Lobbyist der Solarthermie
Roger Hackstock leitet seit 20 Jahren die Geschicke des Verbandes Austria Solar. Er kämpft seit vielen Jahren mit Rückgängen und ist dennoch magnetisiert von der Kraft der Sonne.
Die Solarthermie hat in Österreich eine große Vergangenheit und liegt bei der Pro-Kopf-Kollektorleistung weltweit im Spitzenfeld. Ein Mann, der maßgeblich dazu beigetragen hat, ist Roger Hackstock. Er feiert heuer sein 20. Jubiläum als Geschäftsführer von Austria Solar und ist seit 2002 mit einer dreijährigen Pause bis heute in der Funktion tätig.
Hackstock war davor in der Österreichischen Energieagentur AEA tätig. Anfang der 2000er Jahre herrschte Aufbruchstimmung, das Umweltministerium hatte die Initiative klimaaktiv gestartet und Austria Solar organisierte das größte Programm darin, das Technologieprogramm klimaaktiv Solarwärme. Das lief von 2004 bis 2009 mit einem Budget von 3,5 Mio. Euro. Damit wurden 170.000 Broschüren verteilt, unzählige Beratungs-Events organisiert und rund 500 Installateur:innen zu Solaranlagen geschult. Das Ergebnis des Ganzen war eine Marktverdopplung von 180.000 auf 356.000 m². Damit war 2009 das stärkste Jahr in der Geschichte der Solarwärme in Österreich. Danach kam die PV, die inzwischen auch von der Mehrzahl der Mitglieder des Verbands vertrieben wird. Warum Hackstock dennoch an eine Zukunft der Solarthermie glaubt und weshalb er auf die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie hofft, lesen Sie im building TIMES-Exklusivinterview.
Interview: Roger Hackstock
Building Times: 2009 war das stärkste Jahr in der Geschichte der Solarthermie. Damals wurden 356.000 m² Kollektorfläche verbaut. Wo liegt man heute?
Roger Hackstock: Derzeit liegen wir bei weniger als einem Fünftel dieser Menge. Wir haben etwa 85 Prozent des Marktes verloren. Noch sind die offiziellen Zahlen des Vorjahres nicht veröffentlicht, wir landen aber voraussichtlich bei unter 50.000 m².
Building Times: Seit geraumer Zeit werden vermehrt Großanlagen installiert. Gibt es in diesem Bereich noch Zuwächse?
Roger Hackstock: Ja, die Großanlagen können die vielen tausenden Kleinanlagen der Vergangenheit mengenmäßig aber nicht kompensieren. Die Großanlagen sind ein ganz anderes Geschäftsfeld mit viel längeren Vorlaufzeiten. Mit dem vom Klimafonds aufgelegten 45-Millionen-Förderprogramm haben wir es aber geschafft viel größere Projekte auf Schiene zu bringen.
Building Times: Wie groß sind diese kommenden Anlagen?
Roger Hackstock: Die sind bis zu vierzigmal größer als die Großanlagen der Vergangenheit und allein vier aktuell bewilligte Anlagen umfassen rund 80.000 m² Kollektorfläche. Das ist ein Quantensprung, diese vier Anlagen haben alle eine Förderzusage und haben jetzt 18 Monate Zeit für die Umsetzung. Die Vorentscheidungen dazu laufen.
Building Times: Das sind Fernwärmeprojekte, oder?
Roger Hackstock: Es sind drei Firmenprojekte und ein Fernwärmeprojekt. Die Fernwärme Eisenstadt hat entschieden 45.000 m² Kollektorfläche und 50.000 Kubikmeter Speicher zu bauen. Die Holding der Linz Textil errichtet zwei Anlagen, eine in Linz und eine im Südburgenland, in beiden Fällen mit PVT-Kollektoren, das werden die weltgrößten Projekte mit dieser Technologie. Das heißt, die erzeugen künftig Warmwasser und Strom in einem Kollektor. Ein weiteres Projekt ist in Pöchlarn, das sind alles Megawatt-Anlagen, die im Verbund eines Gesamtkonzeptes entstehen.
Building Times: Warum entstehen jetzt so große Anlagen?
Roger Hackstock: Das hängt unmittelbar mit dem letzten Großanlagen-Förderprogramm des Klimafonds zusammen, bei dem es kein Größenlimit mehr gab. Das hat einen immensen Schub bewirkt.
Building Times: Das Förderbudget von 45 Millionen wurde dennoch nicht zur Gänze abgeholt. Woran krankt es?
Roger Hackstock: Rund 33 Millionen wurden abgerufen. Um die volle Fördersumme abzuholen, ist das Programm zu kurz gelaufen. Es war auf drei Jahre angelegt, es hat aber über ein halbes Jahr gedauert, bis es endlich gestartet wurde, das hat die Laufzeit dann verkürzt.
Building Times: Wie hoch ist der Förderanteil bei diesen Großprojekten?
Roger Hackstock: Der liegt bei 30 bis 35 Prozent der Investition.
Building Times: Im Windschatten der neuen Kesseltauschförderung erhalten Kleinkund:innen auch eine Solarförderung. Beginnt die schon zu wirken?
Roger Hackstock: Den Solarbonus gibt es seit nunmehr zwei Jahren und er wurde bislang so gut wie nicht angenommen. Nicht einmal zwei Prozent der Kesseltausche mit Raus-aus-Öl und Gasförderung haben den Solarbonus abgerufen.
Building Times: Installateur:innen und Industrie verkaufen die Kombi Wärmepumpe und PV mit Leichtigkeit. Warum gelingt das nicht mehr mit der Solarthermie?
Roger Hackstock: Grund dafür ist die Photovoltaik, wo China den Markt übernommen hat und zu Dumpingpreisen anbietet. Da kann die europäische Solarthermie preislich einfach nicht mithalten. Dazu kommt, dass die PV einfacher zu installieren ist.
Building Times: In der Photovoltaik sind in den letzten Jahren die Preise enorm gesunken, in der Solarthermie kaum. Warum kosten die Kollektoren aus abgeschriebenen Anlagen immer noch so viel?
Roger Hackstock: Der Grund ist, dass die Solarthermie, wie alle anderen Wirtschaftszweige, wegen der Inflation höhere Löhne zahlen muss, andererseits sind auch die Materialien, wie Kupfer, Alubleche und Glas im Einkauf deutlich teurer geworden. Währenddessen hat China die Preise für die PV gesenkt.
Building Times: Das waren die letzten paar Jahre, davor hat sich in der Solarthermie aber auch nichts nach unten bewegt.
Roger Hackstock: Das ist richtig, in der Solarthermie wurde der Weg in Preis- und Kostensenkung nicht so stark gegangen, wie in der PV, warum auch immer.
Building Times: Hat die Solarthermie die Vereinfachung und Digitalisierung verschlafen?
Roger Hackstock: Möglicherweise. Wir diskutieren mit der Branche seit rund 15 Jahren sogenannte Plug and Play-Anlagen, die es braucht, um schneller und kostengünstiger in den Markt zu kommen. Und wir reden seit vielen Jahren über die Digitalisierung, um mit der PV mithalten zu können, wo Apps und Fernabfrage zum Alltag gehören. 2018 gab es gemeinsam mit dem deutschen Solarverband eine Digitalisierungsinitiative. Die Erfolge blieben leider aus. Vielleicht braucht es dafür einen Impuls von außen.
Building Times: Hat es die Hersteller nicht gejuckt, solche Dinge zu entwickeln?
Roger Hackstock: Man hat die Notwendigkeit offenbar nicht gesehen oder erkannt. Ein Verband kann Innovationen nur anstoßen, umsetzen müssen es die Unternehmen. Dazu muss man aber auch sagen, dass Innovationen oft von außerhalb der Branche kommen. Das zeigt sich bei den aktuellen Großanlagen, die von Projektentwickler:innen gemacht werden, die gar nicht aus der Solarthermie kommen, aber die Gesamtkonzepte entwickeln, die Industrie und Fernwärme brauchen. Das geht immer über die reine Solarthermie hinaus.
Building Times: Das heißt, diese Projektentwickler:innen bringen Innovationen?
Roger Hackstock: Ja, das sind mitunter Akteur:innen, die sich früher mit ganz anderen Dingen beschäftigt haben, wie der Projektentwickler Heinz Peter Stoessel. Auch Planer:innen aus der Haustechnik, wie etwa das Büro Kuster, haben deutliche Akzente gesetzt. Und auch der Vorarlberger HKLS-Großhändler Inhaus hat eine eigene innovative Planungsabteilung.
Building Times: Wie hat sich die Zahl der Hersteller verändert?
Roger Hackstock: Die reinen Solarthermie-Hersteller sind weniger geworden. Praktisch alle haben nun auch PV im Programm.
Building Times: Wer fertigt hierzulande die Hybridkollektoren?
Roger Hackstock: In Österreich fertigt unser Mitglied Gasokol für 3F Solar. Und in Vorarlberg gibt es noch die Firma Solator, der Rest kommt von Anbietern aus dem Ausland, zum Beispiel von unserem Mitglied Sunmaxx aus Sachsen.
Building Times: Wie kann die Zukunft der Solarthermie aussehen?
Roger Hackstock: Maßgeblich wird die neue Europäische Gebäuderichtlinie, die eine Pflicht für PV oder Solarthermie vorsieht. Die Steiermark ist bislang das einzige Bundesland, in dem eine solche Pflicht für den Neubau verankert ist. Bis Ende 2026 müssen auch alle anderen Bundesländer hier handeln.
Building Times: Gibt es Länder in Europa, in denen die Solarthermie noch brummt?
Roger Hackstock: Deutliche Zuwächse gab es 2023 in Griechenland, auch Frankreich wächst moderat, alle anderen schreiben wie wir in Österreich ein Minus bei den Installationen.
Building Times: Was wünschen Sie sich von der Politik?
Roger Hackstock: Umsicht, denn wir werden es beim Strom vermutlich schaffen 2030 bilanziell auf Erneuerbare umzusteigen. Und wir werden dann erstaunt feststellen, dass wir immer noch extrem abhängig sein werden von fossilen Brennstoffen, weil die Sektoren Wärme und Verkehr außer Acht gelassen werden. Mein Appell ist daher eine Solaroffensive für den Wärmebereich, denn die Technologie nimmt Stress aus dem System der Brennstoffbereitstellung.
Building Times: Dazu bräuchte es aber vermutlich große Speicher?
Roger Hackstock: Ja, das wird kommen, wie das Beispiel Eisenstadt zeigt. Auch bei Big Solar in Graz gibt es Fortschritte, da sind wir nah an der Realisierung in den nächsten Jahren.