Wien Energie leidet und will raus aus Gas
Wien Energie büßt 2021 beim Ergebnis massiv ein und investiert in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde in den Gas-Ausstieg.
Wien Energie wird in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in den Gas-Ausstieg investieren. Mit massiven Investitionen in Geothermie, Großwärmepumpen und den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft will Österreichs größter Energiedienstleister die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern Schritt für Schritt beenden. „Nur Investitionen werden uns aus der Krise bringen. Wir bauen das Wiener Energiesystem komplett um: Jeder Euro, den wir heute in die Hand nehmen, bringt langfristig Unabhängigkeit, Klimaschutz und Preisstabilität“, sagt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung anlässlich der Jahresbilanz 2021, die unter dem Eindruck aktueller energiewirtschaftlicher und geopolitischer Entwicklungen stand.
140 Millionen Gewinn, ein Minus von 60 %
Erste Anzeichen des schwierigen Umfelds zeigen sich bereits in der Bilanz des letzten Geschäftsjahres. Bei einem Rückgang von mehr als 60 Prozent erreichte Wien Energie 2021 ein Ergebnis von 140,0 Millionen Euro. Auch das operative Ergebnis (EBIT) liegt mit 159,1 Millionen Euro weit hinter dem Vorjahr zurück. Maßgeblichen Einfluss hatte hier das vierte Quartal 2021. Die Umsatzerlöse stiegen hingegen – getrieben durch die Preisverwerfungen auf den internationalen Märkten – deutlich auf 3.042,0 Millionen Euro an. „Wir befinden uns in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Die Großhandelspreise sind in den letzten Monaten europaweit zu Höchstwerten gestiegen und eine Entspannung der Lage ist leider nicht in Sicht. Das trifft uns als Wien Energie massiv in der Beschaffung und Erzeugung. Es ist daher wichtig, dass wir besonders umsichtig wirtschaften. Oberste Priorität hat die Versorgungssicherheit, aber wir brauchen auch Stabilität, um die Zukunftsinvestitionen stemmen zu können“, so Strebl.
Insgesamt will Wien Energie bis 2027 1,29 Milliarden Euro investieren. Davon gehen 625 Millionen Euro in Wärme-Projekte, 334 Millionen Euro in den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung, 90 Millionen in umweltfreundliche Kälteversorgung, 160 Millionen Euro in Digitalisierung, Elektromobilität und Telekommunikation sowie weitere 90 Millionen Euro in Versorgungssicherheit.
PV-Erzeugung mehr als verdoppelt
2021 produzierte Wien Energie mit rund 1.260 Gigawattstunden so viel erneuerbaren Strom wie noch nie. Umgerechnet entspricht das dem Bedarf von 630.000 Wiener Haushalten. Den größten Anstieg konnte Wien Energie bei der Sonnenenergie verzeichnen: Die Stromproduktion aus Photovoltaik wurde um fast 150 Prozent auf mehr als 77 Gigawattstunden gesteigert. Im vergangenen Jahr errichtete Wien Energie mehr als 60 Solarkraftwerke und nahm mit der Schafflerhofstraße im Frühjahr 2021 die mit 11,45 Megawatt Leistung größte Photovoltaik-Anlage Österreichs in Betrieb. Wien Energie steht nun bei mehr als 320 Solarkraftwerken mit über 85 Megawatt Leistung und bleibt weiterhin Österreichs größter Solarstromerzeuger.
Eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Stadt nimmt auch die Fernwärme ein. 2040 soll 56 Prozent des Wärmebedarfs von Wien durch Fernwärme gedeckt werden. Seit Jänner 2021 wurden mehr als 15.000 Wohnungen und 120 Großkunden wie öffentliche Gebäude und Gewerbe neu an die Fernwärme angeschlossen. Starken Fokus legt Wien Energie auch auf die Entwicklung von Quartierslösungen. „Damit wir die Wärmewende schaffen, müssen wir in Grätzl- und Quartierslösungen denken. Wo können wir welche lokalen Ressourcen bestmöglich nutzen? Im Village im Dritten entwickeln wir gemeinsam mit der ARE das erste Klimaschutzquartier Österreichs. Hier kommt 80 Prozent der Wärme direkt vom Standort“, skizziert Strebl ein aktuelles Projekt.
Auch in der Wärmeerzeugung zeigt sich der zunehmende Ausbau von alternativen Erzeugungsanlagen: Die Wärmeproduktion aus Erd- und Umgebungsenergie wurde – vor allem durch den Einsatz der Großwärmepumpe Simmering – um 73 Prozent gesteigert. Insgesamt kamen bei der Fernwärme 23,6 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Vor wenigen Wochen hat das Unternehmen mit dem Bau der größten Wärmepumpe Europas begonnen. „Schon in weniger als zehn Jahren wollen wir mehr als die Hälfte der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Quellen decken. Unser größter Hoffnungsträger ist dabei die Geothermie“, so Gruber. Noch in diesem Jahr soll das erste Geothermie-Umsetzungsprojekt auf Schiene gebracht werden: „Wenn alles nach Plan läuft, wollen wir in drei bis vier Jahren die erste Wärme aus geothermischen Quellen einspeisen.“