Krise dominiert Kreativität

Eine hochkarätige Bauträger-Runde diskutierte auf Einladung von Hella mit dem Architekten Christoph Achammer über die Baukrise und deren Effekt auf die Kreativität. Dominant waren dennoch die Themen Finanzierbarkeit und Leistbarkeit.

„Wie beeinträchtigt die Baukrise die Architektur? Bleibt noch Platz für kreative Lösungen?“ Diese und andere Fragen diskutierten gestern Abend im Hella Architekturclub der ATP-Chef Christoph M. Achammer, Daniel Riedl, Vorstandsmitglied der deutschen Vonovia SE und Thomas Winkler, CEO der UBM Development AG) unter der Leitung von Rainer Nowak, dem designierten Super-Ressortleiter der Kronen Zeitung.

Am Anfang: Der Krisenblick

„Wir haben noch keine Baukrise, aber eine Immobilienkrise. Ohne Kreativität werden wir da nicht rauskommen“, erklärte Winkler gleich zu Beginn. Er erwarte auch für das erste Halbjahr keine wesentliche Veränderung der Situation. „Es wird ein ‚Annus horribilis‘, wie schon 2023“, fürchtet der UBM-Chef.

„Pervers“ findet es Riedl, „dass wir unglaublich viel Wohnraum brauchen, dieser aber nicht zu leistbaren Konditionen herstellbar ist“, so der Vorstand des größten europäischen Wohnkonzerns zu dem auch die heimische Buwog gehört. In Wien habe man daher derzeit keine Projekte, in Deutschland aber schon. Um Bauen zu können brauche man unter den gegebenen Umständen eine Miete von 20 bis 23 Euro um die Kosten für Grund und Errichtung und Bauträger-Gewinn zu decken. Sein Lösungsvorschlag: „Die Zinsen müssen sich ändern. Und der Wohnbau muss bei den Grundrissen effizienter werden“, so Riedl. Gemeint ist damit eine Verkleinerung der Wohnungen, etwa von 70 auf 63 m2. Zum Ausgleich schwebt ihm bei größeren Projekten die Etablierung von Gemeinschaftseinrichtungen vor. Das könnten zum Beispiel Räume sein, die zu größeren Familienfesten gemietet werden könnten oder ganze Wohnungen, die temporär für Gäste buchbar sind.

Hier hakt Achammer ein, er kritisiert, dass in der Vergangenheit viele gute Einzelprojekte gebaut wurden, das Quartierdenken aber leider verlorengegangen sei. Das gelte auch für die künftige Energieversorgung, so der Experte. Es gäbe nur wenige Städte, die sich bislang mit Wärmeplänen beschäftigt hätten, kritisiert er. Und bei der Digitalisierung der Behörden- und Bauabläufe müsse im deutschsprachigen Raum auch noch viel Geschehen. „In fünf Jahren haben wir hoffentlich den digitalen Bauakt und Fabriken werden Holzbau-Quartiere liefern“, ergänzt Riedl.

Verschwendung abstellen

Insgesamt aber sieht Achammer die Sache nicht ganz so düster. Die Krise sei eine Chance, die unglaubliche Verschwendung von Ressourcen beim Bauen zu leiminieren. Er nennt dazu einige Beispiele: So würden rund 20 Prozent der auf eine Großbaustelle gelieferten Kabel nicht dort verlegt. Ebenso werde mit Lüftungskanälen und Fliesen umgegangen, wie der Professor aus Untersuchungen weiß.

Krise als Chance

Achammer ist der Ansicht, dass in fünf Jahren ganz anders gebaut werden wird, weil mit dem gegenwärtigen Bauen niemand wirklich gut verdient, wie er meint. Eine einzige Ausnahme seien die Großhändler, die etwa im Sanitärbereich ansehnliche Margen erzielen. Das müsse sich ändern, wenn die Trennung von Planung und Ausführung aufgehoben wird, sei es möglich ein halbes Jahr vor Baubeginn zu wissen, welche Mengen von welchen Materialien auf der Baustelle sein müssen. Das sollte die Herstellerindustrie auch ohne den Großhandel auf die Reihe kriegen, meint Achammer.

Pitches für Baustoff-Hersteller

Genau in diese Richtung geht die deutsche Vonovia, wie Riedl sagt. Er lädt heuer die Baustoffindustrie zu Pitches um künftig verstärkt direkt zu kaufen. Und Vonovia habe sich bei Gropius beteiligt, einem Unternehmen, das Planung und Errichtung integriert und Modulbauten forcieren möchte. Riedl geht davon aus, dass die Bauwirtschaft insgesamt ein Personalproblem kriegen wird, weil in der Krise Beschäftigte in andere Sparten abwandern werden. Winklers Meinung dazu: „Wir werden künftig mehr montieren und weniger bauen“.

Zwischen Zinssignal und Mietendeckel

Die UBM hat sich bekanntlich ganz dem Holzbau verschrieben und realisiert mit dem Leopoldquartier am Wiener Donaukanal ein großes Mischprojekt, bestehend aus Büros, City Appartements und Wohnungen. Im Bauteil A entstehen Büroflächen, die Bauvergabe ist noch nicht offiziell kommuniziert, es spricht aber viel dafür, dass Wiehag das Projekt bauen wird. Derzeit gäbe es in Wien wenig neue Büroprojekte und tendenziell steigende Mieten, dennoch sei es nicht einfach die Finanzierung von Projekten zu managen. „Bei Büro haben wir ein Liquiditätsproblem wegen der Verunsicherung, die Corona und das daraus resultierende Homeoffice gebracht haben“, erklärt er. Es sei dringend ein Zinssignal nötig, so sein Resümee. Zugleich fürchtet er, dass die Politik sich auf eine wirksame Mietendeckel verständigen könnte, was das Bauen auf längere Sicht dämpfen könnte.

Baufirmen scheuen Risiko

Dem Zuhörer und Architekt Albert Wimmer ist im Lauf der Diskussion die „Kreativität“ zu kurz gekommen. „Früher war die Bauwirtschaft kreativ, die dafür nötige Risikobereitschaft ist weg“, bemerkt er. Auch dazu hat Achammer eine Meinung, die etwas Hoffnung gibt: „Viele kreative Ideen entstehen in Zeiten, in denen es langsamer geht“, glaubte er und fügt hinzu: „Die Kunden hören uns neuerdings wieder zu“. Dass das allein nicht reicht, ist klar. Der Grand Seigneur der heimischen Architektur wünscht sich auch eine politische Maßnahme: „Die Spekulationsgewinne von Grundstücksgeschäften müssen rigoros abgeschöpft werden, damit das Spekulieren mit Grund und Boden unattraktiv wird“.

Bauträger will Grundriss-Hoheit

Als weit und breit einzige Frau meldete sich auch Margit Ulama, Leiterin des Architekturfestivals TurnOn zu Wort. Sie tue sich schwer in Wien kreative Projekte zu orten, urgierte die Architekturtheoretikerin. Dem entgegnete Riedl, dass man sehr wohl gewillt sei einen Beitrag zum Stadtbild zu leisten. Bei den Grundrissen will er sich aber nicht ins Ruder greifen lassen. „Wir wissen sehr gut über Grundrisse Bescheid, darauf basierend können Architekten kreativ sein“, sagt er. Das ist vermutlich nicht das, was sich berufene Planer wünschen, aber die Realität.