Bauteile, solar gekühlt
Eine raffinierte Anlagen-Kombination soll in einer Salzburger Wohnsiedlung für eine 70 m² Wohnung Heizkosten von bloß 245 Euro pro Jahr ermöglichen. Und die Kühlung kostet nur 2 Euro extra.
Wir, meine Mannschaft und ich, haben die ‚Ruhe des Lockdowns‘ für ein bisschen mehr ‚geistige Arbeit‘ genutzt und haben einige hochinteressante Ideen entwickelt“, meint Dietmar Stampfer, Inhaber des „TB Stampfer, Ingenieurbüro für Gebäudetechnik“ in Salzburg gegenüber Building Times. Eine davon ist bereits so weit gediehen, dass sie bei einem großen Wohnbauprojekt der Heimat Österreich in der Stadt Salzburg mit 141 Wohneinheiten sowie Büroflächen erstmals realisiert werden soll. „Es geht dabei im Wesentlichen um Bauteilaktivierung und solare Kühlung im kommunalen Wohnbau“, erläutert Stampfer, und um die von Stampfer patentierte „integrierte Vorlaufzirkulation“. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wird die System-Kombination realisiert und, so der Planer, „zukunftstauglich“ gemacht.
Raffiniert reagiert
Die Salzburger Architekten Schwarzenbacher Struber mit dem Büro in der Salzburger Fürbergstraße 27 haben es nicht weit auf die Baustelle an der Ecke Fürbergstraße/Anton-Graf-Straße. Als Wettbewerbs-Sieger haben sie für das an der Bahntrasse gelegene Grundstück fünf Punkthäuser geplant, womit sie mit der Bebauung, nach eigenen Angaben, „raffiniert auf den Zuschnitt des Grundstücks, die Situation der Bestandsbauten und die Anforderungen der Lage im öffentlichen Raum reagieren“.
Mindestens genauso raffiniert, wenn sie auch recht simpel klingen mögen, sind die Überlegungen von Stampfer für die Wärme- und Kälteversorgung der rund 10.000 m² Wohnungs- und Büroflächen: „Im Winter warm und im Sommer kühl einpacken“, so das Motto. Was, bei „hoher bauphysikalischer Qualität“ (Graml Ziviltechnik) heißt, dass „alle Geschoßdecken, auch die obersten, mit Betonkernaktivierung gebaut werden. Im Heizbetrieb bedeutet das eine Grundtemperatur von ca. 20 Grad, eher 18 Grad bis 19 Grad, vor allem in den Schlafräumen, auf Wunsch der Genossenschaft, welche die Schlafzimmer nicht überwärmen will. Diese Temperatur kann zentral gesteuert werden, durch Infrarot-Strahlplatten mit 500 Watt aber nach Belieben erhöht werden“, erläutert Stampfer.
170 kWp-PV-Anlage auf dem Dach
Die solare Kühlung im Sommer wird über eine 170kWp-Phorovoltaikanlage auf dem Dach erfolgen, wobei die PV-Anlage eine Vorgabe der Salzburger Wohnbauförderung sei, fährt der Planer fort. „Wir wollen aber nicht zurückspeisen, sondern den Strom selbst verbrauchen, weil die Tarife eine Katastrophe sind“. Mit einem Teil des PV-Stroms werde eine Kältemaschine betrieben, wobei zur Zeit der höchsten Sonneneinstrahlung, also der größten Hitze, der größte PV-Ertrag anfalle, womit sicher sei, dass kein Netzstrom zugekauft wird.
„Die Abwärme für die Kälteerzeugung leiten wir in einen Heizwasser-Pufferspeicher für die Warmwasser-Bereitung, den wir 24 Stunden verwenden und auch in der Nacht abrufen können“, detailliert Stampfer die System-Kombination weiter. „Wir gehen in den Wohnungen auf eine dezentrale Trinkwasser-Erwärmung und können zusätzlich im Winterbetrieb das Fernwärmenetz nutzen. Dafür haben wir mit der Salzburg AG einen super Deal gemacht, weil wir mit der Vorlaufzirkulation mit garantiert weniger als 30 Grad ins Netz gehen können“.
„Integrierte Vorlaufzirkulation“
Diese „integrierte Vorlaufzirkulation“ ist seit 2013 patentiert, verbessert den Rücklauf im Heizwasserkreislauf und besteht im Wesentlichen aus einer kleinen Extraleitung im Vorlauf. In der Fürbergstraße bildet sie den dritten Teil der System-Kombination. „Wir ersparen uns in den Wohnungen ein konventionelles Heizsystem“, fasst Stampfer die für den kommunalen Wohnbau erstmalige System-Kombination zusammen. Die zu erwartenden Kosten klingen geradezu sensationell: „Was die zukünftigen jährlichen Heizkosten betrifft, werden wir auf ca. 3,50 Euro pro Quadratmeter kommen, das heißt für eine 70 m² große Wohnung ergeben sich jährliche Heizkosten von rund 245 Euro. Darin eingerechnet ist bereits ein gewisser Netzstromanteil, der für die Infrarotheizung aufgeht. Da die Kühlung ausschließlich über Solarstrom erfolgt, liegen die Kühlkosten im laufenden Betrieb für eine 70-Quadratmeter-Wohnung bei jährlich 2 Euro“, prognostiziert der Planer.
Forschungsprojekt und Monitoring
Flankiert wird das Projekt, dessen Baubeginn für Frühjahr/Sommer des kommenden Jahres geplant ist, einerseits von einem umfassenden Monitoring und andererseits von einem Forschungsprojekt der FH Salzburg. Deren Smart Building-Abteilung soll die Simulationen machen, während die ECA (Energy Consulting Austria), ein Tochterunternehmen das Stampfer zusammen mit der Heimat Österreich betreibt, im Rahmen des Monitorings unter anderem Fühler in den Betonkernen verwenden und Energiebilanzen erstellen wird.