„Prognose ist schwierig“
Wienerberger-Österreich Geschäftsführer Johann Marchner hat ambitionierte Pläne und auch Ideen dazu. Über die Umsetzbarkeit entscheidet auch die Konjunktur, und die lässt sich derzeit nicht ganz einfach voraus prognostizieren.
Der Ziegelhersteller Wienerberger möchte in der Zukunft wieder mehr Rot sehen und den Marktanteil im mehrgeschossigen Wohnbau steigern. Ziel ist es, in den kommenden Jahren zweistellig zu wachsen, so Johann Marchner, der seit Anfang März das Geschäft in Österreich verantwortet. Weil das nicht von selbst geht, gelte es, bestimmte Dinge neu aufzusetzen, wie der Manager erklärt. Er denkt dabei auch an eine Planungssoftware, die es dem Planer ermöglicht, komplexeres Mauerwerk zu planen. Die sei gerade in Entwicklung und decke neben dem Wohnbau auch Gewerbeobjekte ab.
Weiters möchte Marchner den Ziegel auch wieder im Zwischenwandbereich von Wohnungen verstärkt zum Einsatz bringen. Was die Automatisierung betrifft, meint Marchner, dass in unseren Breiten eher das Ziegel-Fertigteil punkten wird, als der Bau mit Robotern. Noch seien Ziegel-Fertigteilwände teurer als vor Ort gemauerte Steine. Das könnte sich aber mit dem verstärkten Facharbeitermangel ändern.
Dass es möglich ist, mit Innovationen den gebrannten Ton neu in Szene zu setzen, hat Wienerberger zuletzt mit dem Dachziegel V11 gezeigt. Die Idee dazu hatte Marchners Vorgänger, die gestalterische Umsetzung ging bei Porsche Design über die Bühne. Das Resultat lässt sich sehen, der Dachziegel hat innerhalb kurzer Zeit mehrere Designpreise abgeräumt. Und demnächst wird die graue Eminenz unter den Dachziegeln auch auf Architect@Work der Planerzunft präsentiert. Auch wenn der Dachbereich nur etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes von Wienerberger Österreich ausmacht, kann der V11 dazu beitragen, das Produkt Ziegel wieder verstärkt ins Bewusstsein zu rücken. Und darum geht es letztlich im Geschäft, denn ein Ziegel, der verputzt optisch nicht mehr präsent ist, gerät rasch aus dem Fokus. Daran ändern die baubiologischen Qualitäten des gebrannten Tons wenig.
Im Interview erklärt Marchner, warum ihn Digitalisierung und Organisationsentwicklung wichtig sind, warum er das Werkzeug Massivwerthaus wiederbeleben will, wie Wienerberger mit Corona umgeht und warum die Prognose für den Herbst und 2021 so schwerfällt.
Building Times: Hr. Marchner, Sie sind gerade zu Beginn der Corona-Krise Geschäftsführer geworden. Wie wirkt sich das Virus auf Ihr Geschäft aus?
Marchner: Der Einstieg war heftig, es hat sich aber sehr schnell gezeigt, dass wir ein gutes Team haben, weil wir sehr schnell nach Innen und Außen reagiert haben. Ich würde sagen, dass wir die Krise bis dato gut gemeistert haben. Natürlich wird umsatzseitig ein blaues Auge übrigbleiben.
BT: Wie groß wird die Lücke und lässt sich das nicht mehr ausgleichen?
Marchner: Sie wird vermutlich zweistellig und lässt sich nicht ausgleichen. Da gibt es aber sektorale Unterschiede.
BT: Sehen Sie die Tendenz, dass heuer am Bau die Urlaube ausfallen oder sehr verkürzt stattfinden?
Marchner: Zum Teil. Ich weiß aber von vielen Baumeistern und Dachdeckern, die trotz guter Auslastung im Sommer Urlaub machen. Die Mitarbeiter wollen und brauchen den Urlaub. Die Corona-Zeit war ja kein Urlaub.
BT: Wie geht es im Herbst und 2021 weiter?
Marchner: Das Bild ist nicht einheitlich, das ist regional und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Für heuer orten die meisten Betriebe eine Delle, die Prognose für 2021 ist für alle sehr schwierig. Es kann auch sein, dass im Herbst der Großteil wieder volle Auftragsbücher hat. Es scheint aber klar, dass die Hotellerie längerfristig leiden wird.
BT: Welche Pläne haben Sie konkret, um den Erfolg von Wienerberger in Österreich voranzutreiben?
Marchner: Das oberste Thema ist und bleibt die Organisationsentwicklung. Die spezielle Herausforderung dabei ist, dass wir viele neue und einige ältere Mitarbeiter haben und Aufgaben in den letzten zwei, drei Jahren neu verteilt wurden. Ich meine, dass uns da ein guter Mix gelungen ist, der sich weiter festigt. Die Welt dreht sich durch die Digitalisierung schneller, das ist für eine traditionelle Branche eine Herausforderung.
BT: Stichwort Digitalisierung: Wienerberger hat kürzlich ein neues Bestelltool für Ziegel präsentiert. Bestellt man Ziegel künftig so wie Pizza?
Marchner: Davon gehe ich aus, es passiert auch schon. Wir bieten aber nicht nur Ziegel, sondern auch die sogenannten Frachtnebenleistungen, die mit diesem Tool online und transparent buchbar sind.
BT: Wäre es für Sie denkbar, dass Wienerberger künftig auch andere Materialien auf die Baustelle bringt?
Marchner: Diese Überlegungen sind immer da, es muss aber immer klar ersichtlich sein, welchen Mehrwert das bringt. Wenn es gelingt, die Wertschöpfung pro Gebäude zu erhöhen, dann macht das auch Sinn. Das, was zu uns passt, werden wir künftig mitnehmen.
BT: Ich habe gelesen, dass Sie im mehrgeschossigen Wohnbau zweistellig wachsen wollen. Ist das nicht ein wenig illusorisch?
Marchner: Man ist immer gut beraten sich konkrete Ziele zu setzen, an denen sich Mitarbeiter orientieren können. Wenn ich mir die aktuellen Marktanteile ansehe, dann bin ich überzeugt, dass das gelingen kann. Aber dazu müssen wir bestimmte Dinge auch neu aufsetzen. Ich denke dabei an eine Planungssoftware, die es dem Planer ermöglicht, komplexeres Mauerwerk zu planen. Die ist gerade in Entwicklung und deckt den mehrgeschossigen Wohnbau und Gewerbeobjekte ab.
BT: Der Ziegel gilt vielen als historischer Baustoff. Ist es noch zeitgemäß gebrannten Ton händisch zu einem Haus zu formen? Oder anders gefragt, wann wird hierzulande der Roboter bauen?
Marchner: Bei der Thematik Automatisierung sehe ich persönlich das Forcieren des Fertigteils eher als zielführend, als den Roboter auf der Baustelle.
BT: Aber es gibt doch den Hadrian X, des australischen Start-ups, der Ziegel verbaut?
Marchner: Der hat in Australien vor zwei Wochen das erste Haus innerhalb eines Tages gebaut. Das ist schon beindruckend, das Thema ist aber trotzdem sehr komplex. Das kann regional schon Sinn machen, im eng verbauten Raum werden eher die Fertigteile punkten. In Regionen mit großen Baufeldern kann das anders sein.
BT: Gibt es aktuell Versuche, den Ziegel-Fertigbau zu forcieren?
Marchner: Das Thema ist, dass es kaufmännisch betrachtet günstiger ist, klassisch zu mauern. Aber, je nach Baustelle gibt es Bauzeitdruck, die das Fertigteil zum Einsatz bringt. Es hat auch viel Zeit gebraucht, das Betonfertigteil in die Masse zu bringen.
BT: Der Anteil an der Haustechnik in Gebäuden steigt tendenziell. Bei Ziegelbauten wird deshalb viel gestemmt. Gibt es noch Bemühungen Rohre und Leitungen zu integrieren?
Marchner: Wir haben Installationsziegel im Sortiment, mit dem Installationsschächte gebaut werden. Das faszinierende am Ziegel ist, dass man ihn je nach Anforderung gestalten kann. Hat man statische oder schallschutztechnische Anforderungen, wird der Ziegel schwerer, will man Wärmedämmung, kann man ihn leichter machen, was auch gegen sommerliche Überhitzung schützt. Und wir haben mit Pipelife ja ein Schwesterunternehmen und sind um die Kompatibilität mit der Haustechnik bemüht.
BT: Wie verteilt sich der Umsatz zwischen Wand und Dachziegel in Österreich?
Marchner: Etwa drei Viertel entfallen auf die Wand, ein Viertel auf das Dach.
BT: Wie wichtig sind Messen noch für Wienerberger?
Marchner: Neue Medien und Kanäle werden wichtiger, aber auch der persönliche Kontakt ist sehr wichtig. Wir werden für Endkunden weiterhin gezielt auf Messen da sein. Für Fachbesucher sind wir im Herbst auf der Architects & Works. Für November 2021 ist in Wien die Bauen & Wohnen geplant, dort werden wir präsent sein.
BT: Das Wienerberger Massivwerthaus galt einst als Werkzeug um der Fertighausbranche zu begegnen. Hat das noch eine Bedeutung? Ich habe gesehen, dass Sie in Salzburg keinen Partner mehr haben.
Marchner: Das Massivwerthaus hat weiterhin eine Bedeutung und wirkt auch nach. Frühere Partner bauen immer noch in Ziegel, manche haben heute eigene Marken und bauen mit Ziegel sehr verlässlich. Wir werden aber Anfang nächsten Jahres das Massivwerthaus mit mehr Beratern neu präsentieren.
BT: Wienerberger erzeugt auch Keramikfassaden. Wollen Sie diesen Bereich pushen?
Marchner: Wir machen regelmäßig Projekte, aktuell gerade das Projekt Wildgarten am Rosenhügel. Man muss aber fairerweise sagen, dass diese Fassaden eine gewisse Investition darstellen.