Stroh statt Styropor
In Waidhofen an der Thaya findet man die erste mit Einblasstroh gedämmte Fassade eines sanierten Einfamilienhauses in Österreich. Building Times hat Bauherrin, Lieferant und Verarbeiter getroffen.
Wie bringt man ein Einfamilienhaus aus den 60er-Jahren energetisch auf Vordermann? Mit neuen Fenstern, einem Heizkesseltausch und einer Dämmung aus Styropor, lautet die gängige Antwort auf diese Frage. Damit wollte sich Christina Miedler aber nicht zufriedengeben. Sie suchte eine Alternative für die Dämmung des von den Großeltern erbauten Hauses im Waldviertel. Sie wollte keinen Dämmstoff aus Erdöl und hat in einer Außendämmung mit Stroh und Holz-Weichfaserplatte eine Lösung gefunden. Die gelernte BIM-Konstrukteurin für HKLS hat damit gemeinsam mit dem Lieferanten Sonnenklee und der ausführenden Firma Reissmüller ein Unikat geschaffen, dass es bislang hierzulande nicht gab.
Konkret wurde auf die Altfassade eine 16 Zentimeter starke Hülle aufgebracht. Im ersten Schritt wurde ein 10 Zentimeter starkes Holzskelett im 60 Zentimeter-Raster montiert. Danach wurde diese Konstruktion außen mit einer 6 Zentimeter starken Holzweichfaserplatte verplankt. Die entstandenen darunterliegenden Hohlräume wurde danach mit Einblasstroh verfüllt. Dabei handelt es sich um zerkleinertes Stroh, wie es auf den heimischen Feldern in dieser Jahreszeit tonnenweise anfällt. Der Rohstoff wird chemisch nicht behandelt und so wie Zellulose maschinell eingeblasen. Auch Folien und Kleber werden für diese Dämmung nicht gebraucht. Lediglich der Putzträger wird mit Spachtelmasse aufgebracht und für den diffusionsoffenen Silikatputz vorbereitet.
15 Kubikmeter Stroh
Insgesamt wurden in eineinhalb Tagen rund 15 Kubikmeter Stroh in die Konstruktion eingebracht. Auf einen Quadratmeter Fassadenfläche entfallen rund 11 Kilo Stroh. Der Heizwärmebedarf des Hauses wurde damit von mehr als 220 kWh/m²/a auf rund 65 kWh/m²/a reduziert, wie Miedler beim Lokalaugenschein berichtet. Das auch, weil die bestehenden Fenster nicht auf Dreifachverglasung getauscht wurden, da sie noch eine lange Lebensdauer vor sich haben. Trotzdem reicht nun für die Beheizung des rund 130 m²-Hauses ein 10 KW-Pelletskessel von Solarfocus samt 1000 Liter Pufferspeicher. „Die Dämmwerte sind ähnlich wie bei Styropor, die Verarbeitung aber deutlich arbeitsintensiver“, sagt Johann Sauer, Leiter der 25-Mitarbeiter umfassenden Holzbau-Abteilung der Reissmüller Baugesellschaft m.b.H. Das wirkt sich klarerweise auch auf die Kosten der Dämmung aus, die im konkreten Fall in etwa beim Doppelten einer Styroporfassade liegen.
Nachdem das Projekt ein Erstling war, sollte ein Nachfolgeprojekt sich rascher abwickeln lassen, glaubt Sauer. Fest steht für ihn, dass auf der Baustelle und im Umgang mit dem Baustoff große Sorgfalt angebracht ist, denn die Hauptkomponenten sind nicht unverrottbar. „Fehler bei den Anschlüssen müssen tunlichst vermieden werden, um Wassereintritt und Kondensatbildung zu verhindern“, betont Sauer. All das koste Zeit und letztlich Geld,das teilweise durch erhöhte Sanierungsfördersätze kompensiert wird.
Als Asset hat die Bauherrin das gute Gefühl einen regional gewonnenen Rohstoff auf den Wänden zu haben. „Und das große Plus der Diffusionsoffenheit“, wie Reinhard Appeltauer, Berater des Rohstofflieferanten Sonnenklee betont. Die Holzweichfaserplatte und das Stroh können gut mit Feuchtigkeit umgehen, betont er. Es sei hinlänglich bekannt, dass man bei der Sanierung von Altbauten mit nicht diffusionsfähigen Materialien die historische Bausubstanz nachhaltig schädigen kann und teilweise sogar im Innenbereich dadurch Schimmel entstehen kann. Auch in Sachen Schallschutz und gegen die sommerliche Überhitzung könne die Strohdämmung mit sehr guten Werten punkten. Und gegen Hagel und den Specht sei die Fassade widerstandsfähiger als der klassische Dämmstoff aus Erdöl, so Appeltauer. Und wie sieht es mit dem Brandschutz aus? Hier entspricht das von seiner Firma angebotene Bio-Einblasstroh ebenso wie die Strohballen der Euroklasse E nach EN ISO11925-2. Damit ist die Strohdämmung bis zur Bauklasse 4 möglich. Die beträgt in Niederösterreich bis 14 Meter Höhe. Somit könnte auch im mehrgeschoßigen Wohnbau mit zertifiziertem Baustroh gedämmt werden.