Alles im Flow

Markus Diesenberger, Geschäftsführer von Georg Fischer (GF) in Österreich, spricht über 40 Jahre Marktpräsenz, den Zusammenschluss mit Uponor, robuste Produktzyklen – und warum Kühlung zur größten Effizienzreserve in Gebäuden wird.

Der börsennotierte Schweizer Konzern Georg Fischer, kurz GF, hat das Ziel globaler Marktführer im Bereich Flow Solutions für Industrie, Infrastruktur und Gebäude zu werden. 2023 wurde zu diesem Zweck die finnische Uponor übernommen, zugleich fiel die Entscheidung, sich von den Divisionen Machining Solutions und Casting Solutions zu trennen. GF zählt rund 15.700 Beschäftigte und ist in 46 Ländern präsent. Im Jahr 2024 erzielte der Schweizer Konzern einen Umsatz von knapp 4,8 Milliarden Schweizer Franken. Einen Beitrag dazu liefert auch GF Österreich mit den beiden Sparten: Uponor unter der Leitung von Rudolf Donner fokussiert sich auf die Gebäudetechnik, während der Zweig Industry and Infrastructure Flow Solutions von Markus Diesenberger gemanagt wird. Er und sein Team betreuen von Loosdorf aus neben Österreich auch die Märkte Tschechien, Slowakei und Ungarn.

Im Building Times-Exklusiv-Interview erklärt Markus Diesenberger, warum er zuversichtlich ist, dass GF hierzulande weiterhin wachsen wird, weshalb die Nähe zu Planer:innen sinnvoll und nützlich ist und warum er in der Kühlung einen großen Effizienzhebel sieht.

Interview: Markus Diesenberger

Building Times: Herr Diesenberger, GF hat in Österreich eben das 40-Jahres-Jubiläum gefeiert. Sie selbst sind gut fünf Jahre im Unternehmen. Was waren die prägenden Momente? Was hat das Unternehmen stark gemacht?

Diesenberger: Zwei Dinge: erstens ein Team, das Veränderungen nicht fürchtet, sondern aktiv gestaltet. Zweitens eine Kultur der klaren Kommunikation – intern wie zum Markt. In vier Jahrzehnten gab es neben unseren qualitativ ausgezeichneten Produkten auch Integration, Ausgliederungen, Verkäufe und Standortwechsel. Das funktioniert nur, wenn alle wissen, was kommt. Diese „Keine Scheu vor Veränderung“ ist für mich die Quelle unserer wirtschaftlichen Widerstandskraft.

BT: Sie haben in der Wachau gefeiert, warum?

Diesenberger: Wir hatten Gäste aus sechs Ländern geladen – Planer, Anlagenbauer, Handel, Produktionskollegen. Und wir haben bewusst in der Wachau gefeiert, wo GF Österreich seine Wurzeln hat. Das hat allen Gästen gefallen und ich meine, dass Netzwerk, Vertrauen, Dialog für Technikmärkte wichtiger sind als jede Kampagne.

BT: Wie groß ist Ihre Einheit jetzt?

Diesenberger: Inklusive Slowakei betreuen wir den Flow Solutions Markt mit aktuell 31 Kolleg:innen. Ungarn ist für die nächsten drei bis fünf Jahre im Fokus – heute arbeiten wir dort noch mit zwei starken Handelspartnern, bereiten aber einen strukturierten Markteintritt vor.

BT: Wie sichern Sie die Marktnähe in vier Ländern?

Diesenberger: Mit einem kompakten Team, klaren Rollen und einem klugen Reise- und Meeting-Mix. Wir sind viel unterwegs, nutzen aber auch den Zug und digitale Formate. Wichtig ist die Entlastung durch gewachsene Strukturen – Präsenz ja, aber dort, wo sie Wert stiftet.

BT: Der globale Zusammenschluss mit Uponor hat die Branche aufhorchen lassen. Wie wirkt sich das inzwischen in Österreich aus?

Diesenberger: Es ist inzwischen gelebte Kultur. Am Anfang braucht jedes neue Miteinander ein Kennenlernen, klare Aufgaben, definierte Prozesse. Heute denken wir viel weniger in Silos – Industrie und Versorgung hier, Haustechnik dort – sondern nutzen Synergien dort, wo die Technik den gleichen Strang bildet, etwa bei durchgängigen Systemlösungen vom Gebäudeinneren bis zur Versorgung außen. Das macht uns am Markt schlagkräftiger und reduziert Reibungsverluste.

BT: Bedeutet das auch Verschiebungen in der Umsatzverantwortung?

Diesenberger: Ja. Per 1. Juli ist der Haustechnik-Bereich der früheren Sanipex organisatorisch unter die Verantwortung von Rudolf Donner gewandert. In meiner Verantwortung liegt die Industry & Infrastructure Flow Solutions-Division. Rückflüsse gab es keine, dafür evaluieren wir neue Produktsegmente und bringen sie in den Markt. Der Punkt ist: klare Verantwortung, klare Zuständigkeiten – das erhöht Geschwindigkeit und Effizienz.

BT: GF ist jetzt also mit zwei Divisionen in Österreich vertreten. Bleibt die neue Struktur so?

Diesenberger: Industry & Infrastructure Flow Solutions und Building Flow Solutions sind getrennte Einheiten. Unterschiede in Kunden, Zyklen und Projektrisiken rechtfertigen diese Struktur – Synergien nutzen wir über klare Schnittstellen, nicht über organisatorische Vermischung.

BT: Wo steht Ihre Sparte in Österreich 2025 stärker da, in der Infrastruktur oder der Industrie?

Diesenberger: Heuer war Infrastruktur leicht vorn.Der Hochbau war zuletzt bekanntlich nicht das Wachstumsfeld.

BT: Wie sieht das Vertriebskonzept aus: Klassisch dreistufig über den Großhandel oder direkt?

Diesenberger: Beides – und zwar bewusst. Für das Tagesgeschäft und die Lagerlogistik ist der dreistufige Weg essenziell. Bei komplexen, technisch anspruchsvollen Projekten – Datacenter, Mikroelektronik – gehen wir zweistufig, sehr nahe an Planer und Anlagenbauer. Dort passen die kaufmännischen Profile oft nicht zum Dreistufenmodell. Die Kunst ist es, die Kanäle entlang der Projektrisiken zu wählen, nicht aus Tradition.

BT: In Österreich arbeiten Sie eng mit großen Handelsgruppen zusammen. Was ist daran strategisch?

Diesenberger: Reichweite, Kompetenz, Verfügbarkeit. Für Cool-FIT haben wir eine Vereinbarung mit einem Partner, der das größte Lager in Österreich führt – das beschleunigt Projekte. Und über die Haustechnik-Schienen der Gruppe können wir zusätzlich wachsen – insbesondere dort, wo wir mit der Marke Uponor stark sind. Vertrieb ist Wirtschaftlichkeit: Die beste Technik nützt wenig, wenn Material nicht verfügbar ist oder Schnittstellen kosten.

BT: Wie beobachten Sie die Wettbewerbssituation?

Diesenberger: In Industrie und Versorgung gibt es eine Reihe starker Anbieter. Wir versuchen dort zu punkten, wo Qualität, Systemdenken und Projektnähe als Lösung gefragt sind. Herausfordernd ist es immer dann, wenn der reine Einkaufspreis isoliert bewertet wird. Lebenszyklus-Kosten zeigen am Ende fast immer, dass konstante Qualität günstiger ist.

BT: Produktzyklen sind in der Haustechnik oft kurz. Wie ist das in Ihren Segmenten?

Diesenberger: Industrieseitig gilt das Gegenteil: Langlebigkeit statt Moden. Kommunen, Wasserversorger und Anlagenbauer verlassen sich auf konstante Qualität – bei PE-Rohr, Kupplung, Armatur. Richtig geplant und verbaut sprechen wir über Lebenszyklen von deutlich über 80 Jahren. Da ist es kontraproduktiv, jedes Jahr einen neuen Fitting oder ähnliches zu erfinden. Innovation passiert eher dort, wo sie Wirtschaftlichkeit und Handling klar verbessert: geringeres Gewicht, weniger Korrosion, leichterer Einbau und geringere Betriebskosten.

BT: Auf der Website wird das Produkt „Cool-FIT“ als Game-Changer bezeichnet. Was ist daran so besonders?

Diesenberger: Cool-FIT ist ein vorisoliertes Kälteleitungsrohrsystem aus Kunststoff – in Dimensionen von DN 32 bis 630, inklusive Formteile und Armaturen. Es adressiert die Kostenseite an mehreren Stellen. Gegenüber Metall entfallen Korrosionsrisiken, die Montage ist durch das geringe Gewicht schneller und personalärmer, die Statik einfacher, die Wartung minimal. In Summe senkt das Investitions- und Betriebskosten – und genau darauf schauen Investoren, Betreiber und Planer.

BT: Wo kommt das Rohrsystem zum Einsatz?

Diesenberger: Überall, wo Prozesse oder Gebäude kühlen – von Klimatisierung über Prozesskälte bis Food & Beverage-Logistik – ist das Kostenprofil mit Cool-FIT schlicht attraktiver.

BT: Kühlung statt Heizung – ist das die ökonomische Stoßrichtung der nächsten Jahre?

Diesenberger: Ich denke ja. Der größte Effizienzhebel in vielen Gebäuden ist künftig die Kühlung. Dazu kommt die Prozesskälte – Datacenter, Mikroelektronik, Lebensmittelketten. Bei all dem sehen wir Chancen. Interessant ist auch die Kombination mit Uponor-Lösungen: Bauteilaktivierung oder Kühldecken innen und eine saubere, verlustarme Anbindung mit Cool-FIT außen – das ist technisch plausibel und wirtschaftlich sauber, weil Schnittstellen reduziert werden.

BT: Stichwort Druckmanagement in der Versorgung: Was kann „NeoFlow“?

Diesenberger: NeoFlow ist ein druckregelndes bzw. druckhaltendes Ventil für die Wasserverteilung. Es schützt Netze bei Druckspitzen und verlängert die Lebensdauer des Gesamtsystems – das ist klassischer Werterhalt und damit Wirtschaftlichkeit über den Lebenszyklus. Ein Ventil, das Ausfälle verhindert, spart real Geld.

BT: Kommen wir zu BIM, Daten und Kreislaufwirtschaft. Wie weit ist der Markt aus Ihrer Sicht?

Diesenberger: In unseren industriellen Segmenten ist BIM kein täglicher Treiber wie in der klassischen Haustechnik. Aber: Datenqualität – von Produkt- und ERP-Daten bis zu Rückbau- und Recycling-Informationen – wird wichtiger. Planer und Betreiber wollen verlässliche, maschinenlesbare Informationen. Da investieren wir – nicht als Selbstzweck, sondern weil Daten wirtschaftliche Entscheidungen vereinfachen.

BT: Wie laufen Industrieprojekte ab? Wird im Bau genauso viel „umgeplant“ wie in der Gebäudetechnik?

Diesenberger: Nein. Industrieprojekte sind hochspezifiziert. Planungsbüros arbeiten nach sehr konkreten Vorgaben der Betreiber – etwa bei Direct-to-Chip-Kühlung, Rack-Layouts oder Skin-Designs in Datacentern. Späte Änderungen sind kaum möglich. Deshalb ist die frühe Nähe zum Planer und Betreiber entscheidend – wird ein Hersteller, wie GF, gesetzt, bleibt es in der Regel dabei. Umgekehrt kommen Sie nur mit belegbarer Qualität und Projektkompetenz in solche Spezifikationen hinein.

BT: Gibt es Felder, von denen Sie sich in den kommenden Jahren zusätzlich Potenzial versprechen?

Diesenberger: Neben Datacenter und Mikroelektronik sehe ich Food & Beverage-Kühlketten, Aquakultur, landwirtschaftliche Bewässerung sowie „New Energies“ – Wasserstoff und Elektrifizierung – als attraktive Arenen. Überall dort sind Dichtigkeit, Medienbeständigkeit und Montagegeschwindigkeit kritisch – das spielt robusten Kunststoffsystemen in die Karten.

BT: Stichwort Revitalisierung, ist das in der Industrie nicht auch ein Thema?

Diesenberger: Ja, das sehen wir. In Chemie und Lebensmittel ist der Shift von Metall zu Kunststoff wirtschaftlich nachvollziehbar: geringere Korrosionsrisiken, längere Lebensdauer, niedrigere Wartung. Wer im Bestand erneuert, rechnet spitzer – Total Cost of Ownership schlägt den vermeintlich günstigen Einkauf.

BT: Wie innoviert man im industriellen Rohrleitungsbau, ohne die Konstanz zu gefährden?

Diesenberger: Ein Beispiel ist die Kunststoff-Absperrklappe AK-565: gleiche Performance wie eine metallische, aber deutlich weniger Gewicht – die Installation wird schneller und sicherer. Das ist echte Effizienz: weniger Hebezeuge, weniger Mannstunden, weniger Fehlerquellen. So sieht sinnvolle Innovation aus.

BT: Zurück zur Technik: Wenn Sie einem Betreiber drei harte Effizienzfragen stellen müssten – welche wären das?

Diesenberger: Erstens: „Wo verlieren Sie heute Energie durch Korrosion, falsche Isolation oder unnötige Pumpenarbeit?“ Zweitens: „Wie sieht der Kühlbedarf 2030 aus – prozess- und klimabedingt?“ Drittens: „Welche Lebenszyklus-Kosten belegen Ihre Material- und Systemwahl?“ Wer diese drei Punkte sauber beantwortet, entscheidet fast automatisch pro langlebige, korrosionsfreie Systeme und intelligente Druck- und Kühlkonzepte.

BT: Was raten Sie Planern, die stärker in Industrie/Versorgung einsteigen wollen?

Diesenberger: Frühzeitig die Spezifikation mit dem Betreiber schließen, Datenanforderungen festzurren, Montagerisiken minimieren – und bei Materialfragen konsequent TCO rechnen. Dazu gehört, mit Partnern zu arbeiten, die die Supply-Chain und die Baustellenlogistik im Griff haben. Ein gutes System ist nur so gut wie seine Verfügbarkeit am Tag X.

BT: Wo sehen Sie die größten technischen Fehlanreize in Projekten?

Diesenberger: Wenn Einkaufspreise ohne Betriebskosten betrachtet werden. Ein vermeintlich „billiges“ Bauteil kann durch Wartung, Ausfälle oder kürzere Lebensdauer am Ende das Teuerste sein. Bei Kühlung und Versorgung potenziert sich das, weil die Systeme permanent laufen. Deshalb ist Konstanz – in Werkstoff, Geometrie, Verbindungstechnik – nicht nostalgisch, sondern betriebswirtschaftlich.

BT: Eine persönliche Frage zum Schluss: Was nehmen Sie aus fünf Jahren GF für die nächsten fünf mit?

Diesenberger: Veränderung als Weg in die Zukunft– mit ruhiger Hand und klaren Botschaften. Technisch: Kühlung, Prozesskälte und Netzstabilität werden die großen Hebel. Wirtschaftlich: Lebenszyklus schlägt Schnellschuss. Organisatorisch: Silos abbauen, Zuständigkeiten schärfen.

BT: Szenenwechsel: In Österreich wird viel über eine drohende Deindustrialisierung gesprochen. Spüren Sie Standortverschiebungen?

Diesenberger: Wir sehen starke Ansiedelungsdynamik in Ungarn, Tschechien, der Slowakei. In Österreich sind Lohn- und Standortkosten sowie Bürokratie in Summe herausfordernd. Das ist kein reines Österreich-Thema, sondern ein europäisches. Für uns heißt das: CEE offensiv entwickeln, in Österreich fokussiert investieren – und Projekte wirtschaftlich noch sauberer argumentieren.

BT: Letzte Frage, was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Diesenberger: Nachdem ich am Traunsee wohne, sind es ganz klar die Berge, mit dem Bike oder mit den festen Schuhen. Und ich laufe regelmäßig.

BT: Auch Marathons?

Diesenberger: Bei mir sind es Halbmarathons.