Das große Ding

Mit dem Energiekonzept für das „Village im Dritten“ haben sich die Projektpartner Großes vorgenommen: Es soll europaweit Maßstäbe für integrierte urbane Stadtentwicklung setzen.

Der Quartiersentwickler ARE (Austrian Real Estate) und die Projektpartner wohnfonds_wien, die Stadt Wien und die UBM Development haben sich mit dem Village im Dritten die Latte sehr hoch gelegt: Vielleicht nicht so sehr deshalb, weil sie im dritten Wiener Gemeindebezirk auf mehr als elf Hektar ein „Dorf“ (Village) bauen lassen wollen, sondern weil das Energiekonzept dafür „europaweit Maßstäbe für integrierte Stadtentwicklung“ setzen, wie die Entwickler sagen, und das Projekt „so gut wie klimaneutral“ sein soll.

In dem neuen, multifunktionalen Stadtviertel, den ehemaligen Aspanggründen, sollen bis 2026 rund 1.900 Wohnungen, Gewerbeflächen, Nahversorgungs-, sowie Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen errichtet werden. Gleichsam zum Auftakt wurde vor kurzem einer von rund 40 ersten neuen Bäumen auf dem Areal des künftigen Parks gepflanzt. Die eigentlichen Bauarbeiten sollen im Jahr 2022 beginnen, bis dahin laufen noch die Planungsarbeiten, Genehmigungsverfahren und Ausschreibungen.

Mit den umfangreichen Planungsarbeiten wurden drei Architektenteams beauftragt, jeweils nach Wettbewerben und alle aus Wien: Thaler Thaler Architekten, HNP architects, deren Patron Heinz Neumann Anfang September seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, sowie JWA Josef Weichenberger Architects. Sie alle werden die Wohnungen planen, das Bürogebäude verantworten HNP architects und der 300 m lange Gürtelbogen wird von Artec Architekten umgestaltet.

Zur Gestaltung aller dieser Abläufe wurde ein 78 Seiten starkes Planungshandbuch geschaffen, berichtet Architekt Josef Weichenberger im Gespräch mit Building Times. „Wir sind sehr, sehr stolz darauf, an diesem besonderen Bauplatz zu bauen. Das ist ein Leuchtturm-Projekt für die Klima-Resilienz des Bauens mit städtebaulichem Anspruch“.

Zehn verschiedene Baufelder

Auf insgesamt zehn Baufeldern errichten die Projektpartner in der ersten Phase rund 980 Wohnungen, einen Kindergarten, Büros und Allgemeinflächen sowie ca. 16.000 m² für Gewerbe und Handel. ARE und UBM errichten in dieser ersten Phase Wohngebäude und Büros auf fünf Baufeldern, wodurch rund 350 frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen mit einer Bruttogeschoßfläche von rund 30.500 m² und ca. 180 Tiefgaragenplätze entstehen werden. Alle Wohnungen werden durch Loggien, Balkone, Terrassen oder Eigengärten über eigene Freiflächen verfügen, im Bürogebäude sind rund 10.000 m² geplant sowie 40 Garagenplätze.

Zusammen mit der Wien Energie und dem Digitalisierungs-Start-up Ampeers Energy, einer jungen BIG-Beteiligung, will die ARE „durch die Nutzung lokal vorhandener, erneuerbarer und klimafreundlicher Energie und deren dortiger Nutzung eines der nachhaltigsten und innovativsten Immobilienprojekte Europas“ realisieren. „Durch eine Kombination von Erdwärme, Photovoltaik und Fernwärme sowie eine optimierte Anlagensteuerung werden wir das Village im Dritten in höchstem Maß ökologisch betreiben“, kündigte ARE-CEO Hans-Peter Weiss an.

Gürtelbogen als Quartiersabgrenzung

Die Lage der Aspanggründe an der Südostgrenze des dichtbebauten Stadtzentrums im dritten Wiener Gemeindebezirk bringt es mit sich, dass sich der entlang des Landstraßer Gürtels erstreckende Gürtelbogen als Quartiersabgrenzung anbietet. Er wird auf rund 10.600 m² Bruttogeschoßfläche einen Supermarkt, Gewerbeflächen und Geschäfte in fußläufiger Entfernung beherbergen. Der Gürtelbogen bildet sowohl optisch als auch lärmtechnisch eine Grenze zur vielbefahrenen Straße und wird mit einer PV-Anlage auf dem Dach ausgerüstet.

Durch die S-Bahn, diverse Straßenbahnlinien, einen Anschluss an die A23 und eine geplante Busverbindung dürfte das Village im Dritten gut an den öffentlichen Verkehr angebunden sein, auch der Hauptbahnhof liegt in der Nähe und kann mit öffentlichen Verkehrsmitteln in fünf Minuten erreicht werden.

800 Wohnungen gefördert

Das werden die künftigen Nutzer der hier entstehenden Wohnungen zu schätzen wissen: Rund 800 der insgesamt 1.900 Wohnungen werden von der Stadt Wien gefördert. Neben klassisch geförderten Wohnungen wird es auch besonders günstige Smart-Wohnungen und Gemeindewohnungen Neu geben sowie spezielle Wohnformen für Alleinerziehende, Wohngemeinschaften für junge Menschen und ein Baugruppenprojekt mit maßgeschneiderter Infrastruktur.

Herzstück zum Relaxen wird der rund zwei Hektar große Park inmitten des neuen Grätzls, ein Rückzugsort mit positiver Wirkung auf die gesamte Nachbarschaft. Weitere Bäume, siehe oben, sollen folgen. Überdies werden alle nicht begehbaren Dächer und einige Fassaden begrünt. Autofreie und fahrradfreundliche Gestaltung sowieso. Mit einem Wort: „Eines der nachhaltigsten und innovativsten Immobilienprojekte Europas“, wie die Entwickler erklären. Das aber, mit Verlaub, reklamieren viele Developer quer über den Kontinent für sich.

 

DAS ENERGIEKONZEPT

„Das ist sicher das größte Geothermie-Projekt in Wien“ sagt die bei der Wien Energie zuständige Michaela Deutsch im Building Times-Interview, „wir sind mit der Planung zwar noch nicht ganz fertig, aber in der Endphase des Konzeptes“. Nach dem Stand von Ende November sind rund 500 mit Sole gefüllte Tiefensonden geplant, die 150 m tief abgeteuft werden. Sie dienen der Erdwärmenutzung und als Abwärmespeicher. „Außerdem bieten sie die Möglichkeit zur Temperierung, also der moderaten Abkühlung sämtlicher Wohnungen und beugen städtischen Hitzeinseln vor“, heißt es in der Konzeption.

Bauträger- und Baufelder-übergreifend zu planen, habe sehr viel Sinn, sagt Deutsch, „denn so können wir die Sonden unter die Baufelder setzen, während die Bauträger den Aushub vornehmen lassen“. Der Abstand zwischen den einzelnen Sonden werde sieben Meter betragen, ergänzt Deutsch. „Wir haben ja gleich daneben die Fernwärme-Infrastruktur und können uns auch dort bedienen. So können wir etwa im Sommer auch den einen oder anderen Teil der Abwärme ins Fernwärme-Netz einspeisen, sofern sie dort gebraucht werden kann. Hier trifft sich die alte mit der neuen Welt“.

Weiters geplant sind Photovoltaik-Dachanlagen mit ca. 1,9 M Wp zur lokalen Strom-Teilversorgung, „ 20 bis 25 Wärmepumpen, je eine pro Baufeld, und ein rund 600 m langes Anergienetz in Form einer Energiegemeinschaft. „In der Detailplanung geht es jetzt darum, eine Überdimensionierung zu vermeiden“, betont Michaela Deutsch. Erste Berechnungen gehen davon aus, dass bis zu 70 Prozent des örtlich erzeugten PV-Stroms auch örtlich verbraucht werden können und rund 80 Prozent der Heizenergie aus lokalen Quellen kommen werden.

Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl fasst zusammen, das Energiekonzept für das Village im Dritten zeige, welche Erfolge gelingen können, wenn Energie- und Immobilienbranche an einem Strang ziehen. „ Hier schaffen wir ein Musterbeispiel für zukünftige urbane Energielösungen – im ökologischen und ökonomischen Sinn“.