Streit, was sonst?
Die öffentliche Hand ist mächtig und beim Bauen ein schlechter Zahler.
Geht es um die Zahlungsmodalitäten für Baudienstleistungen bei Projekten der öffentlichen Hand, so sparen österreichische Ziviltechniker- und Ingenieurbüros (VZI) nicht mit Kritik. Üblich sind die Zurückhaltung des Werklohns ohne Konkretisierung behaupteter Mängel, lange Intervalle bei Teilzahlungen sowie Versicherungsprämien, die zur Deckung von Baukosten verwendet werden. Dass diesbezügliche Probleme oftmals mit der Ausnützung der Machtposition seitens der öffentlichen Hand verbunden sind, bestätigte auch der kürzlich veröffentlichte Austrian Business Check des KSV1870, demzufolge Bund und Länder mit einer durchschnittlichen Zahlungsdauer von 37 Tagen gegen die von ihnen selbst gesetzlich festgelegten Zahlungsfristen verstoßen. Bei einer Diskussionsrunde des VZI wurden jetzt gemeinsam mit Auftraggebervertretern Lösungsansätze diskutiert, die – unter anderem durch eine neue Kultur und neue Mechanismen im Umgang mit Fehlern – zu einer Optimierung für beide Seiten führen sollen.
Die Zurückhaltung des Werklohns sei eines der letzten Mittel, die im Konfliktfall angewendet werden sollten, so Stephan Barasits von der Wiener Standortentwicklung WSE. „Eine partnerschaftliche Projektstruktur ist das A und O jedes erfolgreichen Projekts. Wir versuchen immer zuerst, im gemeinsamen Gespräch eine Lösung zu finden. Das gemeinsame Ziel ist die erfolgreiche Realisierung des Projekts; steht dies im Vordergrund, so lassen sich viele Konflikte im Gespräch klären“, betont Barasits. Auch bei der Stadt Wien macht man sich schon während der Vertragserstellung Gedanken darüber, was im Konfliktfall zu tun ist. „Durch die Beteiligung projektfremder Experten ist es möglich, einen unabhängigen Blick auf das Projekt zu behalten. Natürlich müssen wir als öffentlicher Auftraggeber darauf achten, dass keine Überzahlung im Fall einer mangelhaften Leistungserbringung entsteht, aber die Zurückhaltung des Werklohns ist auch für uns der letzte mögliche Schritt“, bestätigt Andreas Meinhold von der Magistratsdirektion der Stadt Wien.
Die Anwältin Silvia Fessl, Wolf Theiss Rechtsanwälte, fordert von Bietern mehr Engagement bei der Vertragserstellung. Sie weiß, dass Planer Verträge teilweise nicht lesen und damit Chancen für bessere Vertragsbedingungen vergeben. Der VZI-Präsident Andreas Gobiet gibt zu bedenken, dass die Planungsbüros aufgrund des strukturellen Machtproblems grundsätzlich nicht in der Position seien, im Verhandlungsverfahren Bedingungen zu stellen: „Haben wir einen Passus gefunden, den wir gerne rausverhandeln möchten, geht es meist sofort ums Honorar und um die Frage, wieviel uns das wert sei.“ Um dieses „strukturelle Machtproblem“ zu umgehen, schlägt Gobiet für Konflikte während des Projekts – nach dem Vorbild des internationalen Dachverbands beratender Ingenieure im Bauwesen, FIDIC – eine unabhängige Schlichtungsstelle vor, an die sich Auftraggeber und Auftragnehmer wenden können. „In Österreich bekommen wir oft gar nicht die Chance, einen Mangel zu beheben, es wird sofort zur Kassa gebeten. Dazu hat die FIDIC eine Lösung, die meines Erachtens beiden Seiten dienlich ist: Erstens kann ein Mangel in angemessener Frist behoben werden und zweitens, wenn dies nicht der Fall ist, wird eine unabhängige Schlichtungsstelle eingerichtet, die das Problem in angemessenem Zeitraum löst.“