Partielle Erdung

Zur geplanten Verkabelung des mitten in der Sanierung steckenden Parlamentsgebäudes meint ein Sachverständiger und Normensetzer, dass diese „im Gegensatz zu geltendem Recht steht“. Die BIG widerspricht.

Kabel sind oft keine große Sache. Wenn sie im Parlament verlegt werden, aber schon. Schon Ende 2017 habe er die damalige Parlamentspräsidentin Elisabeth Köstinger schriftlich darauf hingewiesen, dass die geplante Verkabelung des Parlamentsgebäudes rechtlich so nicht gehen werde, berichtet Gerhard Lagler. Er ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und war an der Normensetzung für Elektrotechnik führend beteiligt. Kernpunkt der Diskussionen ist die geschirmte Verkabelung samt Potentialausgleich. Die Elektrotechnik sei viermal ausgeschrieben und drei Mal aufgehoben worden, bis endlich durch eine Reduktion der Mengen das „Wunschresultat“ erreicht worden sei, berichtet Lagler. Der Zuschlag ging an die Bietergemeinschaft aus Elin, EMC, EAG und Czernohorszky, wobei Letzterer die Verkabelung ausführt.

Auftraggeber ist die BIG, deren Sprecher Ernst Eichinger Stellung nimmt: „Generell ist festzuhalten, dass etwa 90 Prozent sämtlicher Installationen in Europa in geschirmten Systemen hergestellt werden. Die (von Lagler, Anm.) zitierte ÖVE/ÖNorm E8014 Normenreihe bezieht sich grundsätzlich auf die Errichtung von Erdungsanlagen in Neubauten. In einem historischen Gebäude wie dem Parlament sind daher nicht sämtliche Maßnahmen umsetzbar. Es wird jedoch eine bestmögliche Ertüchtigung der Erdungsanlage angestrebt und auch umgesetzt“, berichtet der BIG-Sprecher. In einem Bestandsgebäude wie dem Parlament könne kein vollflächiges Maschennetz aus Potentialausgleichsleitern flächendeckend in jedem Stockwerk realisiert werden, so die BIG. Sehr wohl seien jedoch in neu errichteten Stahlbetondecken sowie dem Kollektor Potentialausgleichsleiter geplant und würden auch umgesetzt. „Zusätzlich erfolgt eine Ertüchtigung des Erdungsnetzes. Hinsichtlich des Potentialausgleichsystems sind in jedem Technikraum Potentialausgleichschienen vorgesehen, welche über Potentialausgleichleiter direkt mit der Erdung verbunden sind“, so die BIG. Weiters sind grundsätzliche Anforderungen an die Ausführung geschirmter Systeme gemäß ÖVE/ÖNorm 50173-1 u. 2 wie die Einbindung der Schirmanschlüsse an sämtlichen Anschlusspunkten an den Potentialausgleich berücksichtigt und werden umgesetzt“, so die BIG.

Der Consulter Gerhard Lagler gibt sich damit nicht zufrieden und teilt schriftlich mit: „Nochmals möchte ich ausdrücklich betonen, dass die Stellungnahme der BIG betreffend Unvereinbarkeit der Fundamenterdernorm ÖVE/ÖNORM E 8014-3 in Verbindung mit geschirmten Verkabelungskomponenten aus Sicht der BIG nicht möglich sein soll, im Gegensatz zu derzeit geltendem Recht steht.“ Vielleicht stellt der Fall eine gute Gelegenheit dar, wieder einmal auf den rechtlichen Charakter von Normen hinzuweisen bzw. darüber diskutieren.