Der minimalistische Handwerker

Andreas Etzelstorfer ist Inhaber des Architekturbüros Backraum, Preisträger des NÖ Holzbaupreises und der Goldenen Kelle. Seine Architektur bezeichnet er als menschenfreundlich, warm, verspielt und minimalistisch.

Backraum Architektur ist ein Planungsbüro, das Projekte von der Idee bis zur schlüsselfertigen Übergabe entwickelt und umsetzt. Es besteht aus dem Architekten, Ziviltechniker und Baumeister Andreas Etzelstorfer, seiner Lebensgefährtin Judith Schindlecker, seinem Mitarbeiter Max Oppitz und als Partner für Innenarchitektur Gerald Schriebl. Sie machen alles, von der Konzeption, Planung, Behördenwege über Kostenkontrolle bis zur örtlichen Bauaufsicht. Dabei ist für Etzelstorfer der bewusste Einsatz von Materialien ein wesentlicher Faktor seiner Architektur, genauso wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Und er ist vor allem eines: ein geerdeter Handwerker. Und das aus Überzeugung. Etzelstorfer: „Wir schätzen das Handwerk und versuchen es grundlegend zu verstehen, indem wir viel selbst umsetzen. Unser Büro in Wien, ursprünglich eine Bäckerei aus dem Jahr 1800, und unser Büro in Greifenstein, NÖ haben wir weitgehend selbst gebaut.“ Und damit meint er nicht nur Entwerfen, sondern Bauen mit den eigenen Händen. Denn das empfindet er als optimalen Ausgleich zu seinem planerischen Alltag.

Vom Mühlviertel nach Wien
Den handfesten Zugang bekam er schon vom Elternhaus mit. Denn geboren wurde er in Freistadt im unteren Mühlviertel knapp vor der tschechischen Grenze als Sohn eines Elektrohilfsmonteurs und einer Hausfrau. Eine liebevolle, aber studiumsferne Umgebung. Von den 4 Geschwistern war er der Einzige, der nach der Matura seine Heimat verließ und nach Wien zum Studieren ging: „Ich habe mich dort ehrlich gesagt immer fremd gefühlt – auch wenn meine Kindheit schön war.“ Bei der Auswahl des Studiums folgte er seinem Bauch und fing mit Architektur an – damals allerdings noch mit einer anfangs jugendlich verklärten Vorstellung des Berufs: „Ich hatte ja keine Referenzwerte und eine komplett falsche Vorstellung davon wie Architekten sind und das Studium aussehen soll.“ Dafür war er sehr fleißig und anfangs sehr schnell, denn er wollte die Studienbeihilfe nicht verlieren. Ab dem 6.Semester arbeitete er nebenbei in Architekturbüros. Auslöser war eine Aufgabe für das Studium, bei dem er historische Gebäude vermessen und zeichnen musste. Da seine Heimatstadt eine schöne Altbausubstanz hat, schlug er einem Architekten vor Ort vor, ein tatsächliches Objekt zu verwenden. Für den Architekten Christian Hackl war es eine willkommene Hilfe und daraus wurde ein regelmäßiger Job. Einer, bei dem er viel gelernt hat: Nicht nur über Architektur, Wettbewerbe und den Architektenalltag, sondern auch über den individuellen Umgang damit. Denn sein erster Lehrmeister war ein Workaholic, klassisch im schwarzen Jackett, der sein Leben und Gesundheit hinter den Beruf gestellt hat. Der junge Mann hat das live miterlebt und für sich beschlossen, dass es da auch einen anderen Weg geben muss. Für ihn war nach den Erfahrungen klar, dass er selbst „in seinem Leben nicht nur arbeiten, sondern auch leben möchte.“

So nahm er sich jedes Jahr im Sommer Zeit für Reisen von Afrika bis Asien und für seinen selbstständigen Arbeitsalltag hat er die 4-Tage Woche schon weit früher integriert, als es üblich war. Letztendlich studierte er dann doch länger als gedacht, durch das ständige „nebenbei“ arbeiten – z.B. bei Martin Aichholzer bei den MAGK Architekten. 2006 schloss er dann sein Studium an der TU Wien mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Mit der Etzelstorfer-Grabenwöger-Steinkogler OG ging es dann gleich als Geschäftsführer des Technischen Büros für Innenarchitektur in die Selbstständigkeit. Mit Rudolf Steinkogler hatte er schon gemeinsam sein Studium bestritten und regelmäßig zusammengearbeitet. Markus Grabenwöger lernte er beim privaten Kampfsporttraining kennen und sie freundeten sich an. Daraus entstand das erste Unternehmen. Gemeinsam gewannen sie 2008 den 1. Preis beim Wettbewerb um die Revitalisierung und Oberflächengestaltung des Domplatzes von Wiener Neustadt. 2009 trennte sich das Trio dann aber wieder, denn, so Etzelsdorfer: „Ich bin jemand, der sehr schnell zu seinen Entscheidungen kommt und sehr früh in eine Richtung geht, um dann schnell auch zu einem wirtschaftlichen Ergebnis zu kommen. Als Trio muss natürlich vieles gemeinsam besprochen und geklärt werden. Das ist zwar wichtiger Input, nimmt aber auch die Freiheit, die Idee spontan und kompromisslos umzusetzen. Als wir erkannten, dass wir so unterschiedliche Charaktere sind, wussten wir, dass es besser ist, dass jeder sein eigenes Ding macht.“ Gut für den jungen Architekten, denn damit wurde 2009 der heutige Backraum geboren, dessen Geschäftsführer Etzelsdorfer bis heute ist. 2011 legte er dann noch die Baumeisterprüfung ab und 2014 folgte die Ziviltechnikerprüfung.

Der Backraum und erste Erfolge
Das heutige Büro war ursprünglich eine Bäckerei aus dem Jahr 1800, die der Architekt auf eigene Kosten herrichtete und dafür mit einer geringen Miete starten konnte. Ein guter Deal – und auch einer, wo er in der Umsetzung selbst Hand anlegen konnte. Sein Vater – der auch ein guter Maurer war – half ihm dabei, und war am Ende stolz, nicht nur auf die gemeinsame Arbeit, sondern auch auf seinen Sohn. Projekte waren von Anfang an vorhanden. Wie zum Beispiel das Einfamilienhaus Haus K. in Niederösterreich, dass mit dem Preis „Flachdach im Fokus 2011“ von Velux ausgezeichnet wurde. Bei dem Wochenendhaus für ein junges Paar prägt heimisches Holz als druckimprägnierte Fichtenfassade und lasierte Massivholzoberflächen im Inneren das Erscheinungsbild des Gebäudes. Holz zieht sich als Baustoff bei Etzelsdorfer durch, denn: „Mein Herz schlägt für Holz. Es ist so viel schöner für mich in Holz zu bauen als in Beton. Man kann damit einfacher, genauer und verträglicher bauen.“ Und das spricht nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Kund:innen an. So entstand am Thurnberger Stausee im Waldviertel in nur 4 Monaten Bauzeit ein Wochenendhaus für eine Wiener Familie. Auf dem steilen Grundstück entstand ein Holzmassivbau mit geschwärzter Lärche als Fassade und Dach. Ein Holzscheitofen samt Fußbodenheizung macht das Haus ganzjährig bewohnbar. Für die kompromisslose Umsetzung wurde das Haus 2016 mit der Goldenen Kelle von NÖ ausgezeichnet.

Lowtec, Bestandsobjekte und Perspektiven
Was Haustechnik betrifft, ist er generell –auch aus eigener Überzeugung und Anwendung – Lowtec unterwegs: „Ich mache immer so wenig wie möglich, weil alles irgendwann kaputt geht. Ich empfehle daher auch immer, möglichst wenig zu machen. Man spart dadurch Geld und kann viel hochwertigere Materialien einsetzen. Dass, was es bei meinen Projekten natürlich immer gibt, ist ein gutes Heizsystem, wie z.B. Holzöfen, mit denen man auch Fußbodenheizungen betreiben kann. Die Nutzenden des Hauses sind dann auch selber fürs Heizen zuständig – was schön ist, für die, die das gerne machen. Aber wenn ein Bauherr Technikspielzeug gerne hat, dann macht er das gemeinsam mit dem Elektriker aus und das ist okay so.“ Dass das Bauen von Einfamilienhäusern aktuell generell in der Kritik steht, sieht er gemischt. Denn während gerne alle sagen, das dürfe man aufgrund der Bodenversiegelung nicht mehr, würden gleichzeitig große wie kleine Büros Aufträge dazu – gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten – nicht ablehnen (können). Er sieht dabei eher die Länder in der Pflicht: „Ich würde mir wünschen, dass die Entwicklung auf Landesebene gehoben wird und dass da wirkliche Expert:innen über die Zukunft des ländlichen Raumes beraten. Einfamilienhäuser und Neuaufschließungen sollten schon bei den Grundstücken unterbunden werden. Das Beste ist es, Einfamilienhäuser wiederzuverwenden, zu adaptieren, aber keine weiteren Versiegelungen zuzulassen.“ Ein Haus, bei dem Backraum genau das gemacht hat, wurde 2023 mit den Niederösterreichischen Holzbaupreis in der Kategorie „Umbau und Sanierung“ ausgezeichnet. Bei dem Einfamilienhaus im Tullnerfeld wurde mit viel Liebe zum Detail die Schönheit des Bestandes erhalten und mit einem Zubau in Holzbauweise ergänzt. Dadurch entstand ein Mix aus den in den 60ern so beliebten Bruchsteinmauerwerk mit experimenteller Wohnhaus-Architektur der amerikanischen Westküste und glückliche Bewohner:innen. Dass auch in Zukunft noch viel Entwicklung und neue Impulse zu erwarten sind, hat er durch die Geburt seiner zwei Kinder erlebt. Denn sie haben seinen aktuellen Projekten noch ein neues Element geschenkt: Verspieltheit. So verwandelten bei den neuesten Projekten Badehütte I in einer Kleingartensiedlung am Donau-Altarm Bullaugen, Terrassen und Balkone den Bestand in ein einzigartiges, phantasievolles Bauwerk, das wie ein Schiff aussieht und Urlaubsstimmung verbreitet und in seinem zweiten Bürostandort in Niederösterreich hat die Badehütte II nicht nur einen Turm, sondern auch fixe Rutsche für den Nachwuchs integriert.