Sonnensegen und Autarkie am Dachstein
Die auf 2.740 Metern Höhe auf dem Dachstein neu gebaute Seethalerhütte ist seit knapp drei Monaten in Betrieb und war im Februar, nicht zuletzt dank eines ausgeklügelten Energiesystems und starker Sonneneinstrahlung, vollkommen autark.
Die alte Seethalerhütte, die bis 1979 „Dachsteinwarte“ genannt wurde, war nicht nur baufällig und nicht wintertauglich. Sie stand zudem auf einer Doline und damit auf abrutschgefährdetem Terrain in 2.470 Metern Seehöhe auf dem Dachstein. Kurzum, die alte Hütte war auch ein Opfer des Klimawandels geworden, hier durch den Rückgang des Permafrostes. Weshalb die Sektion Austria des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) einen Neubau in unmittelbarer Nähe beschloss, diesmal auf sicherem Terrain. Im Juli 2017 wurde mit dem Ersatzbau begonnen, am Christtag 2018 wurde dieser eröffnet und am 26. Jänner 2019 ein „Winter-Opening“ zelebriert. Was es im alten Haus nie gab, lag der Eingang doch meterhoch unter Schnee begraben. Jetzt aber sind die Eingangsmöglichkeiten vom Wind abgewandt und daher jederzeit zugänglich.
Für den ÖAV war es der erste konsequente neue Hüttenbau in den Ostalpen in den letzten 30 Jahren, begleitet von heftigen Diskussionen um Formgebung und Architektur, die von den Wettbewerbssiegern dreiplus Architekten (Innsbruck/Graz) stammt. „Monolith“ und „Bergkristall“ wurde das neue Haus bereits genannt – doch hält Peter Kapelari, beim ÖAV unter anderem für Hütten verantwortlich, im Gespräch mit Building Times entgegen, dass „die Form der Hütte ganz der Funktion geschuldet ist. Das ist ein ausgesetzter Platz, ein sensibler Platz“, fügt Kapelari hinzu. Das Haus steht im Gebiet des Unesco-Weltnaturerbes und im Europaschutzgebiet Dachstein, dessen berühmte, rund 1.000 m hohe Südwand unmittelbar hinter der Hütte praktisch senkrecht abfällt. „Aber“, fügt Kapelari zur Erläuterung des in der Architektur alten und stets diskutierten Prinzips „form follows function“ hinzu, „interessant ist doch, dass man sich innen wahnsinnig wohl fühlt und trotzdem nicht das Gefühl hat, in einer Luxusbude zu sein.“ Nachhaltiges Bauen auch in Extremlagen ist ein Credo des ÖAV, genauso wie jenes, bei Neubauten die Bettenkapazität nicht zu erhöhen, weshalb auch das neue Haus 22 Schlafplätze aufweist.
Voll funktional
Primär aus Gründen der Funktionalität, vor allem des Windschutzes, besteht die Gebäudehülle des Brettsperrholz-Baues aus Prefa-Aluminiumplatten, die so angeordnet sind, dass sie das Wasser optimal zur Sammlung ableiten, sodass es im Keller in Tanks gesammelt, gefiltert und von einer UV-Entkeimungsanlage aufbereitet werden kann. Geradezu euphorisch klingen die Erfahrungen, die Hüttenwirt Wilfried Schrempf und seine Frau Carmen in den ersten Wochen gemacht haben: „Es haut alles bestens hin, wir haben das BHKW von 30 Prozent auf 20 Prozent der Elektrospeicher-Kapazität zurückgefahren, haben die Pellets-Heizung in den letzten zehn Tagen nie eingeschaltet – und waren in dieser Zeit vollkommen autark“, berichtete er Building Times am 21. Februar. Auch der Besuch sei ganz super, fügte der Wirt, der die Seethalerhütte seit 18 Jahren bewirtschaftet, hinzu.
Möglich gemacht wird die Autarkie durch ein ausgeklügeltes Energiesystem, das der Niederösterreicher Heimo Modre (53) mit seiner Firma Solare Energie GmbH (Waidhofen an der Ybbs) geplant und ausgeführt hat: „Kernelement des gesamten Energiesystems ist ein Lithium-Ionen-Speicher von Tesvolt mit 52,8 kWh Kapazität, wozu drei Insel-Wechselrichter von SMA kommen, ein PV-Generator, der sich synchronisiert und den Verbrauch versorgt sowie die Batterie lädt, die PV-Module von SunPower, mit Rückseiten-kontaktierten Zellen, und ein BHKW auf Pflanzenölbasis, das mit Rapsöl betrieben wird, einen hohen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent hat und von KW Energie in Freystadt in der Oberpfalz stammt“, zählt Modre die System-Komponenten gegenüber Building Times auf.
Das BHKW, dessen Funktion die eines Notstromaggregates sei, produziere Wärme und Strom im Verhältnis 2:1, also ca. 35 kW Wärme und ca. 17 kW Strom; die zehn Prozent, welche die Anlage an Wirkung verliert, seien auf Emissionen und Reibungsverluste zurückzuführen. Modre hebt besonders die Schallschutz-Isolierung hervor, welche das BHKW nur so laut „wie eine schleudernde Waschmaschine“ arbeiten lasse. Weitere Gebäudetechnik-Komponenten sind drei Pufferspeicher mit jeweils 1.000 Liter Inhalt und natürlich die Pellets-Heizung.
Generiert wird der PV-Strom aus einer Solarwand an der Südseite, die in einem Winkel von 77 Grad aufgestellt ist und aus zwei Strings besteht, wie Peter Kapelari erläutert. „Je zwölf Module oben und unten, wobei die untere Hälfte derzeit im Schnee begraben ist. Da kommen seitlich noch Solarpaneele dazu, die genau nach Maß angefertigt werden, um die Schrägen genau abzudecken.“ Die Kapazität von 11,5 kW werde sich dadurch aber nicht mehr entscheidend erhöhen. Die prachtvollen Ergebnisse im Februar, von denen Hüttenwirt Schrempf berichtet, sind für Hüttenmann Kapelari leicht erklärbar: „Jetzt ist der Einstrahlwinkel ideal und es ist auch extrem kalt, was PV-Anlagen mögen.“
Rund zwei Millionen Euro hat der Seethaler-Ersatzbau gekostet, von denen die Sektion Austria rund 700.000 Euro finanziert und rund 200.000 Euro das Land Oberösterreich. 70.000 Euro hat bisher eine Crowdfunding-Aktion erbracht, die noch bis Jahresende weiterläuft. Im Sommer wird die alte Seethalerhütte, die derzeit im Schnee begraben ist, abgetragen und das ehemalige Hüttengelände renaturiert. Dann wird es auch ein großes Sommer-Eröffnungsfest mit allen am Berg nötigen Ingredienzen geben.
Für den ÖAV sei der Seethaler-Ersatzbau übrigens nicht die erste Übung dieser Art gewesen, sagt Kapelari und verweist auf die Franz-Fischer-Hütte in den Radstädter Tauern, das Annaberger Haus auf dem Tirolerkogel in NÖ, die Kellerjochhütte in den Tuxer Alpen und die derzeit in Bau befindliche Erweiterung der Sillianer Hütte in den Karnischen Alpen. In der Komplexität sei die Seethalerhütte aber eine Premiere, so der ÖAV-Experte.