Die Probleme kommen erst

Noch geht es im Fassadenbau gut bis halbwegs gut. Große Probleme werden aber für das zweite Halbjahr 2021 und für die zwei Folgejahre erwartet. Positiv: In Kramsach gibt es eine völlig neue Ausbildung für Fassadenplaner und -bauer.

Noch kommen die Metallbauer und Systemlieferanten mehr oder minder gut über die Runden. Daher auch das erzwungene Abwarten, weil das exakte Ausmaß der Corona-Krise noch nicht absehbar und die gesamte Situation für alle zur Gänze neu ist, natürlich nicht nur für die Metallbauer.

Die großen Probleme werden aber für das zweite Halbjahr 2021 und vor allem 2022 und 2023 erwartet, weil dann die pandemiebedingten Auftragsverzögerungen, auch bei den Genehmigungen und unter Umständen auch wegen veränderter Finanzierungs-Bedingungen voll zum Tragen kommen dürften. Diese Einschätzung deckt sich mit jener der meisten Planer, unabhängig davon, welche Gewerke sie bearbeiten.

Ewald Müller, Geschäftsführer von Alukönigstahl, erwartete im Building Times-Interview den zweiten Lockdown, der dann auch prompt verhängt wurde. „Der erste Lockdown hat im Systemgeschäft in Österreich am meisten geschmerzt und zu einem Umsatz-Minus von rund 15 Prozent oder zehn Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr geführt“, sagt Müller und ergänzt: „In Österreich standen die Baustellen eineinhalb Wochen still, die anderen Länder konnten sich die Maßnahmen des ersten Lockdowns gar nicht leisten“. Müller beziffert den Gruppenumsatz mit rund 300 Millionen Euro und die Mitarbeiterzahl mit ungefähr 1.000.

Von Österreich aus werden die Alukönigstahl-Organisationen in Slowenien, Kroatien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo und Albanien, sowie Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Moldawien gesteuert, dort habe Alukönigstahl jedoch auch eine starke physische Präsenz. „Zu Beginn der Corona-Krise haben wir in Österreich das Kurzarbeitsmodell für drei Monate in Anspruch genommen, in einigen Bereichen – aufgrund der Dringlichkeit gegenüber unseren Kunden – sogar kürzer“, sagt Müller und ergänzt: „Nun, im Zuge der zweiten Welle, nehmen wir in Österreich dieses Modell wieder in Anspruch. Staatliche Förderungen und Hilfsmittel gibt es aber nicht in allen Ländern, in denen wir Niederlassungen betreiben“. Müller betont, dass vor allem großer Wert auf die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter gelegt werde. Die Belieferung der Kunden habe absolute Priorität, weshalb das Lager in zwei Gruppen geteilt und mit Leiharbeitern aufgestockt worden sei. Das verursache zwar höhere Kosten, hält aber lieferfähig. „Projekte, die vor Beginn der Corona-Krise geplant wurden, bzw. sich im Bau befanden, wurden und werden auch abgearbeitet. Wie es weitergeht, ist allerdings schwer zu sagen, vor allem, solange wir noch keinen Impfstoff haben. Natürlich werden Unternehmen in unserer Branche mit Problemen zu kämpfen haben, jedoch sehe ich diese verstärkt erst Ende 2021, Anfang 2022“. Ewald Müller meint zusammenfassend: „Als Unternehmen ist es jetzt besonders wichtig, an die aktuelle Situation angepasst und proaktiv zu handeln, auch wenn wir über alle Branchen hinweg mit schwierigen, neuen Marktbedingungen konfrontiert sind“.

Zukunftsaussichten

„Zukunftsperspektiven im Fassadenbau“ war der Titel der diesjährigen Fassadenbau- Tagung der TU Wien, die erstmals Online abgehalten wurde. Im Mittelpunkt standen PV-Fassaden und der Vortrag des bekannten Schweizer PV-Architekten René Schmid, dessen Thema war „Wirtschaftliche PV-Fassaden durch innovative Befestigungskonzepte“. Er demonstrierte anhand seiner Projekte, dass Fassaden-Photovoltaik vor allem dann sehr gut funktioniert, auch wirtschaftlich, wenn sie als Gebäudehülle ausgeführt wird. Vor allem an dem in der Branche gut bekannten Schmid-Beispiel seines „Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit – Umweltarena Spreitenbach“ aus dem Jahr 2012 machte der Architekt die Möglichkeiten einer PV-Gebäudehülle deutlich, denn die Arena ist ein PlusEnergieBau (PEB) mit der größten dachintegrierten PV-Anlage der Schweiz. 5.500 monokristalline Solarzellen, 1.000 davon Spezialanfertigungen, vierfach geschuppt, mit 760 kWp liefern einen Jahresertrag von 540.000 Kilowattstunden. Dazu kommen weitere 68.700 kWh pro Jahr aus Solarthermie- und Biogasanlagen, wodurch die Arena mit 608.700 kWh/a mehr als das Doppelte ihres Gesamtenergiebedarfs von 299.500 kWh/a erzeugt.

Organisator und Moderator Ernst Heiduk (TU Wien) wies nicht nur auf den signifikanten Leistungsanstieg von Modulen hin, nämlich plus 40 Prozent auf 24 Prozent von 2014 bis heute, sondern skizzierte auch die absehbare weitere Entwicklung, vor allem jene hin zu bifacialen Zellen.

Fensterscheiben-PV

Noch nicht auf dem Radar heimischer Photovoltaik- Experten ist die jüngste Entwicklung italienischer Forscher, die „Building Integrated Photovoltaics“ vorgestellt haben: Bei der Entwicklung des Istituto di Struttura della Materia zusammen mit Glass to Power handelt es sich um Plexiglasscheiben, in die organisches Material eingeschlossen ist, berichtet Joule-Cell Press.

Die Funktionsweise der neuen Module bestehe in der Fähigkeit organischer Moleküle, die Sonnenstrahlen auf einer großen Bandbreite zu absorbieren und sie mit hohem Wirkungsgrad auf einer anderen Wellenlänge an Solarzellen weiterzugeben, sagt Projektleiter Giuseppe Mattioli. „Der große Vorteil unserer Technologie besteht darin, dass die Herstellung der Module auf einem umweltfreundlichen und kostengünstigen Verfahren beruht“, betont der Forscher. Die komplett durchsichtigen Plexiglasmodule ließen sich auf herkömmliche Fensterrahmen montieren und wandelten über die an den Rändern angebrachten, unsichtbaren PV-Zellen die Lichteinstrahlung in Energie um, sagt Mattioli.

Zentrale Spachtelfassade

Dass nicht nur „harte“ Aluminium- und Stahlfassaden interessant sein können, sondern auch „weiche“ Putzfassaden ihren Charme haben, ist seit kurzem im Herzen Wiens am Stephansplatz zu sehen. Das gegenüber dem Dom stehende Hotel dessen beige Putzfassade im Laufe der Jahre nicht nur verschmutzt worden war, sondern naturgemäß auch verblichen, erhielt ein zeitgemäßes Facelifting.

Der schnörkellose Nachkriegsbau hat die Planer der Wiener archiguards ZT GmbH vor die Aufgabe gestellt, die bestehende grau-weiß marmorierte Naturstein-Fassade in den ersten zwei Etagen und im Eingangsbereich mit einer modernen und spannenden Gestaltung der restlichen Fassadenflächen in Einklang zu bringen. „Wir wollten die Marmor-Optik auf die darüberliegende Fassade übertragen und gleichzeitig neue Akzente setzen“, sagt Martin Lindtner vom Wiener Ziviltechniker- Büro ACC, das für die örtliche Bauaufsicht sorgte. „Dafür wurden eine Spachteltechnik von Synthesa Perg angewandt, die durch den changierenden Charakter sehr gut harmoniert“. Vor der Aufbringung der Dekor-Spachtel wurde die Renovierspachtelmasse zur Ausbesserung des Putzes aufgebracht, dann ein Capatect-Putzgrund. Die erste Dekorspachtel-Schicht in den Farbtönen Curcuma und Altweiß wurde mit einem rostfreien Metallhobel aufgetragen und mit einer farblosen Farbspachtel gefinisht. Laut Synthesa verleiht sie der Oberfläche den letzten Schliff und die plastische Tiefe. Für Plastizität sorgen auch die von der Fassade abgesetzten Lettern des Hotel-Schriftzuges, die für interessante Schattenspiele sorgen. Die Ingenieure Hans & Franz Huber Bauges.m.b.H. als Hauptauftragnehmer und Laguz-Bau als Ausführende hatten die entsprechenden Könner zur Hand.

Fassadenplaner-Ausbildung in Kramsach

Auch was die künftigen Fassaden-Gestalter betrifft, gibt es Neues: Eine im nächsten Jahr startende Ausbildung in Fassaden-, Metall- und Glastechnik. „So eine Ausbildung ist bisher im österreichischen Schulwesen nicht vorhanden“, kündigt Ursula Pittl-Thapa, Direktorin der HTL Kramsach (Tirol) – Glas und Chemie im Gespräch mit Building Times an. „Das werden fünfjährige Kollegs und Aufbaulehrgänge sein, die derzeit im Genehmigungsverfahren sind und im kommenden Studienjahr starten werden. Einerseits für Glastechnik und andererseits für Objektdesign und -produktion“. Der Lehrplan gehe Richtung Gebäudehülle, vorgehängte Fassade, Glas, Anschlüsse, usw., „denn „wir haben ja alle Fachleute im Haus“.

BIM werde eine große Rolle spielen und von einem prominenten Absolventen präsentiert werden, nämlich Jakob Hirn, dem Gründer und Geschäftsführer von Build Informed. „Wir haben auch Kontakte zu ehemaligen Schülern, beispielsweise bei Seele, Ertl, Waagner Biro, Isolar, Metallica (Strabag), usw., die wir für das Ausbildungsprogramm nutzen können“, freut sich Direktorin Pittl-Thapa schon jetzt auf das neue Studienjahr in der jahrzehntelang als Glasmacherschule bekannten Ausbildungsstätte.