Grüne Welle

Fassaden- und Dachbegrünungen sind sehr en vogue, vor allem in Graz und Wien. Selbst wenn ihre Auswirkungen auf das Mikroklima begrenzt sein mögen – der Stimmung der Klima-Bewegten tun sie auf alle Fälle gut.

Der Aufwand, um mehr Grün auf städtische Fassaden, Dächer und in die Straßen zu bringen, ist in den meisten Fällen ziemlich hoch –  gemessen an städtischen Budgets jedoch lächerlich klein. Auch wenn sich frühestens im Herbst herausstellen wird, ob die erhofften und manchmal auch vorausberechneten Effekte der kleinräumigen Temperatur-Reduktion tatsächlich eintreten werden – für die Stimmungslage der meisten Klima-Bewegten sind sie auf alle Fälle positiv.

In Graz ist man die Sache gleich grundsätzlich angegangen und hat Anfang April das green.LAB Graz präsentiert. Angesiedelt gegenüber des Grazer Science Towers inmitten einer temporären Freianlage, in deren Hochbeeten diverse Pflanzen gezogen werden, sitzt als Stützpunkt ein Holzmodul-Bau, der der Energie Steiermark gehört und von Nussmüller Architekten entwickelt und von Kulmer Bau gefertigt wurde. „Wir arbeiten hier in einem FFG-Projekt zur Zwischennutzung von Brachen“, erläutert Architekt Stefan Nussmüller im Gespräch mit Building Times. „Die Brettsperrholz-Elemente sind verschraubt und können in dieser oder anderer Form auch nach dieser Nutzung weiterverwendet werden“, so der Architekt. Und dieser kleine Bau hat einiges: Einen Speicher für das Brauchwasser, einen Stromspeicher für sieben kWh, die aus neun Modulen einer auf dem Dach sitzenden PV-Anlage von LCI kommen, die etwas mehr als zwei KWpeak leistet. Und Rankgitter und Pflanzrinnen an den Außenwänden, ein Öko-Klo – und natürlich jede Menge Pflanzen. Die Stadt Graz versteht das green.LAB als Forschungsstätte für intelligente Gebäude sowie als Lernort und interaktives Experimentierfeld.

Kurz danach wurde gleich gegenüber, auf dem Dach des Science Towers, das „Smart City Rooftop Farming“ eröffnet, bei dem unter der Leitung von Joanneum Research der optimale Dachgarten gepflegt werden soll. Für das Projekt wurden 19 Pflanzentröge in rund 60 m Höhe mit insgesamt 50 Tonnen Erde befüllt und mit Gemüsepflanzen, Früchten und Kräutern  bestückt. Mangold, Palmkohl und Asia-Salate seien auch über den Winter so gut gewachsen, dass man laufend ein Restaurant habe beliefern können, sagt Projektleiter Franz Prettenthaler von Joanneum Research. Er bestätigt auch, dass die doch beachtliche Dachlast von 50 Tonnen vom Statiker des Science Towers bei dessen Konstruktion bereits mitberechnet worden sei.

Unweit vom Science Tower, am oberen Ende der Annenstraße, ist inzwischen auch die im Vorjahr angekündigte Baumpflanzung auf der Fassade der Uniqa Versicherung grüne Realität geworden. Drei Tröge aus Stahl wurden an der Aufzugswand befestigt und mit jeweils einem Baum bepflanzt, ergänzt um umfangreiche Rankgitter. Ein Eisenholzbaum, eine Blumenesche und ein Feldahorn waren bereits im vorigen Sommer ausgewählt worden. Das Einsetzen der Bäume war eine spektakuläre Autokran-Aktion, der die wenigen Passanten der Annenstraße überaus interessiert folgten. Diverse Kletterpflanzen werden aber noch einige Zeit brauchen, bis die 600 m² große Fassade, die rund 40 Jahre alt ist, einigermaßen abgedeckt sein wird.

Seit Mitte April läuft in Graz schließlich eine Förderaktion für private Baumpflanzungen, wobei die Stadt die Hälfte der Kosten übernimmt, und zwar bis zu maximal 700 Euro. Pro Person werden bis zu fünf Bäume gefördert. Dass Graz aber auch anders kann, zeigt sich soeben an einer geradezu unglaublichen Posse: Weil der Kaiser Josef-Platz saniert werden muss und deshalb die Marktstände zeitweilig abgesiedelt werden, wird allen Ernstes überlegt, ein knapp 1.000 m² großes Rasenstück direkt neben der Oper temporär mit Asphalt zuzudecken, damit dort die Marktstände Platz finden. Die nahe Franz Graf-Allee zeitweise zu sperren, lehnt derzeit das Straßenamt ab, obwohl es diese Lösung ursprünglich selbst vorgeschlagen hatte….

Wiener Grün-Expansion
„50 Grüne Häuser“ heißt eine Aktion in Wien, die von tatwort abgewickelt wird und eigentlich schon „150 Grüne Häuser“ heißen müsste, weil das Interesse so groß ist: War man mit dem Grünfassaden-Modul BeRTA (Begrünung – Rankhilfe – Trog – All-in-One) für 50 Häuser in Innerfavoriten gestartet, so waren die Nachfragen nach den kostenlos vergebenen Modulen so groß, dass Stadträtin Ulli Sima Ende April auf 150 Module aufstockte – obwohl der Einreichschluss erst Ende Mai ist.

BeRTA besteht aus einem Pflanzgefäß mit 300 Liter Fassungsvermögen, einer Rankhilfe, sofern diese erforderlich und technisch machbar ist, Substrat sowie zwei Kletterpflanzen, die für rund acht m² Begrünung sorgen. Inklusive Lieferung, Montage und Einschulung. Die Module werden ausschließlich straßenseitig vergeben und im öffentlichen Raum aufgestellt. Die Pflege der Pflanzen sollen die Empfänger selbst übernehmen. Entwickelt wurde das Modul im Rahmen des vom BMVIT geförderten Forschungsprojektes „50 Grüne Häuser“. Projektziel ist die Absenkung der gefühlten Außentemperatur um bis zu 13 Grad. Bewerben können sich Bewohner, Eigentümer und Hausverwaltungen, die Einreichung erfolgt elektronisch und wird in drei Stufen abgewickelt. Am 25 April meldete Projekt-Managerin Angelika Krauk gegenüber Building Times „bereits etwa 100 Teilnehmer, von denen viele schon bis zu Schritt 2 und 3 fortgeschritten sind. Fünf Teilnehmer haben ihre Einreichung im Online-Tool bereits abgeschlossen.“

Nicht nur stationäre Pflanzen an Fassaden, sondern auch „Wanderbäume“ hat Wien zu bieten, um etwas gegen die sommerliche Überhitzung zu tun: Zehn Jungbäume, Mährische Eberesche und Feldahorn, werden alle vier Wochen ihren Standort in einer anderen Straße finden. Die „Wanderbaumallee“, wie sie die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou nennt, wurde bereits Ende April in der Währinger Antonigasse aufgestellt, zieht Ende Mai weiter in die Zieglergasse in Neubau und wird ab Ende Juni dann in der nahen Barnabitengasse in Mariahilf aufgestellt werden. Die Zieglergasse soll ab August, auch mit Hilfe der Wanderbäume, vor allem aber Ulmen, zur ersten „Grünen Meile“ Wiens werden: An vier Stellen entlang der etwas mehr als einen Kilometer langen Straße sollen platzartige Flächen mit Nebelduschen, Baumpflanzungen, heller Pflasterung und Wasserstellen für eine deutliche Abkühlung der Temperatur sorgen, worunter fünf Grad Absenkung der gefühlten Temperatur gemeint sind. Die Arbeiten an der „Kühlen Meile“ beginnen im August, werden bis Dezember dauern und sollen spätestens in fünf Jahren ihre volle Wirkung entfalten. Wofür 2,4 Millionen Euro veranschlagt sind, die zu 70 Prozent aus dem Wiener Stadtbudget kommen. 48 Parkplätze von 311 werden dem Projekt geopfert, dafür werden 50 neue Abstellplätze für Fahrräder geschaffen. Fragt sich nur, welche Temperaturen es im Sommer 2024 geben wird.