Modulare Gebäudetechnik

Drees & Sommer und Würth arbeiten an der TGA von morgen. Die ist modular, vorgefertigt, rückbaubar, integriert mehrere Gewerke und die digitalen Daten der Planung.

Das Bauen ist im Umbruch: Wände, Decken und Fassadenelemente kommen vermehrt vorgefertigt just in time auf die Baustelle. Auch der Absatz von fix fertigen Raummodulen steigt. Diese werden nach klaren Planvorgaben in hoher Präzision in Industriehallen seriell gebaut – ohne Witterungseinflüsse und logistische Hürden. Läuft die Fertigung und Anlieferung perfekt lassen sich Kostenvorteile generieren. Das gilt auch für Sanitärelemente, die vorgefertigt auf die Baustelle gelangen. Trotzdem sind im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung modulare Lösungen bislang eher rar. Die Gewohnheit schlägt im Zweifelsfall oft die Innovation. Ändern wollen das die Drees & Sommer SE und die Adolf Würth GmbH & Co.KG. Sie haben gemeinsam ein neues TGA-Modul entworfen, das in dieser Art und Dimension erstmalig beim eigenen Drees & Sommer-Büroneubau an den Oberen Waldplätzen am Firmenhauptsitz in Stuttgart zum Einsatz kam. „Statt heute 80 Prozent der Bauteile vor Ort zu verarbeiten und nur 20 Prozent vor zu fertigen, muss sich das Verhältnis künftig umkehren. So lassen sich viele Bauteile wetter- und auch ortsunabhängig in der Halle herstellen und können dann just-intime zur Baustelle geliefert werden“, erklärt Thomas Berner. Er ist Associate Partner bei Dreso und kümmert sich um das derzeit in Bau befindliche Bürogebäude OWP 12. Bei dessen Neubau sollen so weit wie möglich industriell vorgefertigte, modularisierte Bauteile zum Einsatz kommen.

Die Gewerke verschmelzen

Zwei Prototypen des TGA-Moduls hat Drees & Sommer gemeinsam mit Würth entwickelt. Sie beinhalten Elemente der technischen Gebäudeausrüstung, wozu beispielsweise Heizungs-, Klima und Elektrotechnik zählen. Noch in diesem Jahr sollen die Module in der Halle vorgefertigt und anschließend auf die Baustelle geliefert und montiert werden. Eingebracht sollen sie bei offener Fassade, was natürlich eine entsprechende Kooperation des Gesamtbauwerks bedarf. Kurzum, der Fassadenbauer kann nicht losgelöst von den anderen Gewerken sein Ding durchziehen. Seitens Drees & Sommer begleitet Johannes Wiesinger, Senior Projektpartner und TGA-Experte, die Konstruktion: „Einzelne Gewerke sollten wir bei Bauprojekten nicht mehr getrennt denken, denn sie werden künftig zunehmend miteinander verschmelzen“, betont er.

Die Zukunftsvision lautet: Ein BIM-Modell sendet Herstellungsdaten direkt an den 3D-Drucker. „Für solche komprimiert ausgestatteten Fertigteile der technischen Gebäudeausstattung ist es ein Muss, mit einer digitalen Planungsmethode wie Building Information Modeling, kurz BIM, zu arbeiten. „Unsere TGA-Module mit allen zugehörigen Daten und Informationen zu Abmessungen, Material oder technischen Eigenschaften fügen sich problemlos in die BIM-Modelle ein. In die Zukunft gedacht werden diese Daten aus dem Modell dann direkt an Maschinen oder 3D-Drucker für die Produktion von standardisierten Serienelementen übermittelt“, erklärt Johannes Wiesinger.

Für Holger Schade, Vertriebsleiter Technik des Baustellen-Projekt-Managements der Adolf Würth GmbH & Co.KG, bieten die TGA-Module zudem klare Vorteile bei der Installation vor Ort: „Unsere Module lassen sich einfach und schnell auf die Baustelle transportieren und montieren. Die Montage vor Ort inklusive des Einbringens des Moduls beträgt unter 30 Minuten. Das dauert in herkömmlicher Bauweise etwa zwölf Stunden.“ Auch auf ein ansprechendes Design habe man großen Wert gelegt, um dem Trend der sichtbaren Technik auch hier Rechnung zu tragen.

Entlastungsfunktion für Fachkräfte am Bau

Nicht zu vernachlässigen sei laut Drees & Sommer-Ingenieur Wiesinger außerdem, dass sich mit der Verlagerung eines Großteils der Bauelemente ins Werk auch die Suche nach Fachkräften einfacher darstelle. Bislang müssen Arbeiter bei Schnee, Regen oder Hitze kleinteilig die einzelnen TGA-Elemente vor Ort montieren. Je mehr Arbeitsschritte aber bereits vorab in der Halle ausgeführt werden, desto einfacher wird die Arbeit für die Monteure auf den Baustellen. Zudem steigert die Vorfertigung die Qualität der Bauteile, da die einzelnen Module millimetergenau produziert werden können. Für die Bauarbeiter bringt dies alles eine erhebliche Entlastungsfunktion mit sich. Damit wandle sich das Berufsbild vom „Wander-“ hin zu „Montagemitarbeitern“, so Wiesinger weiter.

Zerlegbarer Rohstoff- und Bauteilspeicher

Auch an einen umweltfreundlichen Rückbau haben die Experten von Würth und Drees & Sommer gedacht. „Durch das BIM-Modell wissen wir genau, welche Module mit welchen Stoffen wir an welchen Stellen im Gebäude verbaut haben. Dieses digitale Gedächtnis ist damit auch Grundvoraussetzung für mehr Nachhaltigkeit. Auch Leasing-Geschäftsmodelle sind denkbar. Am Ende der Vertragslaufzeit oder der Nutzungszeit des Gebäudes können die Module wieder entnommen werden. Entweder lassen sie sich dann direkt in das nächste Bürogebäude verbauen, oder aber sie dienen als eine Art ‚Rohstofflager‘ der Einzelteile. Sicher ist: Auf dem Müll landet hier nichts“, erläutert Wiesinger.

OWP 12 als Demonstrationsobjekt für Bauherrn

Photovoltaikanlagen auf dem Dach und an der Südfassade, eine neu entwickelte, hochdämmende Fassadenkonstruktion, Erdwärme über Geothermie-Bohrungen sowie eine begrünte Nordfassade: Wenn Drees & Sommer im Herbst 2021 ihre neuen Büros in Stuttgart-Vaihingen beziehen, werden die Mitarbeitenden in einem Gebäude nach Plusenergie-Standard residieren, das mehr Energie erzeugt als im Betrieb verbraucht wird und das so weit wie möglich der Cradle-to-Cradle-Forderung nach Kreislauffähigkeit entsprechen wird. Damit wird es allen zukünftig erwartbaren Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit gerecht. Und das trifft auch hinsichtlich der Modularisierung und Digitalisierung zu. Rund 22 Millionen Euro betragen die Kosten für das vierstöckige Hochhaus, das auf einer Bruttogeschossfläche von rund 7.000 Quadratmetern einen großen Konferenzbereich, Wohlfühloasen für die Mitarbeitenden wie eine Terrasse, eine Cafeteria und eine Kantine für bis zu 1.000 Mitarbeiter bietet. Künftig werden dort 200 Mitarbeitende ihre Arbeitsplätze beziehen. Das gemeinsam mit SCD Architekten und Ingenieure konzipierte Gebäude soll dabei mehr sein als ein bloßer Verwaltungsbau, sondern auch als Demonstrationsobjekt für potenzielle Bauinteressenten dienen.