktexperte. Daraus resultierend ergäbe sich für die Industrie die Gefahr, in eine Planzahlenfalle zu geraten. Seine düstere Worst-Case-Prognose: „2022 wird in etwa so wie 2019“. Das wäre ein Minus von rund 15 Prozent gegenüber dem laufenden Jahr. Höhere Umsätze lassen sich aber auch bei einem Nachlassen der Nachfrage erzielen – durch höhere Preise. „Die Chancen für deutlich höhere Preise sind gegeben, weil die Handwerker sie an die Endkunden weitergeben“, so Kloep. Das wurde vielfach auch schon gelebt. 78 Prozent der befragten Installateure haben Preiserhöhungen von durchschnittlich 8 Prozent vollzogen. Die Mehrheit der Handwerker langt auch bei den eigenen Stunden mehr zu. 61 % der Installateure haben ihre Stundenlöhne angehoben – um durchschnittlich 2 Euro 55 Cent – übrigens ein Euro weniger als die Kollegen in Deutschland, die auch beim Material kräftiger aufgeschlagen haben. Ein Trend, der Sinn hat, wie Kloep meint, denn die materialseitigen Margen seien seit der Etablierung von Online-Shops unter Druck. Unterm Strich sind die Handwerker aber sehr entspannt, wie Kloep sagt. „Es fehlt keine Kaufkraft, man benötigt keine neuen Produkte, es fehlt keine Werbung, es fehlt nicht an Effizienz. Bei den Subventionen darf es gerne noch ein bisschen mehr sein. Konzentration im Großhandel, Schwarzarbeit und Ratingrichtlinien sind kein Thema. Womit die Handwerker aber sehr wohl hadern, sind kurzfristige Preiserhöhungen der Industrie. „Manche Hersteller erhöhen die Preise in Form von Serienbriefen, das kommt gar nicht gut an“, weiß Kloep. Exakt 60 Prozent der Befragten haben damit ein Problem. Besser sei es, einmal kräftig zuzulangen, als dauernd nachzufassen, rät er den Vertretern der Industrie. Nicht so dramatisch sehen die Handwerker die Beeinträchtigungen durch Materialengpässe – knapp 26 % der Handwerker sehen ihren Baustellenablauf durch Lieferverzögerungen gestört.

Segmente mit Potenzial

So gut sich die Situation im Handwerk darstellt, ist sie für die Industrie und den Handel nicht – zumindest nicht in allen Segmenten. Bei den Wärmeerzeugern und -verteilern wird es aufgrund der Förderungen ein fettes Plus geben. Weniger toll, aber keineswegs düster, sieht es für die Erzeuger von Rohinstallation und Sanitär vor der Wand aus. Wobei es hier einige kräftige Ausreißer und Unterschiede zum deutschen Markt gibt. Das Dusch-WC zum Beispiel wird hierzulande gut angenommen, im Nachbarland eher nicht. Richtig abheben sollten Wand- und Deckenverkleidungssysteme, „weil die Installateure und Endkunden keine Lust haben, auf den Fliesenleger zu warten“, wie Kloep meint. Ebenso gute Geschäfte dürfen sich die Anbieter von flachen Duschtasssen, Duschabtrennungen und Designheizkörpern erwarten. Nicht so brüllend wird das Business mit Armaturen, Keramik und Badmöbel werden. Und Badewannen aus Stahl und klassische Duschtassen geraten ziemlich unter Druck, so die Einschätzung des Handwerks. Bei der Rohinstallation gibt es ein paar Warengruppen, die vermehrt verkauft werden: Dazu gehören Enthärtungsanlagen, Leckageschutz und Wasserfilter.

Die Prognose der Handwerker für das Gewerk Wärmeerzeuger ist positiv. Es wird ein deutliches Wachstum erwartet. Treiber des Geschäftes sind alle Erneuerbaren. „Im Vergleich zum deutschen SHK-Handwerk sind die österreichischen SHK-Handwerker krass nachhaltiger“, so die Trendanalyse. Wärmepumpen, Brennwertgeräte, Pelletskessel, Photovoltaik, Solarthermie und Brennstoffzelle sowie Klimaanlagen und Wohnraumlüftungen sollten zulegen. Bei der Wärmeverteilung zeichnet sich eine weitere Ausweitung der Fußbodenheizung – auch elektrisch – ab, klassische Heizkörper sind hingegen weniger gefragt.

Vergleichsweise gut digitalisiert

Wer sich hierzulande ärgert, dass der Installateur im Einzugsbereich ein Online-Formular für Anfragen bereithält, während telefonisch die Warteschleife regiert, mag sich ärgern. Faktum ist, dass die Handwerker besser sind als ihr Ruf als Digitalmuffel. Die heimischen Installateure sind zumindest deutlich besser aufgestellt als ihre deutschen Kollegen. Immerhin haben 90 % der befragten Handwerker in Österreich eine eigene Webpage, in Deutschland sind es 65 Prozent. 23 Prozent der Ösis betreiben spezielles Internet-Marketing, unter den deutschen Freunden sind es gerade 6 %. Einen Online-Shop haben 1 % der deutschen und 6 % der österreichischen Installateure integriert. Kloeps Prognose dazu: In Zukunft wird es ein Drittel analoge Handwerker geben, die ganz ohne Internet gut verdienen. Zwei Drittel werden aber digital agieren und auch gut verdienen. Zum Beispiel auch mit Technik, die ihre Analogkollegen erst gar nicht angreifen. Diese Technologie wird zwar laufend weniger, weil sie mit ihrer Fehleranfälligkeit der Industrie laufend neue Umsätze bringt, reicht aber vermutlich noch, um die heute 50-jährigen Handwerker über die Runden zu bringen. Und die Jungen müssen sich ohnehin ganz andere Gedanken über ihre Zukunft machen. Nicht wenige Handwerker gehen davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Amazon auch Armaturen und Waschtische im Packerl verschickt. Dann müssen die Stundensätze für die Montage ganz anders aussehen als heute, um den Beruf und die Branche attraktiv zu halten. Und dann sind da auch noch weitgehend automatisierte Modelle, wie etwa jenes des deutschlandweit aktiven Heizungstauschers Thermondo, der Angebote erstellt, ohne einmal beim Kunden vorbeigeschaut zu haben. Das zu Kosten, die weit unter jenen liegen, die ein Handwerker verursacht, wenn er in den Keller geht, mit dem Kunden plaudert und das Projekt bespricht.