Gebäude, smart & Stadt
Auf dem Smart City Expo World Congress in Barcelona ging es heuer besonders um das „Betriebssystem“ einer Stadt, das alle Bereiche wie Gebäude, Energie und Mobilität umfasst und Prognosetools für eine nachhaltige Stadtplanung liefert.
844 Aussteller aus 146 Ländern und über 21.000 Besucher pilgerten dieses Jahr auf den kräftig gewachsenen Smart City Expo World Congress nach Barcelona. Neben Größen wie Alstom, Bosch, Cisco, Dassault, Deloitte, Hexagon, Huawei, Microsoft, Deutsche Telekom, Engie, NEC, NTT, SAP, Siemens oder Suez waren auch zahlreiche Startups und Open Source-Anbieter vertreten. Zudem präsentierten 700 Städte von Amsterdam bis Vienna ihre Ideen und Visionen für lebenswerte Städte.
Der Markt für Smart Cities, Smart Buildings und Smart Everything boomt ungebrochen. Dank unzähliger Sensoren und datenschöpfender Systeme fallen Unmengen an Daten an, die etwa für weit effizientere Gebäude, Verkehrssysteme oder nachhaltige Stadtplanung verwendet werden können. Sie machen aber auch Gebäudebetreiber zu Energiehändlern. Und über allem schwebt die Cloud, die all diese Systeme und Benutzer vereint. Auffallend stark war heuer Asien – besonders durch chinesische Konzerne – vertreten. Huawei stellte sehr prominent seine neue Plattform für Smart Cities vor, die diverse Cloud-, IoT-, Video-, GIS- und Edge-Computing-Lösungen mittels Künstlicher Intelligenz vereint. Dieses künstliche Nervensystem versorgt laut Ma Yue, Vizepräsident der Huawei Enterprise Business Group, das „Gehirn“, also die Kommandozentrale einer Stadt. Wie beim Handybetriebssystem können Partner rasch Lösungen für kluge Städte entwickeln, um so die digitale Transformation und Innovationsleistung einer Stadt zu beschleunigen. Das ist ein Trend, dem viele Hersteller folgen.
All together
Zentrale Plattformen bzw. Betriebssysteme für die Stadt waren generell das Thema. Alle Bereiche wie Energie, Verkehr, Umwelt und Gebäude sollen durch eine durchgängige Vernetzung vereint und noch effizienter gemanagt werden können. Im Bereich Plattformen ist Siemens mit seiner Allround-MindSphere-Plattform für das Internet der Dinge schon länger aktiv. In Wien wurde etwa als eine der ersten Städte das City Performance Tool installiert, das nun in über 40 Städten wie etwa auch New York, Mexico City oder London eingesetzt wird. Durch die Erfassung der Daten aus allen Bereichen einer Stadt lassen sich zugleich Vorhersagen über Emissionsentwicklungen, Verkehrsströme und wirtschaftliche Auswirkungen treffen, um neue Siedlungen und Projekte für die Stadt der Zukunft optimal planen zu können.
Als Forschungsinstitutionen präsentierte auch das AIT Austrian Institute of Technology unter anderem seine Lösung zur Modellierung und Simulation urbaner Entwicklungen. Damit lassen sich Strategien und Lösungen für die dringlichsten Herausforderungen datengestützt entwickeln. Mittels Künstlicher Intelligenz bietet das AIT Rapid Prototyping an, um komplexe Entwicklungsszenarien für Städte oder neue Stadtviertel zu entwickeln, umzusetzen und in bereits bestehende Konzepte zu integrieren. Aus Österreich waren heuer weiters noch Doppelmayr, Ertex Solar, Herz und Kapsch Trafficcom sowie die Austrian Business Agency und das BMVIT vertreten.
Gebäude als Energielieferanten
Gebäude werden künftig nicht nur dank Smart Meter und Energiemanagementsystemen energieeffizienter, sondern nehmen auch völlig neue Funktionen ein. Thomas Dürr, Expert Virtual Power Plants and Microgrids bei Siemens, sieht, getrieben durch die Transformation der Energiesysteme, Gebäude zunehmend als dezentrale Energieproduzenten und ihre Benutzer als Energiehändler. Smarte Energiesysteme steuern schon heute aktiv ihre Verbraucher wie etwa energieintensive Kühlsysteme, um Zeiten hoher Energiepreise abzuwarten – zumindest solange die geforderten Werte passen. Zudem werden immer mehr Gebäude mit PV-Anlagen und teils auch Stromspeichern ausgestattet und können so aktiv Strom verkaufen und einkaufen. Sogenannte Microgrids für Stadtviertel wie etwa in Brooklyn, in denen Bürger ihre überschüssige Energie aus Photovoltaik in das Community-Netz liefern und bei Bedarf quasi vom Nachbarn den Strom beziehen, entstehen gerade. Jedes Haus wird zum Energieproduzenten und macht so den großen Kraftwerken und Energieversorgern Konkurrenz.
Besonders das Dreiergespann Smart Grid, Smart Buildings und Smart Market ist laut Dürr langsam im Kommen. In sogenannten Inte(GRID)y Pilotprojekten werden etwa in Barcelona, auf der Isle of Wight (UK), in Terni (Italien) und einigen anderen Städten integrierte Smart Grid cross-functional Solutions für eine optimierte Energieverteilung mit Einsatz von Speichertechnologien getestet. So können beispielsweise mittels eines integrierten Gebäude- und Energiemanagements im Claror Cartagena Sportzentrum in Barcelona Lasten – wie das Aufheizen der Pools – optimal gesteuert werden, indem günstige Windenergie während der Nachtzeit genutzt wird. Zum Energiegesamtkonzept gesellen sich noch eigene PV-Anlagen, Batteriespeicher und Wärmepumpen. Das Zeitalter virtueller Kraftwerke, in dem Gebäude auch aktiv Energie produzieren, hat schon begonnen. So verwandeln sich Gebäude, die immerhin für 41 Prozent des weltweiten Energiebedarfs und 33 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, langsam zu nachhaltigen Energieproduzenten.