Doppelt stark
Johann Notbauer, Konzernbereichsleiter Marktinnovation & Technologie bei Evva Sicherheitstechnologie GmbH, über den Doppelpass zwischen Elektronik und Mechanik und die dynamische Entwicklung der digitalen Tools für Zutritt und Sicherheit.
Evva ist europaweit einer der führenden Sicherheitstechnologie-Hersteller mit Niederlassungen in zehn europäischen Ländern. Das Wiener Familienunternehmen mit rund 750 Mitarbeitern verbindet seit Generationen höchst erfolgreich Tradition mit Innovation und feiert 2019 sein 100-Jahr-Jubiläum. Den Auftakt dazu zelebriert man auf der Security in Essen. Wie es um das dynamische Marktumfeld steht und mit welcher Strategie Evva weitere hundert Jahre erfolgreich sein will, erzählte der für Innovationen und Technologie verantwortliche Manager Johann Notbauer.
Building Times: Immer mehr Menschen meinen, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Macht sich das bei Evva bemerkbar?
Notbauer: Unsichere Zeiten sind für viele Menschen Anlass zu Angst und Sorge. Für uns als führenden Sicherheitstechnologie-Hersteller gilt umso mehr, dass bei uns die Sicherheit zuhause ist. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, das leben wir beim nächsten Messeauftritt auf der Security Essen.
Building Times: Steigt dadurch die Nachfrage bei Sicherheitsprodukten?
Notbauer: Letztlich haben wir eine steigende Nachfrage, wenn neuer Wohnraum geschaffen werden muss. So ist z.B. Wien eine Metropole, die wächst. Und wir haben für dieses Wachstum auch die richtigen Produkte. Und das sowohl in der Mechanik als auch in der Elektronik, wo Flexibilität gefordert ist. In Salzburg haben wir beispielsweise ein Projekt betreut, bei dem zehntausend Schlüssel in Form digitaler Chipkarten ausgegeben wurden.
Building Times: Hat das bis jetzt durchgehend angehalten? Es wird ja weiterhin viel gebaut.
Notbauer: Die Migrationswelle hat viel bewegt, und das hat auch 2016 angehalten. Der Treiber war aber wie gesagt nicht die Angst, sondern die Absicherung der neu gebauten Wohnungen.
Building Times: Evva ist nun seit einigen Jahren im digitalen Bereich präsent. Wie geht es damit?
Notbauer: Wir sind seit 2014 mit dem eigenen digitalen Portfolio am Markt, wo wir mit AirKey wirklich einen sehr markanten Fußabdruck hinterlassen haben. Mit AirKey waren wir der Pionier, der das Smartphone als Schlüssel verwendet hat. Das sieht man erst jetzt, denn fünf Jahre später kommen allmählich die Wettbewerber. Die Tür mit dem Smartphone zu öffnen, war die Idee eines Mitarbeiters. Diese Idee ist intern gereift, es wurde dann von unserem Eigentümer quasi ein Startup in der Firma gegründet. Dort ist AirKey entwickelt worden, und mit Xesar kam das Produkt für den B2B-Endkunden dazu. Die eigentliche Beschäftigung mit der Elektronik geht aber 15 bis 20 Jahre zurück. Wir haben damals mit der Firma Micron, jetzt NXP in Gratkorn, die Vorläufer der Mifare-Technologie entwickelt. Wir haben damals eigene Chips für Evva gemacht, später folgte der Einstieg beim damaligen spanischen Startup Salto. Da waren wir dann ein Entwicklungs- und Vertriebspartner.
Building Times: Welchen Anteil nimmt die Elektronik inzwischen ein?
Notbauer: Überwiegend ist nach wie vor die Mechanik unser Bestandsgeschäft, aber wir haben ebenfalls einen stark wachsenden Elektronikanteil. Wir haben Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Letzten Herbst haben wir eine neue AirKey-Version auf den Markt gebracht. Momentan sprechen wir mit AirKey einfach die richtige Zielgruppe an: iPhone als Schlüssel.
Building Times: Die Digitalisierung bringt in manchen Bereichen richtige Erosionen mit sich. Werden rein mechanische Anbieter überleben?
Notbauer: Das glauben wir nicht, deswegen auch diese strategischen Entscheidungen. Wir haben aus der Marktentwicklung gelernt und daraus unser eigenes Portfolio hervorgebracht. Auf der anderen Seite sind wir aber auch überzeugt, dass es immer auch einen gewissen mechanischen Anteil geben wird. Es gibt viele Orte, wo einfach die Mechanik ideal einsetzbar ist. Tiefste Temperaturen, Vereisungen im Hochgebirge: Da funktionieren Batterien sehr schlecht. Die Kombination von Mechanik und Elektronik ist das, was wir als Evva als Karte ausspielen. Unsere positive Marktrückmeldung differenziert uns von den neuen Marktteilnehmern, die rein aus der Elektronik kommen. Sie kommen sehr stark aus der Consumer-Welt sowie aus der IT. Und es hebt uns ab von jenen, die noch rein in der mittlerweile heiß umkämpften Mechanik verortet sind. Aber wir sind nach wie vor positiv überrascht, dass eines unser ältesten Produkte, MCS (Magnet-Code-System) immer noch das einzige auf dem Markt ist, dass nicht von einem 3D-Drucker kopiert werden kann.
Building Times: Wie schon vorher erwähnt, boomt der Wohnbau. Kommt die Elektronik auch in den normal geförderten Wohnbau?
Notbauer: Sie kommt. Wir haben gerade in München bei einem sehr großen Projekt die Erstinstallation gemacht. Auch in der Schweiz sind wir im Wohnsegment vertreten. Generell müssen momentan aufwendige Prozesse für das mechanische Schlüsselmanagement gemacht werden. Wir bieten mit der Konvergenz zwischen Mechanik und Elektronik eine Alternative.
Building Times: Mit dieser Hinwendung zur Digitalität verändert sich auch die Partnerlandschaft. Nicht viele traditionelle Schlosser sind für dieses Thema ansprechbar. Wer kommt danach?
Notbauer: Grundsätzlich: Auch die traditionellen Schlosser erleben den Generationswechsel. Die nächste Generation ist sehr wohl schon digital aufgewachsen. Bei den etablierten Mechanik-Partnern sehen wir die Experimentierfreudigkeit der Jungen. Und: Partner mitzunehmen ist die Mission für unsere Entwicklung. Wir wollen zwar leistungsfähige starke Produkte haben, auf der anderen Seite wollen wir aber auch die Komplexität minimieren und die Software einfach installierbar und somit verwendbar machen. Hier die breite Masse mitzunehmen, ist nicht leicht, aber da kommen wir her. Das ist auch ein großes Geschäftspotenzial für Evva, unsere Partner mit uns zu entwickeln. Dazu gehört es auch, einen Wandel gemeinsam mit dem Partner zu gehen. Beispielsweise bietet EVVA deshalb nicht nur Produktschulungen, sondern auch Vertriebsschulungen an.
Building Times: Gibt es auf der Security etwas wirklich Neues?
Notbauer: Ja, das neue Update von Xesar wird präsentiert. Xesar 3.0 bietet Nutzern eine komplett neue Systemarchitektur. Neu sind zahlreiche Features, die es nun noch einfacher machen, die Kontrolle über die Schließanlage zu behalten. Außerdem zeigen wir smarte neue Features bei AirKey und die Variantenvielfalt in der Mechanik. Nicht ganz neu, aber immer noch neu am Markt ist, dass wir mit der Einführung unserer elektronischen Schließsysteme bei AirKey und Xesar ein neues Geschäftsmodell zur Softwarelizenzierung eingeführt haben. Bei Wettbewerbern zahlen Sie in der Regel eine Einmalgebühr für die Verwendung und die Lizenz der Software. Bei uns ist die App for free. Wenn Sie einen Schlüssel erzeugen oder wenn sie einen Schlüssel modifizieren, zahlen Sie einen KeyCredit. Das unser Geschäftsmodell, und damit findet die Softwaremonetarisierung statt.
Building Times: Zutritt und Sicherheit eröffnen neue Begehrlichkeiten. Inzwischen sehen sich auch Aufzugshersteller als Verwalter des Gebäude-Nadelöhrs. Bahnen sich da ganz neue Kooperationen an?
Notbauer: Im Allgemeinen schon. Unsere klare Positionierung in der Produktstrategie ist, dass wir nicht in benachbarte Gewerbe gehen. Wir bleiben bei unserer Kernkompetenz. Wir entwickeln, wir produzieren, wir stehen für das Zutrittsprodukt und die Verwaltungssoftware, die dazugehört. Wir beanspruchen nicht, der beste Videoüberwacher, der beste Einbruchsmelder oder Brandschutz zu sein. Aber bei allen unseren Produkten sind die Schnittstellen eine zentrale Anforderung. Wir wollen integrierbar sein.
Building Times: Testen Sie die anderen Zutrittssysteme am Markt auch?
Notbauer: Ja.
Building Times: Und wie ernüchternd ist das?
Notbauer: Es gibt beide Seiten. Es gibt Sachen, wo wir sagen: „Wow, gut gemacht!“ und auch „Okay, das machen wir besser.“ Letzte Woche waren wir in Schweden bei einem Energieversorger, der ein Wettbewerberprodukt hat und es ausbauen will, da bei tieferen Temperaturen diverse Komponenten nicht funktionieren. Er hat dann unsere bestellt und für zwei Wochen in den Gefrierschrank gegeben. Diese Einstiegshürde haben wir erfolgreich gemeistert. Nun gibt es weiterführende Gespräche.
Building Times: Das heißt, Sie gehen hoffnungsvoll in die Security?
Notbauer: Definitiv. Wir zeigen AirKey neben Xesar 3.0 als eines der Hauptthemen, wo wir mit unseren Wachstumszahlen wirklich sehr zufrieden sind und eine gute Marktnachfrage haben. Wir kommen dort mit IT-Integratoren in neue Zielgruppen rein. Leute, die bisher an IT Lösungen geschrieben haben, die integrieren mit AirKey. Wir waren überrascht, was in diesem Feld alles möglich ist. Storage-Lösungen auf Mietbasis zum Beispiel. Die haben das bestmöglich integriert und Sachen mit unserem Produkt gemacht, die wir noch niemals gemacht haben.
Building Times: Wirkt sich das Geschäftsmodell Airbnb auf Evva aus?
Notbauer: AirKey ist hier das ideale Produkt. Mehr können wir dazu im Moment nicht sagen, aber Sie dürfen gespannt sein.