Forschung zeigt wie erneuerbare Fernwärme geht
Das mit 8 Millionen dotierte Forschungsprojekt ThermaFlex zeigt anhand mehrerer Projekte, wie Fernwärme mit weniger fossiler Energie funktionieren kann.
Rund 50 Prozent des österreichischen Energiebedarfs wird im Wärmesektor benötigt, wobei der aktuelle Versorgungsgrad mit fossilen Energieträgern hier bei rund 60% liegt. Die Fernwärmeversorgung basiert aktuell noch zur Hälfte auf fossilen Energieträgern. Das vom AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE Intec) aus Gleisdorf geleitete und koordinierte Großforschungsprojekts ThermaFlex mit einem Fördervolumen von knapp 8 Millionen Euro zeigt Alternativen zu Gas und Öl in der Fernwärme auf.
Lösungen in 7 Fernwärmenetzen
Gemeinsam mit einem Team von 28 Partnern wurden anhand von 10 großtechnischen Demonstrationsprojekten in 7 städtischen Fernwärmenetzen Österreichs die Zukunft der Fernwärmenetze von morgen erprobt. Sieben der zehn begleiteten Demonstratoren sind bereits in Betrieb. Wenn alle Projekte umgesetzt sind, ergibt das eine jährliche CO2-Einsparung von rund 45.000 Tonnen.
Die umgesetzten Projekte sind:
o Abwärmenutzung aus der Therme Wien in Kombination mit zwei Kompressionswärmepumpen und Einspeisung von 2,2 MW in ein Sekundärnetz der Fernwärme Wien
o Industrie-Abwärmenutzung durch eine 8 MW Absorptionswärmepumpe in Hallein und Einspeisung in das Fernwärmenetz der Stadt Salzburg
o Großsolarthermieanlage über 3,5 MW und Speicherintegration im Fernwärmenetz Mürzzuschlag
o Erneuerbare Wärme (460 kW) und Kälte (430 kW) aus dem Wien-Kanal durch den Einsatz von Kompressionswärmepumpen
o Abwärmenutzung aus dem Rauchgas (410 kW) und Speicherintegration im Fernwärmenetz Saalfelden
o Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Erdgas durch Nutzung von bis zu 4 MW fluktuierender Industrie-Abwärme und bidirektionaler Kopplung zweier Fernwärmenetze in Leibnitz; Smarte Regelung
o Nutzung des Wärmeinhalts des Ablaufs der kommunalen Kläranlage in Kombination mit einer Kompressionswärmepumpe (800 kW) sowie der Nutzung des verfügbaren Biogases aus dem Faulturm der Kläranlage und Einspeisung in das Fernwärmenetz der Stadt Gleisdorf; Netztemperaturabsenkung u.a. durch Versorgung aus dem Netzrücklauf; Smarte Regelung
Viel Potenzial, viele Möglichkeiten
Damit konnten innerhalb des Projektes vielschichtige Wege gezeigt werden, wie man der aktuellen Energiekrise als auch dem Klimawandel trotzt. Weiter wurde eindrucksvoll demonstriert, dass großtechnische Umsetzungen auch in relativ kurzer Zeit möglich sind. „Um die Energiewende noch weiter zu beschleunigen, brauchen wir auch innovative Lösungen. Gerade im Wärmesektor gibt es dabei großes Potential. ThermaFLEX ist eines der größten Projekte der ‚Vorzeigeregion Energie‘ vom Klima- und Energiefonds. Und es ist das bisher größte Innovationsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor. Hier in Gleisdorf zeigen wir eindrucksvoll vor, wie die Fernwärme in einer klimaneutralen Zukunft aussieht“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.
Fernwärme aus Abwasser in Gleisdorf
Die Stadtwerke Gleisdorf haben in Kooperation mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken am Standort der Kläranlage das Projekt „Fernwärme aus Abwasser“ realisiert und im Rahmen dieser Maßnahme eine neuartige Heizanlage errichtet. Das gereinigte Abwasser sowie das Biogas aus dem Faulturm der Kläranlage sorgen hier seit Dezember 2022 für klimaneutrale Fernwärme und unterstützen das Bestreben der Stadtgemeinde, die lokalen Treibhausgasemissionen massiv zu reduzieren.
„In der neuen Anlage wird aus dem gereinigten Abwasser die noch ungenutzte Wärme mittels einer 800 kW Großwärmepumpe entzogen. Diese nimmt die Abwärme aus dem Abwasser bei einer mittleren Temperatur von rund 15 Grad Celsius auf und produziert daraus Fernwärme mit bis zu 85Grad Celsius. Das in den Prozessen der Kläranlage entstehende Biogas wird ebenfalls vollständig umgewandelt und wird somit zukünftig als wertvolle Wärmenergie genutzt und speziell im Sommerhalbjahr bei Überschuss nicht mehr ungenutzt abgefackelt“ erklärt Erich Rybar, Geschäftsführer der Stadtwerke Gleisdorf.
Mit dieser Anlage werden nun jährlich rund 4.000 Megawattstunden Wärmeenergie klimaneutral für rund 330 Haushalte in der direkten Umgebung erzeugt und führen zu einer Einsparung von rund 1.000 Tonnen CO2. Auch der zum Betrieb der Wärmepumpe notwendige Strom wird klimaneutral im naheliegenden und neu revitalisierten Wasserkraftwerk erzeugt.
Weitere Innovationen
Weiters wurde in Gleisdorf ein alternatives Niedertemperaturversorgungskonzept realisiert, welches die Wärmenutzung aus dem Fernwärmerücklauf erlaubt. Damit werden bei einem Mehrfamilienhaus 10 Wohneinheiten versorgt. Hier erfolgt die Wärmeversorgung über eine Fußbodenheizung. Die erforderliche Vorlauftemperatur von maximal 40 Grad Celsius kann dadurch aus dem Fernwärme¬rücklauf sichergestellt werden.
Übergeordnet wurde eine für Wärmenetze gänzlich neuartige „Smarte Regelung“ entwickelt und implementiert. Diese vereint die gesetzten neuen technischen Maßnahmen mit den Bestandsanlagen sowie allen installierten Speicherkapazitäten und erlaubt so eine vorausschauende Steuerung der Wärmeerzeuger in optimierter Reihenfolge. Generell führte der Verbund an Maßnahmen in Verbindung mit kontinuierlichen Optimierungs¬aktivitäten zu stark reduzierten Systemtemperaturen und erhöhte somit die Flexibilität im Wärmenetz signifikant. Das Fernwärmenetz der Stadt Gleisdorf basiert daher zukünftig weitgehend auf erneuerbaren Energiequellen (Biomasse, Solarthermie, Abwärme aus Abwasser und Biogas).
Weiterer Ausbau geplant
Der Ausbau der Fernwärme in Gleisdorf ist geplant. Liegt die Anschlussleistung aktuell bei rund 8 MW, soll dieser Wert in den nächsten vier Jahren verdreifacht werden. Dabei sind rund 300 Neuanschlüsse im Wohnbereich als auch rund 60 Anschlüsse im Gewerbe- und Industriesektor geplant. Damit einher geht auch ein stetiger Ausbau erneuerbarer Wärmeerzeugungsanlagen, sprich, weitere Erzeugungsanlagen sind bereits in Planung. „Die Demonstrationsanlage „Fernwärme aus Abwasser“ reduziert diese Verwundbarkeit und sorgt dafür, dass die Wärmeversorgung in Gleisdorf sicher, sauber und leistbar ist“, so Bernd Vogl, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds.
Durch den gezielt vielschichtigen und interdisziplinären Projektansatz von ThermaFlex sowie punktuell erhöhter Investitionsförderungen konnte den Herausforderungen sehr gut begegnet werden und in punkto Umsetzungsgeschwindigkeit großtechnischer Maßnahmen wurden so neue Meilensteine gesetzt“, betont Christian Fink, Geschäftsführer von AEE Intec.