Diskont trotz Boom
Austria Email CEO Martin Hagleitner über seine erweiterten Aufgaben und Ziele in der Groupe Atlantic, das Lobbying für die Branche und den Umstand, dass es die Branche trotz Hochkonjunktur schafft, sich mit Rezessionspreisen selbst zu geißeln.
BT: Hr. Hagleitner, Sie übernehmen in der Groupe Atlantic die Konzernverantwortung für D/A/CH-Länder und weitere Marken. Was heißt das genau?
Hagleitner: Vorab, ich übernehme diese Verantwortung mit Respekt und Freude und ergänzend zur Austria Email. Das umfasst bestehende Gesellschaften des Konzerns wie beispielsweise die Ygnis AG in der Schweiz mit industriell kommerziellen L.sungen oder die Deutschland-Tochter unserer jüngsten Akquisition der ACV im Bereich Edelstahlspeicher. Über die D/A/CH-Region hinaus wird Austria Email auch den Vertrieb des Atlantic Privatkundensortiments in einigen SOE-Ländern übernehmen.
BT: Für welchen Umsatz werden Sie künftig in der Gruppe verantwortlich zeichnen?
Hagleitner: Das umfasst heute rund 120 Millionen Euro.
BT: Welcher Anteil des Umsatzes von Austria Email entfällt auf den Heimmarkt?
Hagleitner: Rund 50 Prozent erzielen wir in Österreich, wo wir Marktführer bei Elektrospeichern sind und starke Zuwächse bei Wärmepumpen verzeichnen können. Wir sind zudem in 16 Exportmärkten vertreten, wobei der Exportanteil tendenziell steigt. Die größten Auslandsmärkte der Austria Email sind Deutschland und die Schweiz.
BT: Wo werden Sie künftig Ihre Büros haben?
Hagleitner: Der Standort eines Büros ist für mich nicht der Gradmesser. Die Präsenz richtet sich nach Potenzial und Entwicklung der Firmen und dem Marktbedarf. Ich knüpfe da auch an die über 160 Jahre zurückliegende Gründerzeit der Austria Email an, die von einem Österreichisch-französischen Konsortium in Wien und Paris an beiden Börsen gegründet wurde.
BT: Das heißt, Sie sprechen auch französisch?
Hagleitner: Ja – Smalltalk und leichte Konversation, mehr mute ich meinem Gegenüber nicht zu. Unsere Konzernsprache ist ohnehin Englisch.
BT: Ich habe mir die Marken und Produkte der Groupe Atlantic etwas angesehen und festgestellt, dass man viele davon hierzulande gar nicht kennt. Soll sich das ändern?
Hagleitner: Wir haben nicht den Anspruch, alle Marken und Produkte global bekannt zu machen. Die Marke Ideal zum Beispiel ist Marktführer in Großbritannien, hierzulande aber so gut wie gar nicht bekannt. Sie wird aber bei der geplanten Expansion in die USA eine Rolle spielen. Ziel der Gruppe ist es, in ausgewählten Ländern mit etablierten Marken Marktanteile zu gewinnen.
BT: Gibt es Produktgruppen oder Marken, die hierzulande noch etabliert werden sollen?
Hagleitner: Ja – das reicht von einem erweiterten Wärmepumpensortiment und dem Österreich-Launch eines Gasgerätes 2019 bis zum AVC-Produkt. Diese Firma hat das Tank-in-Tank-Konzept entwickelt. Aber auch in Knittelfeld arbeiten wir an smarten Innovationen, mit denen wir den Markt überraschen werden. Lead Brand ist und bleibt hier Austria Email.
BT: Ist es denkbar, dass unter der Marke Austria Email Lüftungen und Heizungen anderer Konzernschwestern in Österreich etabliert werden? Zum Beispiel in höheren Leistungsbereichen?
Hagleitner: Ja, auch das ist denkbar, aber das mit bestehenden Vertriebspartnern des Konzerns und mittel- bis langfristig. Im Neubau wird die Lüftung schon aufgrund der EU-Gebäuderichtlinie mehr Bedeutung erlangen.
BT: Die Wärmepumpe hat in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Konnte Austria Email an diesem Wachstum entsprechend partizipieren?
Hagleitner: Absolut, wir waren 2017 nach der Erhebung von Kreutzer, Fischer und Partner mit zweistelligem Zuwachs Wachstumskaiser bei Heizungswärmepumpen. Auch bei Brauchwasserwärmepumpen sind wir sehr gut unterwegs. Auch im laufenden Jahr entwickelt sich das Segment der Wärmepumpe gut.
BT: Bis zu welchem Leistungsbereich ist Austria Email bei Wärmepumpen vertreten?
Hagleitner: Das Ein- und Zweifamilienhaus decken wir selbst ab, größere Leistungsklassen bieten wir mit Partnern an.
BT: Im Segment Wärmepumpe gab es zuletzt einige Aufregung um die Förderfähigkeit von Geräten mit dem Kältemittel R410a. Ist das überstanden?
Hagleitner: Es hat ein wenig Verunsicherung gegeben, die nicht zufällig entstanden ist. Die Fakten dazu: Bei Wärmepumpen handelt es sich um ein in sich geschlossenes System. Daher sollte bei normalem Gebrauch das Kältemittel nicht freigesetzt werden. Es gibt einen weltweiten geplanten schrittweisen Ausstieg aus diversen Kältemitteln bis 2030 (F-GAS Regulation). Alle Erzeuger haben sich nach diesem Plan prinzipiell gerichtet. Die Verminderung der Produktionsmengen führt zu einer enormen Preissteigerung bei den betroffenen Kältemitteln, und daher sind die Produzenten im Eigeninteresse bestrebt, mögliche Alternativen so schnell wie möglich zu designen. Hier müssen allerdings sicherheitstechnische und thermodynamische Aspekte berücksichtig werden. Dafür brauchen die Erzeuger von Kältemitteln und die Gerätehersteller ausreichend Zeit, um langfristige Lösungen erarbeiten zu können – das steht für uns im Zentrum einer guten Lösung.
BT: Sie sind im Zukunftsforum SHL zur Erneuerung von Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen engagiert. Wie steht es aus Ihrer Sicht um das politische Lobbying? Finden Sie Gehör bei den Entscheidungsträgern im Bund und in den Ländern?
Hagleitner: Es gibt messbare Fortschritte: Nach eineinhalb Jahren Arbeit sind wir in der Öffentlichkeit gut sichtbar und als politisch anerkannter Player etabliert. Mit unseren Mitgliedern haben wir nahezu hundert Termine mit Top-Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung auf Bundes- und Landesebene absolviert – neben dem Tagesgeschäft. Bei der Gestaltung des Regierungsprogramms bei der Klima- und Energiestrategie konnten wir einige Themen einbringen. Laufend können wir in technischen Arbeitsgruppen mitarbeiten und auch an der Neugestaltung von Förderungen und Energieberatung. Wir werden uns auch intensiv bei der Entwicklung der Wärmestrategie einbringen.
BT: Da sind jetzt viele Absichten dabei; was ist schon real oder fix?
Hagleitner: Das stimmt zum Teil. Entscheidend wird sein, was in die Wärmestrategie hineinkommt. Aber wir alle wissen, dass europaweit Maßnahmen gesetzt werden müssen, Österreich kann da nicht ausscheren. Und dass wir in Österreich eine sehr niedrige Sanierungsrate haben, obwohl Hochkonjunktur herrscht, ist vielen Marktteilnehmern ein Rätsel.
BT: Die Installationsbetriebe sind aber so gut wie alle enorm gut ausgelastet, oder nicht?
Hagleitner: Das trifft allgemein zu – widerspiegelt sich aber noch nicht in der Sanierungsrate. Ein Phänomen in diesem Umfeld ist die Preissituation. Die Branche bringt die Meisterleistung zustande, trotz Boom mit Rezessionspreisen am Markt zu agieren. Wenn man bedenkt, welche Rendite eine Heizungs- oder Warmwasser-Sanierung für Besitzer und Nutzer von Immobilen bringen, dann stimmen Preis und Wert nicht überein.
BT: Im Moment wird die elektrische Energie in der Neufassung der OIB-Richtlinie eher nachteilig behandelt. Stellt das eine Hürde für die elektrische Warmwassergewinnung dar?
Hagleitner: Ich sehe das nicht so. Die Bedeutung des Stroms im Rahmen der „Gebäudewende“ insgesamt steigt, besonders auch in der Kombination mit Photovoltaik. Das Beispiel Steiermark zeigt auch, dass Elektrospeicher auch im Neubau wieder förderfähig sind. Wir sind mit unseren Lösungen gut aufgestellt für die Wärmewende.
BT: Die Digitalisierung kommt in der Gebäudetechnik sehr rasch in die Keller. Wie geht es Ihnen damit?
Hagleitner: Die Gruppe entwickelt bereits heute für zahlreiche Länder intelligente Produkte. Unsere Produkte lassen sich flexibel in bestehende oder neue Systeme einbinden. Wir möchten überall dort Konnektivität und intelligente Funktionen anbieten, wo sie echten Mehrwert schaffen. Also integrieren wir in immer mehr Produktsegmente zusätzliche Funktionen. Wir laufen nicht blind dem aktuellen Hype nach, sondern haben den konkreten Nutzen für unsere Kunden im Blick: Komfort und Energiesparen! Daher entwickeln wir in Österreich gemeinsam mit führenden IT- und Telekommunikationsunternehmen sowie Energieversorgern einige weitere Anwendungen, die das Heizen und Kühlen noch angenehmer und einfacher machen werden.