Grummeln im Maschinenraum
Die Pandemie hat den Raummangel in Krankenhäusern offenbart. Künftig soll mehr Flexibilität bessere Nutzungen ermöglichen. Und mit Healing Architecture könnte der maschinelle Charakter von Kliniken gemildert werden.
Krankenhäuser sind Maschinen. Die Rädchen, die den Kosmos aus ärztlicher Betreuung, Heilung, Pflege und Versorgung am Laufen halten, sind vielfältig und mit ganz viel ausgeklügelter Technik verbunden. Neben den Klassikern Heizung, Lüftung, Klimatisierung und der Medizintechnik sind im Krankenhaus diverse Geräte der Pflegetechnik, der Beförderungstechnik und der Kommunikationstechnik im Einsatz. Tendenz steigend, denn die Digitalisierung und Robotik bringen wohl noch weitere Maschinen in jene Umgebung, in der kranke und verletzte und somit geschwächte Menschen verweilen. „Die Technik hat immer gegen die Architektur gewonnen“, sagt Richard Klinger, Partner des Architekturbüros Architects Collective. Er und seine Kollegen planen seit mehr als 15 Jahren im Gesundheitsbereich und haben viel dabei gelernt. „Wir haben hunderte Gespräche mit Ärzten, Pflegekräften, Bauherren und Facility Managern hinter uns. Zu Beginn der Planung sind die Wünsche sehr hochgesteckt, die gehen im Lauf der Zeit verloren, am Ende siegt immer die Technik“, so Klinger anlässlich einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Organismus Krankenhaus nach Covid“, zu der die Architekten geladen hatten.
Klinger ist überzeugt davon, dass sich Krankenhäuser nach der Pandemie räumlich ändern werden. Und es werden künftig vermehrt Aspekte der Healing Architecture notwendig sein, um das Wohlbefinden von Patienten und Beschäftigten zu steigern, ist er überzeugt. Wenn Farben, Materialien. Licht und Ambiente stimmen, gesunden Menschen rascher und das Personal ist weniger belastet, so der planerische Ansatz, der die Architektur als eine Variable zur Unterstützung des physischen und psychischen Wohlbefindens von Personal, Patienten und Angehörigen anerkennt.
Raumnot durch Corona
Auch Sylvia Hartl, Abteilungsvorständin der Lungenabteilung in der Klinik Penzing, lässt keinen Zweifel daran, dass nach den Erfahrungen der letzten Monate die Architektur flexibler werden muss. „Covid hat uns die Unzulänglichkeit der Vergangenheit vor Augen geführt“, sagt Beate Czegka, Abteilungsvorständin Pflegemanagement Tirol Kliniken GmbH. Allein die Absonderung von hochinfektiösen Covid-Patienten habe gezeigt, dass die Räume dafür nicht vorhanden sind. Die Installation von Schleusen habe gezeigt, dass der Platz für Betten und Rollstühle nicht mehr reicht. Und das ist für sie nicht neu, denn schon zuvor war das Platzangebot knapp, Covid habe die Situation verschärft, was letztlich auch Auswirkungen auf das Pflegepersonal hat. Ihr Resümee: Die Räume müssten modularer werden, um die Trennung von Patientengruppen einfacher zu ermöglichen.
Engpass Personal
„Wir müssen etwas ändern, keine Frage“, sagt auch Siegfried Gierlinger, Technischer Direktor des AKH. Das Wiener Großkrankenhaus hat einen Mega-Umbau vor sich, bis 2030 soll einer der beiden Bettentürme komplett saniert werden. Der zweite Turm muss weiter warten, womit die nicht mehr zeitgemäßen Dreibett-Zimmer wohl noch viele Jahre bleiben. Aber, so Gierlinger, Covid habe ganz klar gezeigt, dass nicht der Raum, sondern das Personal den größten Engpass in der medizinischen und pflegerischen Versorgung darstellt. Mehr Raum zu haben sei wünschenswert, man müsse aber auch die Kosten im Auge behalten. Damit beim Umbau auch Aspekte der Healing Architecture berücksichtigt werden können, appelliert Gierlinger an die Kreativität der involvierten Planer und Ausführenden. Und auch an die Geldgeber, die Spitalserhalter. Wenn mehr Farben, wärmere Oberflächen, Vorhänge und höherwertiges Licht in die Patientenzimmer kommen, steigen womöglich auch die Erhaltungs- und Reinigungskosten. Auch die Normen für Brandschutz und Hygiene seien mitunter Bremse und Kostentreiber. Weil eben nur ganz bestimmte Produkte und Materialien zur Verwendung kommen können.
Dem stimmt Heinz Ebner, Geschäftsführer BDO Health Care Consultancy GmbH, nicht zu. „Mit den vorhandenen Mitteln lässt sich Tolles realisieren“, ist er überzeugt. Man muss aber auch etwas probieren, weil man daran glaubt“, betont er und verweist darauf, dass mehr Quadratmeter allein nicht die Lösung sind. „Wir haben in den letzten 20 Jahren die nutzbare Fläche um 50 Prozent erhöht, das ist bereits ein großer Schritt“. Die Gretchenfrage für ihn ist, wie man von der Maschine Krankenhaus wegkommt. Seine Idee: „Der Nutzen von Healing Architecture muss sichtbar gemacht werden. Und zwar für Patienten, Personal und auch für Bauherren und Erhalter. Wenn die Aufenthaltsdauer von Patienten im Krankenhaus sinkt und das Personal zufriedener ist, rechtfertigt Healing Architecture auch Mehrkosten.
Dass dem so ist, glauben jedenfalls die Planer von AC: „20 Prozent Mehrkosten in der Errichtung sind relativ vernachlässigbar, wenn das Personal zufriedener ist und Patienten schneller gesunden“, betont Architekt Andreas Frauscher. Dass der Wohlfühlfaktor dennoch oft zu kurz kommt, hat ganz simple Ursachen – die Kluft zwischen Entscheidern verschiedener Ebenen, die jeweils ihren eigenen Schrebergarten pflegen oder pflegen müssen. Oder wie es Beate Czegka von den Tirol Kliniken auf den Punkt bringt: „Wir alle wollen volkswirtschaftlich handeln, werden aber betriebswirtschaftlich gemessen“.