Nachhaltig, aber brandgefährlich?

PV-Anlagen dienen der Energiewende, grüne Fassaden reduzieren die Hitze. Jetzt wurden die OIB-Brandschutz-Richtlinien für Gebäudebegrünungen und PV-Anlagen erstmals erweitert. Die Praxis weist noch große Fragezeichen auf: Den größten Mangel sieht der österreichische Bundesfeuerwehrverband weniger in den Vorschriften, als in ihrer Umsetzung und Kontrolle.PV-Anlagen dienen der Energiewende, grüne Fassaden reduzieren die Hitze. Jetzt wurden die OIB-Brandschutz-Richtlinien für Gebäudebegrünungen und PV-Anlagen erstmals erweitert. Die Praxis weist noch große Fragezeichen auf: Den größten Mangel sieht der österreichische Bundesfeuerwehrverband weniger in den Vorschriften, als in ihrer Umsetzung und Kontrolle.

Erneuerbare Energien und nachhaltiges Bauen, um die Energiewende herbeizuführen, sind Top-Themen in der Baubranche. Spannend ist, dass es bis dato in den OIB-Richtlinien noch keine Vorgaben für den Brandschutz gab. „Zwar gab es Richtlinien in den einzelnen Bundesländern aber nichts, was in ganz Österreich gesetzlich verbindlich ist“, sagt Martin Mittnecker, Referatsleiter im Österreichischen Bundesfeuerwehrverband für vorbeugenden Brand- und Katastrophenschutz. Das hat sich nun geändert: Mit der Neuauflage der OIB Richtlinien wurden jetzt auch die Richtlinien für den Brandschutz in puncto PV und Begrünung an den Dächern und Fassaden erweitert.

Warum die Notwendigkeit dafür schon brennende Dringlichkeit hatte, zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre im breiten Feld der Energieeffizienz und des nachhaltigen Bauens. „Vor allem seit die Vollwärmeschutzfassaden in ihrer Dicke zugenommen haben, haben auch die Brandüberschläge auf die Fassaden deutlich zugenommen“, berichtet der Bautechniker und Brandschutzexperte Mittnecker aus seiner jahrelangen Praxis. „Zum wirklichen Thema wurde dies, seit mehr als zehn Zentimeter EPS Dämmstoff, der bekanntlich aus Öl besteht, zum Einsatz kommen.“ Das Problem: Wenn Baufirmen unzählige Sub-Firmen beauftragen, ist es gang und gäbe, dass Vorschriften zwar Vorschriften sind – was aber nicht bedeutet, dass diese auch immer eingehalten werden. „Während die gespachtelte Deckschicht auf der EPS-Platte mindestens drei Millimeter dick sein muss, sehen wir bei Fassadenbränden vor Ort sehr oft, dass die Platte durchscheint“, sagt Mittnecker.

Wie sicher werden Fassaden-
begrünungen auch in Zukunft sein?
Als nächste Herausforderung nach den Vollwärmeschutzfassaden sah Mittnecker schon des Längeren die Dach- und Fassadenbegrünung heranwachsen. Die Krux: Formal gilt die Bepflanzung an den Hauswänden nicht als Bauprodukt. Nur an Bauprodukte aber gäbe es spezielle Anforderungen, die sie bei ihrem Brandverhalten auch erfüllen müssen. „Bei den Versuchen, die in Österreich mit Fassadenbegrünung gemacht wurden, kamen ausschließlich junge und frische Pflanzen zum Einsatz“, sagt Mittnecker, „Die Ergebnisse waren akzeptabel, doch zu bedenken ist, dass diese Pflanzen auch vertrocknen können. Wenn sie älter werden, können sie verholzen – und dass Holz schnell brennt, ist bekannt.“
Die Gefahr der Vertrocknung bestehe insbesondere dann, wenn die automatischen Bewässerungssysteme einmal für mehrere Tage ausfallen und die Hausverwaltungen hier nicht sofort Abhilfe schaffen würden, sagt Mittnecker und gibt zu bedenken, dass bei manchen Hausverwaltungen auch kaputte Aufzüge erst nach einer Woche wieder in Fahrt gebracht würden. Kurz gesagt bedeutet das: Fassadenbegrünungen müssen auch grün gehalten werden, damit sie sicher bleiben. „Inwieweit sich die Versuchsergebnisse also in der Praxis bestätigen, werden wir erst in den nächsten Jahren der Erfahrung sehen“, sagt Mittnecker.

„Hinsichtlich begrünter Fassaden werden allgemeine Anforderungen an Fassadenbegrünungen wie z.B. bodengebundene Begrünungen mit oder ohne Kletterhilfe, wandgebundene Begrünungen als flächige, punktuelle oder lineare Systeme unabhängig von der Gebäudeklasse gestellt“, sagt Wolfgang Thoma, Referatsleiter am Österreichischen Institut für Bautechnik. Für die verwendeten Pflanzen kann zwar kein Brandverhalten bestimmt werden, jedoch dürften negativ phototrope Pflanzen wie z.B. Efeu, Kletterhortensie, einige Klettertrompeten, Wilder Wein und Wilder Mauerwein, nicht unmittelbar auf einem Wärmedämmverbundsystem angebracht werden: „Diese Pflanzen können die für das Funktionieren des Wärmedämmverbundsystems erforderliche Deckschicht schädigen“, sagt Thoma.

Bei Fassadenbegrünungen an Gebäuden der Gebäudeklasse 1 bis 3 werden in den neuen OIB-Richtlinien lediglich Anforderungen an das Brandverhalten der Bestandteile gestellt, die nicht pflanzlich sind. „Darüber hinausgehende Anforderungen werden bei Gebäuden bis zur Gebäudeklasse 3 nicht definiert, da bis zur Gebäudeklasse 3 auch Holzfassaden uneingeschränkt zulässig sind“, sagt Thoma. Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 sind jedoch nicht nur Anforderungen an das Brandverhalten von Materialien erforderlich, vielmehr müssen auch Maßnahmen getroffen werden, welche eine Brandweiterleitung, die über die Dachbegrünung entstehen könnte, einschränken.

Qualität vor Billig-Produkt:
Standards schaffen Sicherheit
Neben den begrünten Dächern und Fassaden beschäftigen auch PV-Anlagen die Brandschutz-Experten. Mit der steigenden Akzeptanz und erhöhten Nachfrage nach Solaranlagen verlangt die Technologie unbedingt eine weltweit einheitliche Sprache – und das betrifft nicht nur den Betrieb an sich, sondern eben auch den Brandschutz. An diesem Punkt kommen Standards ins Spiel: „Standards vereinen geballtes Wissen aus der Praxis für die Praxis“, sagt Valerie Höllinger, CEO bei Austrian Standards. Standards legen auch Mindestanforderungen für die Planung, Installation, Inbetriebnahme, Wartung, Überwachung und den Brandschutz von Solaranlagen fest. „Konkret geht es dabei etwa um Fragen von Kurzschlüssen oder um andere elektrische Gefahren. Aber auch Sicherheitsvorschriften und -maßnahmen, um Brandgefahren zu minimieren, werden in Standards definiert“, so Höllinger.
So weit, so wichtig, doch die Praxis zeigt auch hier oft andere Probleme: Gerade bei PV-Anlagen würden insbesondere Privatpersonen gerne zu den billigsten Produkten greifen. Es macht eben einen Unterschied, ob man 15.000 oder 20.000 Euro für die Energiegewinnungsanlage berappt. „Wenn man dann diese billigen Anlagen sieht, merkt man schnell, dass diese nicht immer normgerecht ausgeführt wurden“, sagt Brandschutz-Experte Mittnecker vom Österreichischen Bundesfeuerwehrverband.

Wer hält sich an die Vorschrift?
Worum es bei den Solaranlagen brandtechnisch vor allem geht: Bei Wechselstromtechnologien sorgen immer Schutzmaßnahmen wie etwa Sicherungen für entsprechende Sicherheit. Bei Solaranlagen, die aber nicht mit Wechselstrom, sondern mit Gleichstrom funktionieren, gibt es diese zwischengeschalteten Sicherungen nicht, denn die Isolierung besteht aus Kunststoff, der sich direkt auf dem Modul befindet. „Wenn es einmal brennt, schmilzt diese Schicht in der Hitze schneller weg als man zusehen kann und die Isolierung ist Geschichte“, sagt Mittnecker, „Wenn Einsatzkräfte dann in Kontakt mit den unisolierten Leitungen kommen, sind sie tot.“

Mindestabstände schaffen Sicherheit
In den Vorschriften gibt es mehrere Möglichkeiten, dies abzusichern: So soll laut den neuen OIB-Richtlinien etwa der Abstand von drei Metern von Photovoltaik-Modulen zu Dachausstiegen, die als Zugang für die Feuerwehr herangezogen werden, als Vorbereitungsfläche für die Durchführung eines Löschangriffes dienen.

Um eine wirksame Brandbekämpfung von brennenden Photovoltaik-Modulen noch zu ermöglichen, dürfen Photovoltaik-Modulfelder laut der neuen OIB-Richtlinien nun eine bestimmte Längsausdehnung nicht überschreiten. „Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 sind bei PV-Anlagen an Fassaden nicht nur Anforderungen an das Brandverhalten von Materialien erforderlich, sondern es sind auch Maßnahmen zur wirksamen Einschränkung einer Brandweiterleitung über die Fassade zu treffen, die durch die Photovoltaik-Anlage entstehen können“, sagt OIB-Experte Wolfgang Thoma, „Insbesondere sind Maßnahmen bei Entstehen eines Hinterlüftungsspalts durch die Photovoltaik-Module erforderlich.“
Eine weitere Möglichkeit der Absicherung von PV-Anlagen ist, dass Gleichstromleitungen nicht in Kunststoffrohren, sondern in metallisch geschlossenen, beidseitig geerdeten Rohren geführt werden. „Laut Gesetz braucht man bis zu einer gewissen Größe der Anlage keine Genehmigung“, sagt Mittnecker, „Manche – nicht alle – Montagefirmen verwechseln dann ‚nicht genehmigungspflichtig‘ damit, dass die Einhaltung der Vorschriften nicht notwendig sei.“

Wer kontrolliert „Balkonkraftwerke“?
Grundsätzlich müsse jeder Produkthersteller sein Produkt nach den Produktnormen bauen und prüfen, erinnert Christian Gabriel, Leiter OVE Standardization. „Das gilt selbstverständlich auch für Mini-PV-Anlagen, die sogenannten ‚Balkonkraftwerke‘: Hier spricht man von ‚rechtmäßigem Inverkehrbringen‘.“ Unter anderem müssen Hersteller eine Bedienungs-und Montageanleitung mitliefern. Zusätzlich muss jeder, der eine PV-Anlage plant und errichtet, wissen, wo und wie er diese installieren kann und darf. „Wer eine PV-Anlage plant und errichtet, sollte in jedem Fall eine Elektrofachkraft einbeziehen. Diese wird sich mit den baulichen Gegebenheiten vor Ort auseinandersetzen, entsprechende Betriebsmittel auswählen und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen für den Brandschutz treffen, wie sie in der OVE E 8101 geregelt sind“, sagt Christian Gabriel weiter. Bei den neuen Balkonkraftwerken ist es erlaubt, zwei Module ganz einfach und unkompliziert anzuschließen. Dies sei ein Graubereich mit Verbesserungspotenzial: „Was machen Sie, wenn jemand einfach fünf bis sieben dieser Module zusammenschaltet?“, gibt Mittnecker zu bedenken.

Dächer entflammen
schneller unter PV-Anlage
Wackelig wird es in der Praxis häufig auch, wenn es um die neue Gesamtlast geht, die durch PV-Anlagen auf bestehenden Dächern entsteht. So gab es in der Schweiz ein Projekt, bei dem das Dach einer Tiefgarage begrünt wurde, aber die Pflanzen nicht wuchsen. Also schüttete man etwas Erde auf, um Gras neu aufzusäen. Dadurch kam es zu einem Brand: Das Gebäude stürzte ein und sechs Feuerwehrmänner kamen ums Leben. „Diese drei Zentimeter Erde waren, in Summe auf der Gesamtfläche, einfach zu viel“, sagt Mittnecker.

Als weiterer Gefahrenherd gilt auch die Dachhaut unter der Solaranlage: Wenn man eine PV-Anlage aufbringt, wird das Brandverhalten der darunter liegenden Fläche maßgeblich verändert. Zudem kommt, dass die Rückseite der PV-Anlagen aus Kunststoff sind und sehr rasch entflammen. Die neuen OIB-Richtlinien sehen neue Auflagen bezüglich der Abstände vor und auch, an welchen Stellen die PV-Module angebracht werden dürfen und wo nicht. Ebenso wurde festgelegt, dass die Trennungen der Dämmstoffe nicht überbaut werden dürfen. „Auch hier kommt es in der Praxis häufig vor, dass diese Vorgaben einfach nicht eingehalten werden“, sagt Mittnecker.

Der Brandschutzexperte gibt zu bedenken, dass neue Technologien mit allen ihren Vorteilen immer auch neue Risken mit sich bringen. „Generell lässt sich sagen, dass die meisten Brände dadurch zustande kommen, dass Vorschriften nicht eingehalten werden“, sagt Mittnecker, „Hier brauchen wir mehr Kontrolle und härtere Konsequenzen, um die lückenlose Umsetzung auch durchzubringen.“