Nachträglich und dezentral
In Wien 17 entsteht in einem komplexen Projekt ein Anergienetz (Niedrigtemperaturnetz) für mehrere Bestandsbauten. Tiefenbohrungen, Wärmepumpen, Solarthermie und Photovoltaik und eine Ringleitung sollten das Grätzel mit Solarenergie ressourcenschonend versorgen. Der Absprung von Eigentümern erschwert das Projekt.
Im Forschungsprojekt Geblergasse 11/13 im 17. Wiener Gemeindebezirk sollte gezeigt werden, dass eine nachträgliche, dezentrale und ressourcenschonende Grätzelbeheizung möglich ist. Konkret geht es darum, zu demonstrieren, wie man große, solare Energieerträge in 12 Tiefenbohrungen (à 120m) speichert, um diese Energie im Winter über Sole/Wasser-Wärmepumpen wieder aus der Erde zu fördern und mit sehr hohem Wirkungsgrad den Nutzern für Warmwasser und Heizung zur Verfügung zu stellen. Als Zusatznutzen wird zu Beginn des Sommers vorhandene Kühle der Erde genutzt, um sie via Fußbodenheizung an extrem warmen Sommertagen zur leichten Raumkühlung zur Verfügung zu stellen.
Initiator des Projektes ist der Eigentümer der Anwesen Geblergasse 11 und 13, der als Betreiber der beiden historischen Mehrfamilienhäuser mit großer Geduld und Engagement zeigen will, dass es auch in der Großstadt mit Bestandshäusern und Gartenanteilen möglich ist, nachhaltig mit Sonnenenergie zu heizen und auch die Nutzer mit Strom aus eigener Photovoltaikanlage über „smart-meter“ zu versorgen – wenn alle mitmachen. Als Planer wurde das Büro Käferhaus Gmbh engagiert und als Investor für die Heizzentrale konnte die Bau Consult Energy GmbH mit dem Projektverantwortlichen Franz Vogl gewonnen werden. Das Unternehmen baut und finanziert die Heizzentrale und verkauft die Wärme zu ortsüblichen Preisen – die unter jenen der Fernwärme liegen – an die Nutzer.
Um das Vorhaben zu realisieren, wurden die alten, vor der Jahrhundertwende erbauten Vororte-Häuser saniert (Thewosan) und mit Dachausbauten ergänzt. Die Außenwände wurden mit 15 Zentimeter Wärmeschutz (Styropor) gedämmt. Die Forschung hat ergeben, dass mit einer Dämmung von rund 15 cm auf ein Bestandsmauerwerk innere Oberflächentemperaturen der Außenwand von rund 19° zu erreichen sind. In Wohnungen wurden Fußbodenheizungen installiert – um die Räume mit niedrigen Temperaturen zu beheizen und sanft zu kühlen.
Abspringende Partner erschweren die Planung
Um das Projekt wirtschaftlich und ökologisch optimal zu gestalten, hat der Architekt versucht, weitere Nachbareigentümer von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu überzeugen. Dies gelang ihm auch anfangs, bis die hoffnungsvollen Partner des Hauses Geblergasse 15 absprangen, da sie dann doch eine billige Gasheizung vorzogen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem eingangs beteiligten Mehrfamilienhaus Ottakringer Straße 18 mit einer Nutzfläche von 1.830 m². Der Bau wurde nach Plänen von Architekt Martin Praschl vorbildlich als Energiespar-Mehrfamilienhaus geplant und sollte ebenfalls über die Geblergasse versorgt werden. Die Vorarbeiten dazu sind angelaufen, dann wurde das Haus verkauft, der neue Eigentümer eliminierte daraufhin die Planer und die Pläne. In konstruktiven Gesprächen werden die neuen Eigentümer motiviert, um sie von der Sinnhaftigkeit dieses vorbildlichen und nachhaltigen Projekts zu überzeugen.
Nicht abgesprungen ist die Eigentümerin des Hauses Ottakringer Straße 16, in dem 15 Wohnungen untergebracht sind. Dort wurden vor rund 20 Jahren sehr weitsichtig Tiefenbohrungen unter der Garage gesetzt und seither läuft eine Sole-Wasser-Wärmepumpe und versorgt das Mehrfamilienhaus mit Heizwärme und Warmwasser. In die Tiefenbohrungen dieses Objektes soll sommerliche Überschusswärme aus Geblergasse 11/13 eingespeist werden, um eine bessere Regeneration der Erde und damit eine höhere Leistungsziffer der Wärmepumpe zu erreichen, die im Verlauf dieses Projektes erneuert wird. In weiterer Folge ist auch beabsichtigt, weitere Objekte dieses Viertels in den geplanten Wärmeverbund zu integrieren. Zumindest ist die Wärmeverteilung der Versorgungsleitung auf zusätzliche Abnehmer ausgelegt. Womit man schnell zu einer grundsätzlichen Schwierigkeit kommt – der Dimensionierung der Versorgungsleitung. Wenn Partner plötzlich abspringen bzw. neue dazu kommen, muss einerseits genügend Kapazität vorhanden sein, andererseits können Leitungen und Pumpen nicht endlos dimensioniert werden, um alle Eventualitäten einzuplanen, auch wenn es sich, wie hier konkret, um ein System mit „kalter“ Nahwärme handelt. Alles spielt sich im Niedertemperaturbereich ab, sowohl bei der Versorgungsleitung als auch bei den Wärmeverteilsystemen in den Wohnungen und der Warmwasserbereitung für die Wohnungen Geblergasse 11 und 13. Übrigens: Die Wärmepumpe verfügt über eine Leistung von etwa 100kW, der Gaskessel als redundante Ersatzreserve hat auch rund 100 kW.
Dezentrale Warmwasseraufbereitung
Für die Warmwasserbereitung in den Wohnungen wurden 120 Liter Warmwasserboiler mit einem elektrischen Heizstab mit 1,5 kW und einen zusätzlichen Wärmetauscher eingebaut. Diese dezentrale Form der Warmwasserbereitung bietet den Vorteil, dass es keine Zirkulationsverluste gibt. Das, durch die Wärmepumpe erzeugte, Heizungswarmwasser auf einem Temperaturniveau von rund 35°C erwärmt via Wärmetauscher das Wasser im Boiler auf rund 32°C. Für die notwendige Nachheizung des Warmwassers auf ca. 40°C wird elektrischer Strom eingesetzt, der, wenn vorhanden, von der eigenen PV-Anlage geliefert wird. Im Sommer wird das Warmwasser vorzugsweise durch die auf dem Dach installierten Hybridkollektoren bereitet. Die sind zwar teurer als getrennte Systeme – thermische Sonnenkollektoren und Photovoltaikzellen –, kamen jedoch aus Platzgründen zum Einsatz. Was die Nutzung und Verteilung des Photovoltaik-Stroms anbelangt, ist die wichtigste Voraussetzung das Vorhandensein von „smart metern‘‘ für jeden Nutzer. Hier ist die Wien Energie, abgesehen von wenigen Versuchsanlagen, noch ziemlich säumig. Dem neuen ELWOG-Gesetz gemäß hat allerdings jeder Strombezieher das Recht auf ein „smart meter“, das ihm nach schriftlicher Anforderung innerhalb eines halben Jahres eingebaut werden muss. Angekündigt ist weiters der Entfall von Netz-Nutzungsgebühren für PV-Strom innerhalb eines Trafogebietes. Kommt diese Regelung tatsächlich, steigt der Anreiz, sich eine PV-Anlage aufs Dach zu montieren, um den Überschussstrom Mitbewohnern im Haus anzubieten bzw. auch für Elektromobilität Ladestationen, oder zumindest Strom dafür, bereit zu stellen. Noch ist das Zukunftsmusik.
Bedeutung der Regeltechnik
Ein wesentlicher Aspekt in einem solchen Forschungsprojekt ist eine intelligente, unkomplizierte und dennoch einfache Regeltechnik. Diese wurde im System der „TA“ („technischen Alternative“) gefunden, die in ihrer Vielfalt und durch geringe Kosten besticht. Mit diesem Regelungssystem können alle Betriebszustände geregelt und optimiert werden. Es werden entsprechende Kurven dargestellt und der Betreuer der Anlage kann sich über das Internet in diesen Datenfundus einwählen und die Energieflüsse optimieren. Natürlich braucht es bei komplexen Projekten nach Einführung und Inbetriebnahme immer eine Phase der Einregulierung, der Kontrolle und der Optimierung. Im konkreten Projekt wurde ein Student des Technikums Wien mit seiner Masterarbeit beauftragt, gemäß seiner vorweg durchgeführten dynamischen Simulationen, die Anlage zu kontrollieren und regeltechnisch zu optimieren.
Resümee des Zukunftsprojektes Geblergasse
1. Wir haben kein Energieproblem, sondern ein Speicherproblem.
2. Das zukunftsweisende Projekt „Geblergasse“ zeigt dazu einfache, nachhaltige, gangbare und vorbildliche Wege auf.
3. Aufgrund der wärmeren Zeiten, auf die wir jetzt zugehen, wird die Frage der Kühlung immer virulenter.
Wichtiger Aspekt: In Gebieten, in denen mehrere (Bestands-) Häuser mit Wärme oder Kälte versorgt werden, benötigen nie alle Bewohner gleichzeitig die gesamte Wärme oder Kälte. Der zweite Grundsatz ist, wo immer mit Wärmepumpen gearbeitet wird, entsteht auf der einen Seite der Wärmepumpe Wärme und gleichzeitig auf der anderen Seite der Wärmepumpe Kälte. Es wird also in Zukunft sehr wichtig sein, dass man Verbraucher von Wärme via Wärmepumpe mit Nutzern von Kälte verknüpft und nicht, wie bisher, die Abwärme nutzlos an die Atmosphäre abgibt. Wir müssen uns klar vor Augen halten, dass elektrische Überschussenergie – wo auch immer und wie auch immer – intelligent zwischengespeichert werden muss, seien es nun Pumpspeicherkraftwerke oder – wie im Projekt Geblergasse – Erdkörper, wo elektrische Überschuss-Energie, durch eine Wärmepumpe in Wärme transformiert, in einem Erdkörper gespeichert wird, wenn schon alle Baumassen vorgewärmt sind.
Für die Nutzer heißt das, sie müssen flexibel sein und bei diesen Systemen mitgehen. Über intelligente Regelungen mit Wetterprognosemodellen und selbst lernenden Systemen müssen sie erlauben, dass im Winter tagsüber, wenn sie ihre Wohnungen nicht nutzen, diese Wohnungen mit Überschußstrom, etwa aus Windkraft oder Photovoltaik, auf höhere Raumtemperaturen als 22°C aufgewärmt werden, damit abends durch Speicherung in Baumassen und Estrichen von Fußbodenheizungen, angenehme Raumtemperaturen geboten werden. In diesem Fall braucht man abends, wenn keine Sonne mehr scheint, keinen Strom mehr für Wärmepumpen.
Zusätzlich muss auf politischer Ebene weitaus mehr Druck auf Nutzer zur CO2-Vermeidung aufgebaut werden. Dazu kommt, dass Immobilieneigentümer künftig wohl mehr im Sinne der Gemeinschaft denken müssen.