Der Schnelle

Der Bundesinnungsmeister der Elektrotechniker Andreas Wirth hat seit 2008 ein 60-Mitarbeiter-Unternehmen aufgebaut. Mit Elan geht er seit einem Jahr einen Job in der Bundesinnung an. Wortgewandt und gut vernetzt will er die Branche pushen und die Standesvertretung modernisieren.

Andreas Wirth ist ein Selfmademan und kein Erbe. Er hat Volksschule, Hauptschule und Polytechnik absolviert und eine Lehre gemacht, die er mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Quasi berufsbegleitend hat er mit viel Wochenendarbeit die Befähigungsprüfung absolviert und sich 2008 selbstständig gemacht. „Ich habe damals im Bereich der Elektrotechnik so viel Arbeit gesehen, dass ich wusste, das kann nicht schiefgehen“, so der Burgenländer.

Das war 2008, inzwischen hat Wirth ein Unternehmen mit 60 Mitarbeitern, das einen Umsatz von rund 4,5 Millionen Euro erwirtschaftet und heuer im Herbst fünf Lehrlinge aufnimmt. Sein Unternehmen ist breit aufgestellt, die Leistungspalette reicht vom Einfamilienhaus, über Gewerbebauten, Kommunalbauten, Wohnbau, Photovoltaikanlagen, Speicherlösungen bis hin zu Ortsnetzen.

Dass er jetzt seit einem Jahr auch Bundesinnungsmeister ist, sehen viele Branchenkenner als Glücksfall für die Innung an. Er ist bestens vernetzt, weiß sich auszudrücken und hat erkannt, dass die Elektrotechnik in der Zukunft eine noch wichtigere Rolle als bisher spielen wird. Und er nimmt seinen Job als Innungsmeister sehr ernst und stellt sich im November der Neuwahl. Dann werde man sehen, wie die Kollegen seine bisherige Arbeit beurteilen, so der Elektriker, der neben seinem Beruf auch noch Gruppenkommandant der Freiwilligen Feuerwehr Steinbrunn ist. Im Interview zieht er eine erste Bilanz und gibt einen Ausblick.

Building Times: Hr. Wirth, wie geht es den Elektrikern mit den Folgen von Corona?

Wirth: Unsere Branche ist sehr breit aufgestellt. Aber: Wir haben auch die Beleuchter und Beschaller im Verbund, die waren und sind immer noch  stark betroffen, weil ja sehr wenige Events stattfinden. Diese Berufsgruppe trifft Corona überaus hart. Das Elektrotechnikgewerbe ist im Großen und  Ganzen aber mit einem blauen Auge davongekommen. Die Betriebe haben durchwegs gut gefüllte Auftragsbücher. Natürlich spielen uns die  Energiewende und der Klimaschutz in die Hände.

BT: Sind Ihnen viele Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit Bauverzögerungen im Zusammenhang mit Corona bekannt?

Wirth: Noch nicht. Wir haben von der Innung gleich zu Beginn der Krise zwei Juristen hinzugezogen die unsere Mitglieder beraten haben, wie sie ihre Auftraggeber zu informieren haben, dass es womöglich eine Zeitverzögerung geben kann. Ich hoffe, dass die Mitgliedsbetriebe ihre Auftraggeber auch informiert haben. Ich fürchte aber trotzdem, dass uns insgesamt noch einige Rechtsstreitigkeiten bevorstehen.

BT: Das betrifft vermutlich die größeren Auftraggeber und Projekte?

Wirth: Ja, wobei es ja oft nicht die Auftraggeber sind, sondern die Generalunternehmen.

BT: Das inzwischen etwas verblassteRegierungsprogramm wurde von der Innung sehr positiv aufgenommen. Wie steht es um die Umsetzung? Abseits der PV-Förderung tut sich ja nicht sehr viel, oder?

Wirth: Das Programm haben wir als solches begrüßt. Dass die Umsetzung für heuer so ausgefallen ist, hat natürlich auch mit Corona zu tun. Für das nächstes Jahr sollte aber zum Beispiel eine massive Ausweitung der Photovoltaik, der Speichertechnologie und der E-Mobilität kommen.

BT: Ich habe mir gestern Ihre Website angesehen. Smart Home und E-Mobilität kommen dort nicht vor. Sind Ihnen diese Themen nicht wichtig?

Wirth: Doch sehr sogar, der Auftrag für die Aktualisierung der Webpage ist bereits vergeben. Die jetzige Version ist aus 2013. Wir arbeiten sehr viel mit Smart Home. Wir haben Schulen umgebaut, wo mit der Steuerung von Beleuchtung und Heizung bis zu 18.000 Euro jährlich eingespart werden. Das nur mit Automatisierung.

BT: In welcher Größenordnung liegt das Investment für solche Einsparungen?

Wirth: Unser Auftrag war rund 80.000 Euro. Das lohnt sich für den Betreiber auf jeden Fall. Bei einer Schule wurde auch eine Photovoltaik integriert, dort bleibt nach spätestens acht Jahren wirklich Geld übrig. Schulen haben ja auch den entsprechenden Verbrauch.

BT: Die E-Mobilität war in der Innung früher nicht unbedingt erwünscht. Hat sich das geändert?

Wirth: Nicht erwünscht ist vielleicht übertrieben. Wir sehen halt die Netzkapazität als Problem. wir wissen, dass da und dort Ortsnetzverkabelungen schon heute am Limit sind. Wenn man dort jetzt reihenweise Wall-Boxen installiert, können Probleme auftreten. Da braucht es dann ein intelligentes Lastmanagement, damit das Netz nicht überlastet wird.

BT: Ist es noch zeitgemäß, dass neun Länder ihre eigenen Bauregeln kreieren? Ein Innungsanliegen ist es,bei der Neufassung der OIB-Richtlinie mitzugestalten. Was ist da konkret gemeint?

Wirth: Zu den neun Bauordnungen habe ich eine klare Meinung. Das ist definitiv nicht nachvollziehbar. Aber es ist derzeit so wie es ist, deshalb vertrete ich den Standpunkt, dass wir danach trachten müssen, die Harmonisierung so zu gestalten, dass sie auch passt. Bei der OIB-Richtlinie 6 sind Salzburg und das Burgenland klar für Änderungen. Die CO²-Einstufung von Strom durch die E-Control ist für uns nicht nachvollziehbar. Da gibt es  Monate in denen Strom schlechter eingestuft wird als Öl. Ich plädiere für eine faire Beurteilung. Es gibt inzwischen einfach Bauten, in denen eine Stromheizung die beste Lösung wäre. Sie ist einfach regelbar und das ist auch ein wichtiger Punkt. Es gibt kein Heizsystem, dass sich so einfach und punktgenau regeln lässt wie die Stromheizung.

BT: Photovoltaik, Speicher, E-Mobilität und Smart Home gelten als die Wachstumstreiber in der Elektrotechnik, sagt die Industrie und meint, die Elektriker wären zu wenig aktiv. Wie sehen Sie die Sache?

Wirth: Die Industrie und der Handel wollen immer mehr. Das ist auch deren gutes Recht. Um die angesprochenen Themen zu bearbeiten, braucht man aber auch die Kapazitäten. Damit sind wir beim Fachkräftemangel. Wir sind aber schon aktiv und haben mit dem Elektropraktiker ein neues Berufsbild geschaffen. Das sind ausgebildete Helfer, die innerhalb von drei Monaten darauf geschult werden, Photovoltaik-Anlagen zu montieren, den Anschluss erledigt dann eine Fachkraft. Nach diesem Beispiel könnten künftig auch andere Zweige bedient werden.

BT: Die Installationen in Gebäuden, auch in kleinen Wohnbauten, wird zunehmend IT-lastig. Sind die heimischen Betriebe dafür gerüstet? Besteht nicht die Gefahr, dass viele Betriebe künftig zu Montagefirmen werden?

Wirth: Die Industrie ist stark daran interessiert fix fertige Komponenten zu liefern und wir nur mehr in einer Art Lego-System installieren. Das ist in gewissen Bereichen, etwa im Verteilerbau, auch sehr hilfreich Bei steckerfertigen Photovoltaikanlagen sehe ich das anders, weil es da ja auch ein Sicherheitsthema gibt. Wir als Gewerbebetrieb haften zu hundert Prozent, weshalb wir gewisse Dinge grundsätzlich nicht aus der Hand geben wollen.

BT: Photovoltaik-Strom kann noch immer nicht auf einfachem Weg, zum Beispiel zwischen Nachbarn gehandelt werden. Wann kommt das endlich?

Wirth: Es gibt ein paar Anbieter am Markt, die dafür Lösungen anbieten. Mit dem neuen Erneuerbaren Ausbau-Gesetz sollte dies dann einfach möglich sein. Das betrifft dann auch Gemeinschafts-PV-Anlagen.

BT: Das Gesetz steht inzwischen auch schon länger im Raum, warum dauert das so lange?

Wirth: Das stimmt, mit der aktuellen Regierung ist großes Interesse gegeben, dass es wirklich realisiert wird. Es gibt klare Signale dafür.

BT: Ich stelle einmal in den Raum, dass die etablierten Energieversorger hier bremsen?

Wirth: Da liegen Sie vielleicht nicht ganz falsch. Das Gesetz soll aber trotzdem im September in die Begutachtung gehen.

BT: Bei den Wärmepumpen haben die Elektrotechniker in der Vergangenheit den Anschluss verpasst. Warum?

Wirth: Das hat man sich wegnehmen lassen. Aber nicht nur die Wärmepumpen. Man hat auch den Tischlern und Möbelbauern die Einbaugeräte überlassen. Es sind leider einige Tätigkeiten in andere Gewerke abgewandert, das ist so – vielleicht auch wegen fehlender Manpower. Dafür haben wir aber die Photovoltaik, was hoffentlich auch so bleibt.

BT: Die Elektrotechnikerinnung ist 2017 aus dem Photovoltaikverband ausgetreten. Jetzt ist sie wieder dabei. Was war da passiert?

Wirth: Da hat es in der Vergangenheit ein paar Unklarheiten zwischen den Akteuren gegeben. Es war eine meiner ersten Aktivitäten, dass wir die Kräfte bündeln müssen.

BT: Sie nehmen demnächst fünf Lehrlinge auf. War es schwierig, die zu finden?

Wirth: Ich habe zwei youtube-Videos auf facebook platziert, die sind ziemlich gut angekommen und es haben sich innerhalb von 14 Tagen mehr als fünf Jugendliche gemeldet.

BT: Die Innung ist die Interessensvertretung der Firmen. Zudem betreibt die Innung Unternehmen und Vereine, in denen sich deren Mitglieder Services und Dienstleistungen kaufen müssen. Ist das nicht doppelt gemoppelt?

Wirth: Nein. Den einzigen Verein, den die Innung hatte, ist die E-Marke, die ein Qualitätsgütesiegel vergibt. Das ist freiwillig. In der Innung sind alle Betriebe, für die wir Lobbying machen und uns massiv für Förderungen stark machen. In diesem Bereich ist manches historisch gewachsen, seit einem Jahr ist die E-Marke ein eigenständiger Verein.

BT: Seit kurzem gibt es auch noch das Haus der Elektrotechnik, das Kuratorium für Elektrotechnik und dann noch die EDS, also die Elektro Daten Service GmbH. Ist das alles wirklich stimmig?

Wirth: Es wird im Lauf des Jahres noch die eine oder andere Änderung geben. Hier gilt es aber, den Herbst abzuwarten. Die EDS ist übrigens eine GmbH, die den Innungen gehört. Sie stellt den Mitgliedern sehr kostengünstig Programme zur Verfügung.

BT: Bei einigen der genannten Organisationen spielt der Innungsgeschäftsführer eine zentrale Rolle. Wie wird das künftig sein?

Wirth: Es geht hier nicht um einzelne Personen, sondern um sinnvolle und schlagkräftige Strukturen. Hier gilt es, ständig nachzujustieren und auch personelle Änderungen oder Bereinigungen anzudiskutieren. Ich bin der Meinung, dass sich eine Struktur nach deren Sinnhaftigkeit zu entwickeln hat und nicht an einzelnen Personen festgezurrt sein darf. Dahingehend haben die Gremien, im speziellen die Innungsmeister die Entscheidungen zu treffen, die im Interesse unserer Standesvertretung sind.

BT: Bei der EDS, also der Elektro Daten Service GmbH, gibt es ein Richtpreisverzeichnis zum Download. Ist das noch zeitgemäß?

Wirth: Das wird auch im November ein Thema sein.

BT: Das heißt, Sie haben noch weitere Pläne, um die Innung zu modernisieren?

Wirth: Ich habe viele Pläne, derart weitreichende Entscheidungen treffe aber nicht allein ich. Hier gilt es natürlich, die Landesinnungen ins Boot zu holen. Ich orte aber starke Unterstützung für unseren Weg der Erneuerung.