Kritik an Wiener Bauordnungsnovelle

In Bezug auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung sehen Verbände der österreichischen Bau- und Immobilienwirtschaft in ihrer Stellungnahme einige offene Fragen.

Sechs Verbände und Institutionen sehen Mindestanforderungen zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung nicht erfüllt, heißt es in einer Aussendung. „Mit einer gemeinsamen Stellungnahme betonen wir die zentrale Bedeutung, die nachhaltiges und digitales Planen, Errichten und Betreiben für unsere Branche hat. Das abgestimmte Vorgehen soll Politik und Behörden ermöglichen, die zentralen Punkte auf einen Blick zu erfassen,“ so Wolfgang Kradischnig, Sprecher der gemeinsamen Aktion. Beteiligt haben sich folgende Verbände und Institutionen: Digital Findet Stadt, Facility Management Austria (FMA), IG Lebenszyklus Bau, Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI), Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (Vöpe) und die Ziviltechnikerkammer Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Die Kritikpunkte:

  • Fragen der Dekarbonisierung, des Klimawandels und der Kreislaufwirtschaft werden offengelassen: Bei Neubauten entfallen rund zwei Drittel der CO₂-Emissionen auf die Herstellung der Gebäude. Um den Zielpfad der CO₂-Neutralität am Gebäudesektor 2040 gemäß dem Wiener Klimafahrplan zu erreichen, ist es unumgänglich, auch die Bauordnung an diese Herausforderung unverzüglich anzupassen.
  • Unvollständige Rahmenbedingungen für Bestandssanierungen durch neuen Stadtbildschutz: Die derzeitigen Vorschläge in der Bauordnungsnovelle greifen zu kurz, um Bestandssanierungen in jenem Umfang anzugehen, der angebracht wäre. Eine Weiterentwicklung des Bestandes wäre nicht nur aus Gründen der Ressourcenschonung wünschenswert, sondern ermöglicht in vielen Fällen erst den wirtschaftlichen Erhalt der historischen Bauwerke.
  • Die Bauordnungsnovelle ist als Grundlage für ein nachvollziehbares und widerspruchsfreies Genehmigungsverfahren ungeeignet: Die mit der Bauordnungsnovelle neu geschaffenen Regelungen erhöhen den Planungs- und Verwaltungsaufwand. Außerdem sind vermehrt Zielkonflikte zu erkennen. Durch die Anforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, finden sich durch die gewachsene Struktur der Bauordnung Widersprüchlichkeiten und Redundanzen. Damit wird die Rechtssicherheit geschwächt. Sie ist in der vorliegenden Form auch für ein auf weitgehende Digitalisierung ausgelegtes Verfahren ungeeignet.

Die Bauordnung brauche daher eine grundsätzliche Neukonzeption im Sinne einer Vereinfachung, eindeutigen Bestimmungen ohne Interpretationsspielraum und der Festlegung klarer Grenzwerte, heißt es von den Verbänden.