AllesWirdGut … & Größer
Das Architekturbüro AllesWirdGut wurde heuer 20 Jahre alt, hat in den letzten fünf Jahren seine Mitarbeiterzahl auf 80 verdoppelt, den Umsatz sogar noch mehr gesteigert und bearbeitet immer größere Projekte. Der Name wirkt nach wie vor als Eisbrecher.
Ob er, auch mehr als 20 Jahre nach der Gründung, immer noch auf den Namen AllesWirdGut (AWG) angesprochen wird, wollte Building Times von Architekt Herwig Spiegl wissen. Das bringt den Gründer und Viertel-Gesellschafter zum Schmunzeln: „Das wird wahrscheinlich immer so bleiben und das ist eigentlich sehr schön. Es gibt ja auch Kontakte mit Neuen und die Frage nach dem Namen bringt das Gespräch dann auf eine sympathische Ebene. Das wirkt ein bisschen wie ein ‚Eisbrecher‘“.
„Was wäre wenn, wenn wir uns beispielweise tatsächlich DIN-A3-filterlos und nicht AllesWirdGut genannt oder Rio de Janeiro anstelle von München als zweiten Standort gewählt hätten?“ fragen denn die vier Gründer „Andi (Marth), Christian (Waldner), Friedrich (Passler) und Herwig (Spiegl) rein rhetorisch in ihrem booklet04, das sie im Mai anlässlich des Jubiläums herausgebracht haben. Wobei „booklet“ eine arge Untertreibung ist, denn die A4-Publikation hat 288 Seiten, ist großzügig illustriert und beschreibt 40 Projekte, davon 20 Fertigstellungen.
Wie es zum Namen gekommen ist
Was wie eine Beschwörungsformel hoffnungsloser Optimisten klingen mag, dass nämlich alles gut werde, oder als programmatische Erklärung, hat einen schon fast kuriosen Ursprung: „Der Name ist ganz doof entstanden: Drei der damals fünf Gründer (Ingrid Hora ist 2002 in die Bildenden Künste gewechselt, Anm.) waren auf Auslandssemester, da wurde viel gemailt und telefoniert. Dabei hat sich ‚Alles wird gut‘ im Sprachgebrauch eingeschlichen und wurde kurzerhand zum Büronamen“, erinnert sich Spiegl.
Aus dem unbedingten Wunsch von fünf Tiroler Studierenden, die einander in den 90er-Jahren in den Zeichensälen der TU Wien kennengelernt hatten, wurde eine international tätige Architekturfirma, die ständig wächst, und zwar in jeder Richtung: Allein in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter auf das Doppelte angewachsen, von 40 auf 80. Sie stammen aus 17 Ländern, sechzig werken in Wien und 20 in München. Der Umsatz ist im gleichen Zeitraum von rund drei Millionen Euro auf heuer „um die sechseinhalb Millionen Euro“ gestiegen. Schließlich wurden auch die realisierten Projekte größer. Ende November hielt AWG bei Projekt-Nummer 554, vor genau fünf Jahren war es Nr. 386 gewesen. „Da sind aber auch die Wettbewerbsbeiträge drinnen, die nicht gebaut wurden“, schränkt Spiegl ein.
Vor fünf Jahren war der damals eingegangene Auftrag für die Zentrale der WAZ in Essen, jetzt Funke Mediengruppe, mit einem Auftragsvolumen von mehr als 60 Millionen Euro und rund 40.000 m² Bruttogeschoßfläche (BGF) der bis dahin größte Auftrag. Gegenwärtig gibt es zwei größere, darunter die ‚Neue Mitte Perlach‘ in München mit 55.000 m² BGF und etwa 80 Millionen Euro Projektvolumen. Das wird eine gemischte Nutzung aus Handel, Wohnen und Studentenheim, ein vitaler Stadtbauteil“, erläutert Spiegl.
Gewinnen heißt nicht Bauen
Wettbewerbe sind nach wie vor die wesentliche Möglichkeit zur Auftragsgewinnung für AWG, denn „es gibt spärlich Direkt-Vergaben, ein bis zwei kleine Direkt-Aufträge in Deutschland. Auch im privaten Baubereich gibt es aber Wettbewerbe“, erläutert AWG-Mitbegründer. 2019 hat das Büro bisher an 35 Wettbewerben teilgenommen. „Meistens gelingt es, fünf bis sechs zu gewinnen und zu sichern. Einer fällt dann meist noch weg, so dass vier bis fünf zum Bauen bleiben“.
Was mit einer Besonderheit deutscher Wettbewerbsverfahren zu tun hat: „In Deutschland gibt es auch bei Wettbewerbs-Gewinnen ein Verhandlungsverfahren, das heißt Nachverhandlungen mit allen drei bis fünf Preisträgern. Dabei werden auch die Verfügbarkeit des Büros, das Honorar, Referenzen, etc. abgefragt. Dadurch kann eine Jury-Entscheidung auch noch umgedreht werden“, erläutert Spiegl. Umgekehrt gibt es für alle Preisträger auch Preisgelder. Der Wohnbau spielt für AllesWirdGut derzeit eine bedeutende Rolle, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich: Das Projekt des Wohn- und Geschäftshauses am Nordbahnhof wurde Ende Oktober übergeben und in das zusammen mit feld72 geplante Objekt Kapellenhof ziehen die Menschen gerade ein. In Deutschland war der Wohnbau auch der Grund für eine eigene Bürogründung: „Ein Wohnbauträger in München wollte weiter mit uns arbeiten, dafür aber einen AWG-Standort in München“, erläutert Spiegl, „daher sind wir in München auch sehr Wohnbau-lastig“.
Magdas Hotel ohne Folgen
Mit großem Bedauern mussten die AWG-Macher feststellen, dass das spektakuläre Projekt des magdas Hotels im Wiener Prater praktisch keine Folgewirkungen ausgelöst hat: „Mit Ausnahme einer kleinen Gruppe engagierter Bürger aus Höflein an der Donau, die mit einer ehemaligen Mitarbeiterin ein ähnliches Modell verwirklicht hat, ist das ein Sonderfall geblieben. Gab es Anfangs noch ziemlich viel Nachfrage, wofür wir auch ein kleines Büchlein veröffentlich haben, praktisch einen Leitfaden, flachen die Nachfragen nach Co-working mittlerweile ab“, so Spiegl. „Kinder haben Einfluss auf die Architektur“ Hat der Architekt vor fünf Jahren auf die Frage nach seinem Lieblingsprojekt noch spontan „Turn On“ genannt, so klingt das heute ganz anders: „Mein persönliches Lieblingsprojekt sind meine Kinder, ich bin Vater von zweien geworden, die sind mir einfach wichtig. Das hat auch Einfluss auf die Arbeit, auf die Architektur, genauso wie die Architektur Einfluss auf die Menschen hat. Dafür schaffen wir physische Räume statt digitalen Rückzug. Die Stiege mit Bassena ist in diesem Zusammenhang wichtig“.
Nach dem zweiten Kind habe er überlegt, ob sich die drei Dinge unter einen Hut bringen ließen: Die Familie, das Büro und die TU, an der Spiegl viereinhalb Wochenstunden „Wohnbau-Studio“ unterrichtet hatte. „Ich bin bei Büro und Familie geblieben und habe die TU aufs Eis gelegt und damit eine mögliche akademische Karriere unterbrochen“. Das meiste Kopfzerbrechen hat Herwig Spiegl übrigens das ehemals größte Projekt bereitet, der Neubau des Funke Media Office in Essen, bei dem AWG Generalplaner war. Ganz anders hingegen sei das Arbeitsklima beim Doppelmayer-Neubau „Hohe Brücke“ gewesen, da habe es nämlich physische Bauherren gegeben. Bildungsbauten haben sich heuer noch keine neu ergeben, in der Vergangenheit gibt es eine ganze Reihe davon, „aber es stehen in diesem Jahr noch drei Wettbewerbe zur Auswahl“, sagt Spiegl.
Sehr intensiv drinnen im BIM
„In BIM sind wir sehr intensiv drinnen und versuchen, nicht nur Passagiere zu sein, sondern auch ein bisschen Steuermann“, führt der Architekt zum Spitzenthema vieler Planer aus. „Wir haben einen BIM-Manager in unterschiedlichen Arbeitskreisen zur Standard-Festlegung. Es ist eine aufwändige Sache, ein Projekt in BIM umzusetzen und es gibt einen gewissen Trend, dreidimensional zu arbeiten. BIM bringt natürlich auch Vorteile für den Bauherrn und ist hilfreich im Facility Management“. Momentan sei es aber noch schwer, das Gegenüber von den Vorteilen zu überzeugen. „Wir versuchen auch, andere Fachplaner mit ins Boot zu holen, bekommen dann aber manchmal die Antwort, vor allem von HKLS-Planern, ‚da muss ich aber sehr früh anfangen, nachzudenken‘, nämlich schon in der Vorplanung“. BIM brauche den Input eines Jeden und könne die Selbstwahrnehmung jedes Akteurs stärken. „Unterm Strich führt BIM zu neuen, überraschenden Lösungen, die alle begeistern“, fasst AWG-Mitbegründer Architekt Herwig Spiegl zusammen. Er selbst hat im Studium noch mit Tusche gezeichnet.