Die mit den Kabeln

Nahezu jeder kennt das Areal an der A1, wenige wissen, was dort passiert. Die Firma Meinhart Kabel ist Marktführer bei Kabeln in Österreich. Das Traditionsunternehmen hat weiterhin viel vor.

Der Befund klingt klar und nüchtern: „Unser Produkt, das Kabel, hat kaum Innovation. Es ist vergleichbar und wir können uns nur durch Services abheben. Dabei spielt die Digitalisierung eine maßgebliche Rolle“, sagt Andreas Luftensteiner. Zusammen mit den Eigentümern Georgia Rohrhofer-Meinhart und Walter Meinhart führt Luftensteiner die Geschäfte der Meinhart Kabel Österreich GmbH mit Hauptsitz in St. Florian bei Linz, direkt an der A1. Das Unternehmen wurde 1978 von Walter Meinhart als Einmann-Unternehmen gegründet und hat sich im Lauf der Jahrzehnte prächtig entwickelt. Meinhart hat im Lauf der Jahrzehnte ein ansehnliches Kabel-Imperium mit mehreren Auslandsniederlassungen geschaffen, in Summe beschäftigt die Gruppe rund 400 Mitarbeiter:innen, die einen Umsatz von 540 Millionen Euro erwirtschaften. Dabei soll es nicht bleiben, der hauseigene Wachstumspfad sieht bis 2030 eine drastische Steigerung vor. In Österreich ist Meinhart Marktführer, die Hauptkunden sind der Elektro-Großhandel, Energieversorger, Anlagenbauer und Baufirmen. Luftensteiner sieht die Kabelbranche im Umbruch. Die hohen Rohstoffpreise wirbeln althergebrachte Geschäftsmodelle auf, die Suche nach der Marge intensiviert sich für alle Beteiligten. Wenn Elektriker direkt beim Importeur kaufen wollen und der Großhandel den direkten Kontakt zu den Erzeugern sucht, bleibt jeweils eine Stufe unbedient. Bei Meinhart möchte man diesem Treiben mit einer Serviceoffensive begegnen. Das Bestellwesen soll voll digitalisiert werden und über B2B-Portale soll den Kunden der permanente Zugriff auf Lagerbestände und Preisabfragen ermöglicht werden. So sieht es die Strategie „Horizont 2030“ vor. Wie rasch politische Entscheidungen auf die Umsätze drücken, und warum der Ausbau des Hauptsitzes ansteht, erklärt Luftensteiner im building TIMES-Exklusivinterview.

Interview: Andreas Luftensteiner

building TIMES: Herr Luftensteiner, die Zukunft ist elektrisch, höre ich oft. Sie liefern Kabel, wirkt der Rückenwind wirklich?

Andreas Luftensteiner: Ja, natürlich, wir sehen die Energiewende schon als großen Treiber. Die Elektrifizierung und die Digitalisierung kurbeln unsere Sparte an. Dennoch sehen wir gegenwärtig eine Abflachung in der Dynamik.

building TIMES: Was meinen Sie da konkret?

Luftensteiner: Die Einspeisetarife wurden zuletzt gesenkt, das bringt mit sich, dass Investitionen nicht getätigt werden. Momentan sind in Österreich sehr viele PV-Systeme auf Lager. Das bringt einen massiven Preisverfall mit sich. All das bringt auch Unternehmen, die sich stark in dieser Sparte engagiert haben, in Schwierigkeiten. Seit Längerem schwach entwickelt sich auch der Wohnbau: die hohen Zinsen und die Kreditrichtlinien bremsen hier. Etwas anders sieht es bei den E-Ladestationen und Windkraft oder beim Netzausbau aus, wo weiterhin investiert wird. Spannend sehen wir hier der Entwicklung der Ladeparks für E-Trucks entgegen, wo es um hohe Stromkapazitäten und damit entsprechende Kabel geht.

building TIMES: Das heißt, das mögliche Aus für das Verbrenner-Aus bremst noch nicht?

Luftensteiner: Bedingt. Wenn – so wie in Deutschland – über das Aus diskutiert wird, merken wir sofort, dass Projekte verschoben werden.

building TIMES: Die letzten Jahre waren aber gute Jahre, oder?

Luftensteiner: Ja, das stimmt. Die Umsätze waren in dieser Zeit in der Branche bei vielen Unternehmen überdurchschnittlich hoch. Es gab ja eine Zeit lang einen regelrechten Kaufrausch, das bewirkt jetzt Rückgänge, weil die Kunden noch viel auf Lager liegen haben. Zu berücksichtigen gilt es auch, dass die raschen Umsatzanstiege auch den steigenden Metallkursen zu verdanken sind.

building TIMES: War 2023 schwächer als das Jahr davor?

Luftensteiner: 2022 war der absolute Peak, 2023 ist es dann in vielen Sparten weniger geworden, nicht so bei uns. Wir haben aber bei unseren Kunden gemerkt, dass die Umsätze zurückgehen. 2024 trifft es auch uns, besonders in Deutschland, wo wir uns großes Wachstum erhofft hatten.

building TIMES: Und Österreich?

Luftensteiner: Auch hier spürt man die Rückgänge im Wohnbau deutlich.

building TIMES: Wie wichtig ist Deutschland für Sie?

Luftensteiner: Nachdem wir in Österreich Marktführer sind, sind die Möglichkeiten für weiteres Wachstum nur in einzelnen Segmenten gegeben. Daher ist Deutschland ein wichtiger Markt und wir wollen ein größeres Stück vom Kuchen dort.

building TIMES: Der Gesamtumsatz liegt ungefähr bei 540 Millionen Euro, oder?

Luftensteiner: Das ist der Gesamtumsatz der Meinhart-Gruppe.

building TIMES: Sie wollen bis 2030 auf eine Milliarde Euro Umsatz kommen. Ist das realistisch?

Luftensteiner: In unserer Welt ist das realistisch, weil es denkbar ist, dass die Metalle noch weiter steigen. Das ist aber nicht unser Ansatz, wir wollen operativ wachsen. Wir werden auch neue Geschäftsmodelle entwickeln und diese am Markt umsetzen.

building TIMES: Kabel bestehen aus Kupfer, Aluminium und Kunststoff. Alles Materialien, die im Zuge der Pandemie und des Krieges noch preisvolatiler geworden sind als zuvor. Wie steht es gegenwärtig um die Preise?

Luftensteiner: Wir handeln mit begrenztem Gut. Manchmal gibt es Überkapazitäten, ein anderes Mal gibt es zu wenig verfügbares Material. Gleichzeitig wird mit Kupfer an den Börsen spekuliert. Demensprechend volatil sind die Preise. Derzeit haben wir Metallwerte, die über dem 13-fachen liegen als vor 20 Jahren. Das heißt, die Lagerhaltung ist mit sehr hohem Investment und Risiko verbunden.

building TIMES: Wer sind derzeit Ihre größten Kundengruppen?

Luftensteiner: Die Großhändler, die Energieversorger, die Industrieunternehmen, einige große Anlagenbauer und Baufirmen, die auch elektrische Anlagen bauen.

building TIMES: Beliefern sie zweistufig oder dreistufig?

Luftensteiner: Sowohl als auch.

building TIMES: Lässt sich das harmonisch nebeneinander machen?

Luftensteiner: In unserem Geschäft gibt es gerade einen großen Wandel. Damit verbunden ändern sich teilweise die Vertriebsstrukturen. Die Dreistufen-Modelle werden teilweise von unseren Kunden und Lieferanten nicht mehr eingehalten. Die Metallzuschläge haben Kabel teuer gemacht, dadurch steigt der Druck. Der Elektriker versucht deshalb, direkt bei uns zu kaufen und der Großhandel versucht, direkt bei Herstellern zu kaufen.

building TIMES: Das heißt, jeder schießt auf jeden?

Luftensteiner: Alle suchen nach Einsparungen, das bringt etwas Verwirrung in den Markt.

building TIMES: Sie liefern in 40 Länder habe ich gelesen. Sind Russland und die Ukraine auch dabei?

Luftensteiner: Nein, Länder, die mit Sanktionen behaftet sind oder sich im Krieg befinden, werden von uns nicht beliefert.

building TIMES: Woher kommen die Kabel, die Meinhart an Kunden weiterverkauft? Ist Asien ein Thema?

Luftensteiner: Wir kaufen global ein, primär aber im europäischen Raum. Unsere größten Lieferanten sitzen in der Türkei und in Osteuropa. Asien ist auch ein Thema, hier vorwiegend China.

building TIMES: Wie sah und sieht es mit der Lieferfähigkeit aus China aus?

Luftensteiner: In der Corona-Zeit war einiges im Argen, da gab es Engpässe, wegen des Lock-Downs in China. Vieles konnten wir durch unsere Lagerhaltung abfedern. Es ist aber nicht ganz vorbei, denn auch die Piratenangriffe rund um den Suez-Kanal machen Probleme, weil Schiffe große Umwege machen, was die Transportkosten markant erhöht.

building TIMES: Manche Energieversorger argumentieren, dass der Netzausbau nicht schneller geht, weil Komponenten schwierig zu bekommen sind. Gilt das auch für Kabel?

Luftensteiner: Die Energieversorger haben viel vor, da stehen europaweit Milliarden-Investitionen an. Wenn die USA Trump zum Präsidenten wählen, möchte der die Infrastruktur massiv ausbauen. Den höchsten Bedarf hat nach wie vor China. Wie sich das alles ausgeht mit den vorhandenen Rohstoffen, das ist schwer einzuschätzen. Möglich ist aber, dass es langfristig zu einem Engpass bei Kupfer kommen kann.

building TIMES: Die Gruppe hat 2023 eine neue Phase der Umsetzung ihrer Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategie gestartet. Was heißt das konkret?

Luftensteiner: Wir haben einen Generationenwechsel, der Gründer Walter Meinhart hat das Unternehmen vor 46 Jahren gegründet, sehr erfolgreich gemacht und ist auch noch in der Firma tätig. Die nächste Generation mit Georgia Rohrhofer-Meinhart und ich müssen das Unternehmen transformieren. Im Zuge der Transformation ist die Digitalisierung ein wesentlicher Punkt. Wir wollen künftig alle Prozesse im ERP-System abbilden und die Kommunikation digitalisieren. Wir bauen auch B2B-Portale, mit denen wir unseren Kunden permanenten Zugriff auf Lagerbestände und Preisabfragen ermöglichen. Und wir realisieren eine voll digitale Bestell- und Auftragsabwicklung.

building TIMES: Sind Sie da spät dran oder gerade noch rechtzeitig?

Luftensteiner: Ich war über 30 Jahre in der schnellwachsenden und sich ständig verändernden Telekom-Branche tätig, mir geht es immer zu langsam. Die Kabelbranche ist tendenziell konservativ und reagiert etwas verzögert, somit sind wir gut im Schnitt.

building TIMES: Gibt es dafür einen Zeitplan?

Luftensteiner: Wir haben eine Strategie 2030, da haben wir alle maßgeblichen Bereiche definiert. Das gilt auch für die Weiterentwicklung des Unternehmens, zum Beispiel beim Personal, Stichwort „New Work“. Wir investieren in ein neues Bürogebäude, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein.

building TIMES: Braucht man dazu noch schicke Büros?

Luftensteiner: Ich halte wenig vom Home-Office und bin ein Verfechter von Office-Home. Jeder soll sich bei uns wohlfühlen und im Team eingebunden sein. Wir sind ein Familienunternehmen und wollen das Familiäre weiterpflegen. Deshalb wird es auch künftig nur im Ausnahmefall Shared-Desks oder Ähnliches geben.

building TIMES: Was bauen Sie konkret?

Luftensteiner: Wir bauen ein modernes Gebäude, das mehr ist als zweckmäßig. Wir schaffen damit 50 neue Arbeitsplätze auf rund 2.500 m² Fläche. Es ist viel Platz vorgesehen für Begegnungen und gemeinsames Arbeiten. Auch die Stockwerke werden über Sitztreppen miteinander verbunden und etagenweise an den Bestand angekoppelt, um die Kommunikation zu fördern.

building TIMES: Der Standort ist öffentlich kaum erreichbar. Ist das ein Nachteil?

Luftensteiner: Öffentlich ist unser Standort mit dem Linienbus erreichbar, welcher direkt vor unserem Unternehmen hält. Auch der Bahnhof in Asten ist fußläufig erreichbar. Die Nähe zur Westautobahn macht uns attraktiv, da die Mitarbeiter:innen, die mit dem Auto pendeln, rasch zu uns kommen und mit keinen Staus rechnen müssen.

building TIMES: Wann geht es los?

Luftensteiner: Die Planungen laufen, der Baubeginn ist für Anfang 2025 veranschlagt, die Fertigstellung für Mai 2026.

building TIMES: Die Baupreise haben sich wieder eingerenkt?

Luftensteiner: Unsere Architekt:innen gehen davon aus, dass die Preise der Bauunternehmen im Herbst gut sein werden, da diese danach trachten, ihr Personal zu beschäftigen, um sie nicht zu verlieren.