Die 3 Phasen-Bauer
Die Grazer balloon architekten betiteln ihre soeben herausgebrachte Broschüre mit „-1 / 0 / 1+“, die symbolisch für die Phasen eines Projektes stehen. An Einfamilienhäuser glaubt das Grazer Architekt:innen-Duo nicht.
Diese Zahlen stehen symbolisch für die drei Phasen, die ein Projekt idealerweise durchläuft. Die Phase -1 steht für Orts- und Stadtentwicklungskonzepte. Die Phase 0 beschäftigt sich mit der Projektentwicklung und dem architektonischen Konzept. Im besten Fall kommt ein Projekt erst dann in die Phase 1+, die für die Planung und Umsetzung steht. Im Buch präsentieren wir unsere Herangehensweise in allen drei Phasen – eine Bandbreite an Planungsleistungen, die nicht viele Büros abdecken“, erklärt Architektin Iris Rampula. Sie führt gemeinsam mit Architekt Johannes Wohofsky das Grazer Architekturbüro balloon architekten, das ihnen je zur Hälfte gehört. „Nur Büro- und nicht Lebens-Partner“, wie die Beiden festhalten. Als Kernthema ihrer Architektur bezeichnen Rampula/Wohofsky den „kontextsensitiven Umgang mit dem Bestand bzw. Umbau in den Bereichen Bildung, Kultur, Wohnen, Gesundheit und dem öffentlichen Raum. Wir betrachten die Bauaufgabe stets größer, untersuchen die städtebauliche Dimension eines Ortes und nehmen die Kontexte auf, um sie gegebenenfalls zu unterstreichen. Unsere Projekte sind präzise Antworten auf die Anforderungen dieser Kontexte und nehmen den gesamten Leistungsprozess konzeptionell vorweg“.
balloon ist ein Phantasie-Name
Wer beim Namen balloon an das Entschweben eines Heißluftballons denkt, liegt laut Rampula völlig falsch: „Das ist ein Phantasie-Name und war der Name eines Kollektivs in der Studienzeit. Es gibt keine tiefere Bedeutung. Vielleicht ist er ein Symbol für Leichtigkeit und gleichzeitig Love“. Entstanden ist das heutige Büro aus dem Kollektiv balloon:architektur (1968), das bis zu acht Mitglieder hatte, sich ein Büro in Graz teilte und an Wettbewerben teilnahm. „Mit Akquirierung und Bearbeitung erster Realisierungsaufträge gründeten wir gemeinsam mit Andreas Gratl 2003 unser Büro balloon-Wohofsky ZT-KG“, heißt es in der Büro-Chronik. „2016 erfolgte die Umwandlung des Büros in die balloon architekten ZT-OG und 2022 verließ Andreas Gratl das Unternehmen“.
Das Büro balloon besteht derzeit aus drei Frauen und vier Männern, zu denen noch eine Studentin kommt. Im Vorjahr wurde „nicht ganz“ eine Million Euro Umsatz gemacht – „Wir können in jedem Fall davon leben“, so die Architektin – „doch heuer ist eine schwierige Zeit, auch bei Wettbewerben. Wir spüren die Bauflaute, vor allem im Wohnbau. Auch gewonnene Projekte werden auf Eis gelegt“.
Schulen in Realisierung
Derzeit hat das Duo zwei Schulen in der Realisierung: Einerseits den Bildungscampus Zeltweg und andererseits die Richard-Wagner-Schule in Villach. „Der Bildungscampus in Zeltweg wurde kürzlich abgeschlossen und hat zwei Preise gewonnen“, erklärt die Architektin im Gespräch mit Building Times. Dabei wurden die Gebäudeteile, die sowohl aus der Gründerzeit als auch aus den 1960er-Jahren stammen, von der Arge reitmayr architekten (Graz)/balloon architekten umfassend revitalisiert, „womit auch der Ortskern gestärkt und das Zentrum belebt werden sollte“, heißt es in der Projektbeschreibung. „Die Neustrukturierung der Gebäudefunktionen und die Anpassung an moderne Lernformen steigern die Attraktivität der Kombination aus Volksschule, Mittelschule, Schulverwaltung und Stadtbibliothek erheblich“, heißt es weiter. Später hat die Arge auch die Außenanlagen in öffentlich zugängliche Sport- und Freizeitanlagen umgestaltet, „um die Nutzungsmöglichkeiten für die Stadtbewohner:nnen zu erweitern“.
Spezialität Bauen im Bestand
Unter dem Motto „Neues Lernen in alten Mauern“ steht die Sanierung der denkmalgeschützten Richard-Wagner-Schule in Villach, die in einem malerischen Viertel der Drau-Stadt liegt und bereits die unterschiedlichsten Schultypen beherbergt hat. Jetzt soll sie durch balloon architekten modernisiert werden. „Bauen im Bestand ist eine Spezialität des Büros“, sagt dieses dazu, und „hat schon im Wettbewerb festgestellt, dass ein Zubau zur Unterbringung von 12 Volksschulklassen und vier Kindergartengruppen nicht notwendig ist. Behutsame Eingriffe an den richtigen Stellen ermöglichen ein zeitgemäßes Lernen und Spielen im viergeschoßigen Gründerzeitbau“. Rampula dazu: „Mit dem Bestand auszukommen im Interesse der Nachhaltigkeit ist auch ein bisschen ein Schwerpunkt von uns“. Was perfekt dem auf der Homepage deklarierten Motto entspricht: „Kiss – Keep it simple and significant“.
Wettbewerbe spielen zentrale Rolle
In Planung seien derzeit Schulen im Sinn von Wettbewerben, etwa für einen Bildungscampus in Bruck/Leitha oder für drei Schulen in Graz, „da gibt es jeden Monat eine Abgabe. Wir machen auch bei Wettbewerben für Gymnasien mit, beispielsweise in Graz und in Neunkirchen“, sagt Rampula. Dafür würden „unbedingt“ auch Modelle gebaut, Arbeits- und Präsentations-Modelle, auch in 3-D, sowie Scans angefertigt. Wettbewerbe spielten eine große Rolle, „die sind unsere Haupt-Akquisitionsquelle. Auf öffentliche Auftraggeber ist Verlass, auch Verhandlungsverfahren spielen eine zentrale Rolle“, erklärt die Architektin, die zwei Kinder hat und als Hobbys „Reisen, Interkulturalität und Yoga“ nennt. Wohofsky hingegen ist gerne in der Natur, „mit der Familie und Freunden, mit dem Fahrrad gerne in Tirol, Ost- und Südtirol, aber auch in den Bergen“. Wichtigstes Projekt des Büros sei das „Theater im Palais“ in Graz, das 2014 saniert wurde, denn „das hat so eine Ausstrahlung gehabt, dass wir verstärkt wahrgenommen wurden, auch für die Mitarbeiter-Gewinnung“. Als liebste Projekte würden jene geschätzt, die gemeinsam mit dem Auftraggeber entwickelt würden, der Bildungscampus Zeltweg wird dann aber doch explizit genannt.
Einfamilienhäuser seien ein No-Go, „denn wir glauben nicht daran. Einfamilienhäuser sind kein Zukunftsmodell und wenig ressourcenschonend“, so Rampula. In den 22 Jahren ihrer Selbstständigkeit habe sich viel verändert, vor allem das Thema „Nachhaltigkeit“ komme jetzt langsam in die Gänge, sei aber leider noch nicht State-of-the-Art, auch wenn die öffentlichen Auftraggeber sehr ehrgeizig seien. Für die Gesellschaft könne Architektur zum Lebensraum für jeden einzelnen beitragen, für eine offene Gesellschaft. Die Klima- und Energie-Krise hätten erhebliche Auswirkungen auf ihre Arbeit, erklären Rampula und Wohofsky, denn: „Wir überarbeiten schon unsere eigenen Projekte, auch die Platz-Gestaltungen. Jetzt gibt es auf den Plätzen Überhitzungen und wir haben derzeit Planungen laufen, wie man die Plätze klimatisch verbessern kann“.