Der Professor im Westen
Fast ein Viertel-Jahrhundert ist das Architekturbüro von Carlo Baumschlager heuer alt und mit sechs Standorten in Österreich, der Schweiz und Deutschland mit seiner regionalen Struktur sehr erfolgreich.
Die Vorgeschichte des heutigen Architekturbüros Baumschlager Hutter Partners reicht bis ins Jahr 1985 zurück, als Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle in Lustenau das Architekturbüro Baumschlager Eberle gegründet haben. „Dann aber haben sich die Dinge auseinanderentwickelt und ich habe 2010 zusammen mit meinem Schweizer Kollegen Jesco Hutter, Miriam Seiler und Oliver Baldauf die heutige Architekturfirma Baumschlager Hutter Partners gegründet“, erläutert der 68-jährige Baumschlager die weitere Entwicklung.
Die genannten Vier sind auch die Gesellschafter von Baumschlager Hutter Partners mit durchgerechnet jeweils 40,86 Prozent für Baumschlager und Hutter sowie je 9,14 Prozent für Baldauf und Seiler, betrieben werden sechs Standorte in Österreich, Dornbirn und Wien, der Schweiz – Heerbrugg, St. Gallen und Zürich – sowie München in Deutschland.
Dornbirn und Heerbrugg
Zentren der wirtschaftlichen Aktivitäten sind der Baumschlager-Standort Dornbirn und der Hutter-Standort in Heerbrugg. „Wir haben aber eine gemeinsame Gesellschafter-Versammlung, eine gemeinsame Buchhaltung und die wirtschaftliche Lenkung liegt in Dornbirn“ sagt Baumschlager gegenüber Building Times. Er und Hutter sind auch Geschäftsführer der Architektur-Firma.
Rund 75 bis 80 Mitarbeitende werden beschäftigt, sagt der Professor, der erst im Vorjahr an der Akademie der Bildenden Künste in München emeritiert ist, unter anderem auch an der Syracuse University in Stuttgart gelehrt hat und als Mitglied der Architektenkammern von Österreich, Bayern, Deutschland, Liechtenstein, der Tschechischen Republik sowie Luxemburgs bestens vernetzt ist. Er bezeichnet das Geschlechter-Verhältnis als „Halbe-Halbe“ mit „eher mehr Männer in der Schweiz und eher mehr Frauen in Österreich aus verschiedenen Ländern, neben Österreich, der Schweiz und Deutschland etwa auch aus Georgien, dem Iran, Frankreich und Bolivien“.
Arbeitsmäßig sei die geographische Schwerpunkt-Lage ganz lokal: „In der Schweiz ist es vor allem die Ostschweiz, von München aus wird Bayern bearbeitet, von Dornbirn aus die weitere Umgebung und von Wien aus Ostösterreich und Prag, wo wir einen Wettbewerb laufen haben und akquirieren“, so Baumschlager.
„Eigentlich voll ausgelastet“
Natürlich hätten sie das Vorjahr gespürt, das an vielen Architekturbüros ja nicht spurlos vorübergegangen ist. „Speziell im Wohnbau, da waren wir sehr stark. Wir beschäftigen uns aber auch mit anderen Wohnformen, etwa mit einem neuen Verhältnis zwischen der Person und den Quadratmetern“.
Die allgemeine Wohnbau-Schwäche hat sich auch im Umsatz von acht Millionen Euro niedergeschlagen, für heuer jedoch rechnen Baumschlager Hutter Partners mit rund zehn Millionen Euro Umsatz, was einen recht hohen Pro-Kopf-Umsatz bedeutet. Das einerseits auch dadurch, „dass in der Schweiz Architektur-Aufträge lukrativer sind als sonst wo, zum anderen durch Wettbewerbs-Gewinne für Siemens und solche für zwei Schulen und zuguterletzt dadurch, dass die Prozesse in Deutschland langfristiger laufen und Projekte daher erst jetzt drankommen“. Das Fazit: „Wir sind eigentlich voll ausgelastet Wir beurteilen die Auslastung nach unterschriebenen Verträgen“ schickt der vorsichtige Alemanne voraus, wenn er auf die nähere Zukunft angesprochen wird. „Wir machen eine Drei-Jahres-Planung und der zufolge sind wir aktuell sehr gut unterwegs, im kommenden Jahr auch gut, während 2026 komplizierter wird“. Architekten-Wettbewerbe spielten eine erhebliche Rolle – „das ist bei allen Architekturbüros so“ – aber früher habe es mehr Direktaufträge gegeben“.
Holzbau spielt große Rolle
Ein paar Wohnbauten seien im Fertigwerden, genauso wie die Antonio-Huber-Schule im bayerischen Lindenberg, „ein lichtdurchfluteter Neubau in Holzbauweise mit großzügigen überdachten Außenbereichen“, wie es in der Baubeschreibung heißt und weiter: „Der Neubau begegnet dem Bestand respektvoll und lässt diesem die notwendigen Freiräume“.
Die hier eingesetzte Holzbauweise wird auch vom Holzbau-Programm des Freistaates Bayern unterstützt, genauso wie eine große Schule in der Münchener Auenstraße, von der das Büro keine Details nennt, weil es erst in Planung sei. Immerhin bezeichnet sie Baumschlager als „eines seiner liebsten Projekte, das zeigt, wo es hingehen könnte“.
Der Tageszeitung „taz“ zufolge ist in der Auenstraße ein Haus für Kinder mit drei Krippen- und vier Kindergruppen geplant, in den Obergeschoßen sind Wohnungen vorgesehen. Zwischen diesem Gebäude und der denkmalgeschützten Schule ist ein Erweiterungsbau für die bestehende Mittelschule mit zwei Einfach-Sporthallen, Fachlehrsälen, Räumen für die Sing- und Musikschule und einer Mensa vorgesehen.
„Sehr am Herzen“ liegt dem Architekten auch das Bürogebäude der Baufirma Winsauer in Dornbirn, denn das könne sogar Energie verkaufen. Möglich werde das durch einen auf einem quadratischen Grundriss von 25m x 25m stehenden „kristallinen Baukörper, der sich markant von seiner baulichen Umgebung abhebt. Die opaken Glasflächen sind als PV-Module ausgebildet, wobei diese für den Betrachter nicht als solche zu erkennen sind. Sichtbar bleibt lediglich eine hochwertige Fläche aus weißen Architekturglas, welches sich als homogenes Fassadenmaterial ideal in die Gebäudehülle integrieren lässt. „Die Belegung von Fassade und Dach sorgt für ein nachhaltiges und energetisch autarkes Gebäude“, so wird es beschrieben.
Projektsteuerer, Sonderplaner, etc.
Was sich seit seinem Einstieg in die Selbstständigkeit vor 39 Jahren in der Architektur geändert habe? „Ein wesentlicher Punkt, der mich immer wieder beschäftigt, ist die Wertschätzung der Architektur. Da sind so viele Projektsteuerer und verschiedene Sonderplaner:innen und Berater:innen dazugekommen, wodurch die gesamte Wertschöpfungskette halbiert wurde – da hätte man sich als Architekt besser vorbereiten können“, bedauert der Professor.
In der Gebäudetechnik hätten sich die Dinge stark weiterentwickelt, vor allem in der Nachhaltigkeit und beim Energiesparen. „Das hat uns von Anfang an beschäftigt: All die Fragen, wo die Energie herkommt, Photovoltaik an den Fassaden, usw.“ Fachplaner:innen seien meist lokal gebunden und wechselten, „sonst richten wir uns nach den Ausschreibungen. Wir arbeiten mit verschiedenen Planer:innen daran, bei den Auftraggeber:innen maximal nachhaltig zu sein“.
Geplant habe er hunderte Objekte, „gebaut davon wurden vielleicht zehn Prozent“, sagt Baumschlager. Die Homepage berichtet von „über 300 realisierten Objekten: Wohnbauten, Infrastrukturgebäude, Krankenhäuser, Projekte für die Hotellerie und Gastronomie sowie Büro- und Gewerbebauten“. Manche von ihnen, wie etwa das Tüwi für die Wiener Boku, wurden mit Preisen ausgezeichnet.
Verdichtung und Nachverdichtung
In der Verdichtung und insbesondere in der Nachverdichtung sehen die Architekten von Baumschlager Hutter Partners „das derzeit wichtigste Thema aktueller Bauaufgaben und genau dort auch die größten Entwicklungsmöglichkeiten für Städtebau und Architektur. Wir beschäftigen uns mit der Frage nach der baukulturellen Qualität im direkten Zusammenhang mit den vorhandenen ökonomischen Zwängen“.
„In unserem Büro treffen mehrere Generationen von Architektinnen und Architekten aufeinander – langjährige Erfahrung trifft auf frische Innovationskraft; bei allen ist viel Neugierde und Leidenschaft dabei. Im Miteinander aller Beteiligten sind wir die Ideengeber mit Erfahrung und großer Freude am Tun – Zusammenkommen ist der Anfang, Zusammenarbeiten der Erfolg“, heißt es in der Selbstbeschreibung.
No-Gos, also Bauten, die das Büro nicht planen möchte, was für manche Architekt:innen beispielsweise Gefängnisse sind oder Bauten für rechte Parteien, sind für Baumschlager „psychologischer Natur. Alles, was wir für Menschen planen, ist gut. Aber niemals für rechtsradikale Parteien und auch nicht für Bauherr:innen, die uns weniger lieb sind“.
Baumschlagers Credo: „Als Architekten sind wir der Gesellschaft gegenüber verantwortlich für die Umwelt des Gebauten und die Räume dazwischen. Das macht die Bedeutung unseres Berufes aus“. Ob er mit 68 Jahren und damit deutlich über der Hälfte seiner Lebenserwartung ans Aufhören denke? „Ich denke manchmal darüber nach, aber mir macht der Beruf so viel Spaß, dass das nicht schnell schlagend werden wird“, schmunzelt der Architektur-Altmeister. Wenn er nicht in Architektur denkt, „betreibe ich Sport, soweit die Zeit dazu bleibt, ich lese sehr viel und interessiere mich sehr für Kunst – ich war ja immer sehr nah dran“.