Ducken geht nicht
Es ist Krieg und unsere Energieprobleme sind gewaltig. Nicht darüber zu reden, ändert nichts an den Fakten.
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich dazu aufgerufen, Energie zu sparen. „Zehn Prozent Einsparung geht immer“, so Habeck. Seine Kollegin, Innenministerin Nancy Faeser wiederum, rät Bürgern zum Anlegen eines Notvorrates an Lebensmitteln. „Denken Sie zum Beispiel an Cyberattacken auf kritische Infrastruktur“, sagte die SPD-Politikerin kürzlich dem „Handelsblatt“. Wenn tatsächlich einmal länger der Strom ausfällt oder das tägliche Leben auf andere Art und Weise eingeschränkt werde, sei es auf jeden Fall sinnvoll einen Grundstock an Lebensmitteln für zehn Tage daheim zu haben.
Hierzulande hält sich die Politik mit solchen Tipps zurück. Warum eigentlich? Ist es der Insel der Seeligen nicht zumutbar, sie mit der Realität zu konfrontieren, die ohnehin jeden Tag über die Bildschirme flimmert? Faktum ist, es ist Krieg und wir sind hochgradig abhängig von russischem Gas. Und der militärische Konflikt ist weit davon entfernt, auszuklingen. Viel eher ist das Gegenteil, eine Ausdehnung der Kampfzonen, der Fall. Angesichts dieser Eskalation wäre es nicht verkehrt, ein paar grundlegende Notrationen einzulagern. Wenn der Strom tatsächlich einmal ausfällt, geht nämlich fast gar nichts mehr.
Ambitioniertes Gas-Ersatz-Szenario
Bei einem Ausbleiben von Erdgas wäre in erster Instanz die heimische Industrie schwer betroffen. Das Thema brennt, weshalb die Energieagentur im Auftrag des Ministeriums kürzlich „Strategische Handlungsoptionen für eine Gasversorgung ohne Importe aus Russland“ vorgelegt hat. „Bis 2027 ist es durch eine nationale und internationale Kraftanstrengung möglich, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu beenden“, glaubt Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur (EA). Dafür seien drei Aufgaben zu erledigen: Erstens: einsparen, zweitens: selbst produzieren und drittens: diversifizieren der Lieferländer.
Zum Einsparen: Durch die Umsetzung von zusätzlichen Energieeffizienzmaßnahmen und die beschleunigte Substitution von Erdgas in verschiedenen Sektoren soll sich der Gasverbrauch von 89 auf 60 TWh reduzieren. Das klingt reichlich ambitioniert und führt zur Frage, warum diese Ideen nicht schon vor dem Krieg angegangen wurden? Zur Eigenproduktion: Die liegt im Schnitt der letzten Jahre etwa bei 10 TWh und soll durch 14 TWh erneuerbares Gas ergänzt werden. Dass die Anlagen dafür innerhalb weniger Jahre tatsächlich realisiert werden können, ist sportlich. Derzeit brauchen wir jedenfalls für ein paar Windräder oder eine Stromleitung Jahre.
Zum Import: Der Import aus Norwegen und anderen Ländern Europas in einem Ausmaß von 16 TWh sei beizubehalten, so die EA. Zudem sollten Importrouten sowohl für Pipeline-Gas als auch verflüssigtes Erdgas (LNG) erschlossen werden. Und das bis 2027, was technisch womöglich schon realisierbar wäre. Dazu bräuchte es jedoch gewaltige Investitionen und den politischen Willen ganz vieler Beteiligter. Im Moment reicht es nicht einmal für einen Sparaufruf.