Europas beste Bauten
Die in ganz Europa brennende Frage des Wohnbaus, bzw. des Mangels an leistbarem Wohnraum, macht die Preisträger des Mies van der Rohe Awards besonders aktuell. Zu sehen im Architekturzentrum Wien noch bis 22. Oktober.
Er wird gerne als der wichtigste europäische Architekturpreis bezeichnet, worüber man natürlich diskutieren könnte. Der „Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur. Mies van der Rohe Award“ sorgt aber immerhin mit seiner Wanderausstellung „Europas beste Bauten“ für Architekturvermittlung auf breiter Basis – und setzt diesmal auch bewusst gesellschaftspolitische Akzente.
Denn mit dem aktuellen Preis 2017 wurden erstmals in der 30-jährigen Geschichte zwei Wohnprojekte ausgezeichnet, während bisher meist spektakuläre Kulturbauten die Preisträger waren: Vom Kunsthaus in Bregenz über die Französische Nationalbibliothek, das Neue Opernhaus in Oslo bis zum Konzerthaus Harpa in Reykjavik.
355 Nominierungen 355 Projekte aus 36 europäischen Ländern waren für den Award 2017 nominiert worden, darunter 18 aus Österreich. 40 davon setzte die Jury auf die Shortlist und wählte sie damit auch für die Ausstellung aus. Diese ist noch bis 22. Oktober im Architekturzentrum Wien (AzW) zu sehen.
Der nach dem deutsch-amerikanischen Architekten und Wegbereiter der Moderne Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) benannte und von der Mies van der Rohe Foundation organisierte Preis, der mit insgesamt 80.000 Euro dotiert ist, ging einerseits an das Projekt „De Flat Kleiburg“ in Amsterdam von NL Architects und XVW Architectuur als Hauptpreis (60.000 Euro) und andererseits an einen sozialen Wohnbau der Architekturbüros MSA und V+ in Brüssel als Preis für Emerging Architects, der mit 20.000 Euro dotiert ist.
De Flat Kleiburg
De Flat Kleiburg kann in vielerlei Hinsicht beispielgebend genannt werden: Ursprünglich sollte der 400 Meter lange Plattenbau mit rund 500 Wohnungen aus den späten 1960er-Jahren im Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer abgerissen werden, „wurde jedoch von einem Kollektiv um einen symbolischen Euro gekauft“, wie AzW-Direktorin Angelika Fitz berichtet, „das NL Architects mit der Ertüchtigung beauftragte.“ Während NL Architects und XVW Architectuur die gemeinschaftlich genutzten Teile sanierten, also Fassaden, Laubengänge, Gemeinschaftsflächen und das Erdgeschoß, sowie einige wesentliche Umbau-Eingriffe vornahmen, wurde die restliche Struktur sehr günstig verkauft, gleichsam wie Regalteile, wobei die Idee dahinter darin bestand, dass sich die künftigen Bewohner ihre Wohnwelt selbst gestalten können.
Die Jury bezeichnete „De Flat“ als „gleichermaßen heroisch wie alltäglich“. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil es in die Jahre gekommene Plattenbauten praktisch in ganz Europa gibt und hier eine Lösung geschaffen wurde, die einfallsreicher ist als der Schwung der Abrissbirne oder simple Farb-„Verschönerungen“.
Der Nachwuchspreis
Der Nachwuchspreis wurde für einen Wohnbau mit fünf Sozialwohnungen für kinderreiche und einkommensschwächere Familien vergeben, „Navez social housing“, der an einer Brüsseler Einfahrtsstraße liegt. Über die Bedeutung dieses Baues gibt die Jurybegründung deutlich Auskunft: „Den Architektenteams MSA und V+ ist mit diesem Projekt sowohl hinsichtlich seiner identitätsstiftenden Wirkung für das Stadtviertel als auch seiner räumlichen Großzügigkeit ein Wohnbau mit Beispielwirkung gelungen. Einfallsreiche Antworten auf die wirtschaftlichen und baulichen Einschränkungen ermöglichen Wohnungen mit viel Bewegungsfreiheit und kilometerweiter Sicht auf die umgebende Landschaft.“ Wir ersparen uns die Bemerkung: „Merk’s Wien“.
Kein Österreicher auf der Shortlist
Anders als in der Vergangenheit des Mies van der Rohe Awards schaffte es diesmal keines der 18 nominierten Projekte aus Österreich auf die Shortlist, in der Wiener Ausstellung sind sie aber sehr wohl zu sehen: Etwa die Tiwag KWB Leitstelle in Silz (Bechter/Zaffignani), die Überbauung des Grazer Pfauengartens (Pichler & Traupmann), die Panzerhalle in Salzburg (LP architektur), ein Pflegewohnheim, eine Volksschule, eine Flüchtlingsunterkunft, ein Einfamilienhaus, ein Firmengebäude, eine Autobahnmeisterei, ein Wohnbau, ein „Loft in der Scheune“, ein Weingut, eine Kunst- und Architekturschule für Kinder, der Wiener Erste Campus, die Gebäudeadaptierung für die Biomedizinische Technik der TU Graz, ein Gemeindezentrum, das Musik- und Kongresszentrum in Straßburg – und die Europäische Zentralbank in Frankfurt.
„Europas beste Bauten“ sind im Architekturzentrum Wien im Museumsquartier täglich von 10:00 Uhr bis 19:00 Uhr zu sehen. Der begleitende Katalog ist rund 160 Seiten stark und kostet 37,– Euro.