„Wir investieren kräftig“
Herz feiert sein 125-Jahres-Jubiläum mit einem neuen Umsatzrekord. Mit einer Investitionsoffensive werden Standorte im In- und Ausland ausgebaut und modernisiert, um das weitere Wachstum zu forcieren.
Die Zentrale von Herz, dem einzigen namhaften Gebäudetechnik-Hersteller Österreichs, in der Wiener Richard-Strauss-Straße ist ziemlich unscheinbar. Und sie platzt aus allen Nähten, weshalb das Unternehmen demnächst einen vierstöckigen Zubau mit einer Fläche von rund 2.400 m² erhält. Die Pläne dafür sind fast fertig und sobald die letzten Details geklärt sind, wird der Spaten für das 4-Millionen-Investment gestochen. Fast fertig ist hingegen der Ausbau in Rohrbach an der Gölsen, einer der insgesamt 40 Produktionsstätten der Herz-Gruppe. Dort wurden mehrere Millionen Euro in Büros und Produktionsflächen investiert.
Das seit 1989 von Gerhard Glinzerer geführte Unternehmen investiert aber auch im Ausland kräftig. In Allersberg, in der Nähe von Nürnberg, wird um ein paar Millionen Euro eine neue Deutschland-Zentrale für die Herz Energietechnik und Armaturen samt Schulungsräumen und Lager adaptiert. Damit richtet Herz verstärkt den Fokus auf Biomasse und Armaturen im Nachbarland. Im serbischen Niš wird die Produktion um einige Millionen Euro erweitert und in Kiew wurden 600 m² Büro gekauft. Auch in Slowenien steht ein größeres Ausbauprojekt an, dort wird die bestehende Feinarmaturenproduktion ausgebaut. Bereits fertig ist ein Projekt in Polen, in das ebenfalls mehrere Millionen Euro geflossen sind.
Umsatz-Rekord wird getoppt
Mit den Ausbauten macht sich Herz fit für die Zukunft. Für das laufende Jahr werden die Unternehmen der Gruppe mit ihren rund 3.500 Beschäftigten deutlich mehr als 600 Millionen Euro Umsatz machen. Vor drei Jahren waren es noch etwa 450 Millionen Euro, die mit 31 Betriebsstätten erwirtschaftet wurden. Und vor gut 30 Jahren, als Glinzerer sich die damals marode Firma Herz zur Brust nahm, wurden rund 13 Millionen erwirtschaftet. Ein Gutteil des Wachstums beruht auf der regen Reisetätigkeit und der Expansionslust des gebürtigen Steirers. Er hatte den Mut und die Weitsicht 1990 in Polen eine Tochterfirma zu gründen – dort ist Herz heute „starke Nummer 2 am Markt“, wie Glinzerer sagt. Es folgten Niederlassungen in vielen Ländern Süd- und Osteuropas und inzwischen werden Herz Armaturen im gesamten arabischen Raum, in Äthiopien und in Neuseeland verbaut. Insgesamt sind es rund hundert Länder, in denen die Produkte in Gebäuden zum Einsatz kommen. Ganz ähnlich stellt sich die 2014 in die Gruppe integrierte Hirsch Servo dar. Sie ist inzwischen Europas größter EPS-Verarbeiter und liefert zugleich Maschinen für die EPS-Verarbeitung zu Kunden in die ganze Welt.
Alt, aber anhaltend expansiv
Ein Ende der Erfolgsstory ist nicht in Sicht. „Wir versuchen dort, wo wir sind, zu verdichten. Die Kollegen aus dem arabischen Raum blicken etwa nach Schwarzafrika. Auch nach Indien und Pakistan strecken wir die Fühler aus“, erklärt Glinzerer. Und: Weitere Zukäufe seien nicht ausgeschlossen, denn die Branche sei seiner Ansicht nach noch nicht konsolidiert.
Die Geschichte von Herz wird also weitergehen. Begonnen hat sie vor 125 Jahren. Damals gründeten Franz Gebauer und Viktor Lehrner die Metallwarenfabrik und Gießerei „Gebauer & Lehrner“. In der Herzgasse in Wien-Favoriten wurden Armaturen und Zapfhähne gefertigt. Ab 1973 wurde diese Gasse zum Namensgeber des heutigen Unternehmens.
Heute ist Herz ein global agierender Gebäudetechnik-Konzern, der nicht nur im Bereich Armaturen und Heizungstechnik ein riesiges Programm bietet, sondern auch bei Dämmstoffprodukten weltweit be- und anerkannt ist.
Das entscheidende Datum dafür war der 1. April 1989. Mit diesem Tag übernahmen Maximilian Gessler und Gerhard Glinzerer das in Schräglage gekommene Unternehmen. Sie formten das Unternehmen um, erneuerten mit geringem Budget den Maschinenpark und investierten viel Zeit und Hingabe. Nach einigen Jahren verkaufte Gessler an seinen Kompagnon – seither ist Glinzerer Alleineigentümer.
INTERVIEW: Gerhard Glinzerer
Building Times: Herr Glinzerer, Ihr großes Herz-Abenteuer startete 1989. Gab es im Verlauf der Expansion Momente, in denen Sie gezweifelt haben?
Gerhard Glinzerer: Nein, eigentlich nicht. Es gab Rückschläge und Dämpfer, aber nicht das Denken an ein Scheitern. Das hat zwei wesentliche Gründe. Herz hatte treue Bestandskunden in Österreich, den Niederlanden und Großbritannien und einigen anderen Ländern, die es zu beliefern galt. Dazu kam die Gunst der Stunde. Die Übernahme von Herz erfolgte am 1. April 1989 und in den Monaten danach kollabierte die Sowjetunion, und die osteuropäischen Länder erlangten ihre Freiheit. Damit eröffnete sich ein riesiger Markt, den man mit sehr geringen Investitionen angehen konnte. Es gab dort damals so gut wie keine Armaturenindustrie nach westeuropäischen Maßstäben, weil die Energie ja vom Staat geliefert wurde. Eine derartige Expansion wäre in Deutschland und dem dort präsenten Mitbewerb unmöglich gewesen.
Building Times: Für Herz endet bald das Jubiläumsjahr und die Märkte boomen, wird 2021 für die Gruppe auch ein Rekordjahr?
Gerhard Glinzerer: Umsatzmäßig auf jeden Fall, da die Rohstoffpreiserhöhungen von uns weitergegeben werden müssen, weil wir ansonsten das 126. Jahr nicht überleben würden. Das Ausmaß der Preissteigerungen ist teilweise absurd hoch.
Building Times: Wie absurd?
Gerhard Glinzerer: Es bewegt sich durchwegs im zweistelligen Prozentbereich von zehn, zwanzig bis zu dreißig Prozent. Solche Größenordnungen lassen sich nicht durch Produktivitätssteigerungen einfangen.
Building Times: Welche Bereiche sind besonders dramatisch?
Gerhard Glinzerer: Vieles ist aus den Fugen geraten. Das betrifft die Logistik, die Verfügbarkeit und man hat da und dort auch das Gefühl, dass es auf der Rohstoffseite gewisse Verhaltenskartelle gibt, die dafür sorgen, dass nicht zu viele Materialien verfügbar sind. Damit lässt sich derzeit eine goldene Nase verdienen.
Building Times: Haben Sie mit Halbleitern auch Probleme?
Gerhard Glinzerer: Ja, weil wir Produkte zukaufen, bei denen Elektronik verbaut ist, bei Antrieben zum Beispiel. Ich denke, dass die derzeitigen massiven Probleme bei drehzahlgeregelten Umwälzpumpen auch daher rühren. Das ist derzeit absolute Mangelware. Ich habe die Nachkriegszeit nicht erlebt, die jetzige Situation erinnert mich aber an die Erzählungen von den seinerzeitigen Lebensmittelmarken.
Building Times: Denken Sie, dass sich das Bewusstsein für Lieferketten in Europa durch die jetzige Situation verändern wird?
Gerhard Glinzerer: Ja, aber irgendwann zählt wieder nur der Preis und der Mensch vergisst sehr schnell. Uns trifft es nur über unsere europäischen Lieferanten, die ihrerseits elektronische Komponenten aus Asien beziehen. Wir haben schon immer danach getrachtet, möglichst viel im eigenen Haus zu haben. Wir haben ein Bukett an Produktionsstätten, in denen wir gießen, schmieden, lasern, kanten, stanzen und schweißen. Aber alles kann man nicht im Haus machen.
Building Times: Gibt es Produktgruppen, die gar nicht lieferbar sind?
Gerhard Glinzerer: Nein, es gibt teilweise Verzögerungen oder wir können nicht die gewünschten Mengen liefern, etwa bei Kunststoffrohren, die nebenbei auch deutlich teurer geworden sind. Das ist auch ein Nebeneffekt der Wärmepumpen und den Flächenheizungen.
Building Times: Das heißt, auch hier sind die Granulate teurer geworden?
Gerhard Glinzerer: Nicht nur, auch die in einem Kunststoffrohr integrierte Sauerstoffsperre hat sich deutlich verteuert.
Building Times: Biomasse-Kessel und Wärmepumpen machen in der Gruppe etwa 10 Prozent des Umsatzes aus und sind inzwischen europaweit knapp. Profitiert die Herz-Energietechnik von diesem Boom?
Gerhard Glinzerer: Ja, die Auftragslage ist sehr gut. Ich denke, dass inzwischen alle Hersteller Probleme haben, die Produkte so schnell zu liefern, wie es die Auftraggeber gerne hätten. Wir haben unsere Kapazitäten bereits deutlich ausgebaut und arbeiten auch noch weiter daran. Das Spannende ist, dass auch im größeren Leistungsbereich, also bei Binder Energietechnik, sich einiges tut. Da sind wir derzeit nicht nur im Bereich Warmwasser, sondern auch in der Dampferzeugung gut unterwegs. Derzeit arbeiten wir gerade an der Inbetriebnahme einer Dampfanlage in einer Bugholzmöbelerzeugung in Polen. Dort wird ein alter Kohlekessel durch eine Hackgutfeuerung ersetzt.
Building Times: Vor gut drei Jahren habe ich Sie gefragt, welche Produktgruppe besondere Freude bereitet. Damals war es der Bereich Strangregulierung. Ist das immer noch so?
Gerhard Glinzerer: In der Gruppe entwickelt sich Hirsch Servo mit Polystyrol mit der Marke Porozell am dynamischsten. Auch dort gibt es nicht zuletzt wegen der Preissteigerungen einen deutlichen Umsatzsprung. Interessant ist dort auch die Entwicklung im Segment Faserguss, wo es zahlreiche Projekte zum Abarbeiten gibt.
Building Times: Hirsch Servo war ein Glücksgriff für Sie, oder?
Gerhard Glinzerer: Ja, aber durchaus risikobehaftet. Harald Kogler als Vorstand führt das Unternehmen in exzellenter Weise. Und wir hatten auch Glück, dass sich Saint Gobain in Deutschland und Frankreich von mehreren Werken getrennt hat und wir durch den Erwerb dieser Standorte einen großen Sprung vorwärts in Westeuropa machen konnten.
Building Times: Das Vorjahr war geprägt von Corona. Hat sich die Pandemie negativ ausgewirkt?
Gerhard Glinzerer: Nein, wir hatten in Italien und bei Hirsch Servo in Frankreich einen verordneten Produktionsstopp, in Wien und Osteuropa wurde immer produziert. Auch beim Absatz gab es keinen Knick.
Building Times: Im Zuge der Expansion der Gruppe seit 1989 reduzierte sich die Bedeutung des Heimmarktes. Wie viel trägt Österreich noch zum großen Ganzen bei?
Gerhard Glinzerer: Der Umsatzanteil liegt in etwa bei zehn Prozent, sinkt aber tendenziell, nicht zuletzt durch die steigenden Exporte. Durch den Einstieg in die warmen Länder mit der Tochtergesellschaft in den Emiraten und von dort nach Indonesien und Vietnam und einige Länder mehr, hat der Bereich Kühlung sehr stark an Gewicht gewonnen.
Building Times: Gibt es aktuell geografische Expansionslust?
Gerhard Glinzerer: Wir versuchen dort, wo wir sind, zu verdichten. Die Kollegen aus dem arabischen Raum blicken etwa nach Schwarzafrika. Auch nach Indien und Pakistan strecken wir die Fühler aus. Das eigentliche Handicap sind die menschlichen Ressourcen. Meiner Meinung wird das eine echte Restriktion für die heimische Exportwirtschaft. Es gibt kaum mehr die Bereitschaft, sich am Sonntag in ein Flugzeug zu setzen, um Montagfrüh erste geschäftliche Termine wahrzunehmen. Wir kompensieren das mit Kollegen aus Osteuropa, die nicht der Erbengeneration angehören, sondern sich ihre Existenz selbst aufbauen müssen. Die sind „native Speaker“, Muttersprachler, die sich aufgrund ihrer Sprachkenntnisse im Osten wie zu Hause fühlen. Damit sind wir beim nächsten Problem: Unsere Techniker können bestenfalls Englisch, das wird aber von Technikern weder in Kasachstan, in der Ukraine oder Russland wirklich verstanden.
Building Times: Weil Sie Afrika ansprechen, sind dort nicht die Chinesen sehr präsent?
Gerhard Glinzerer: Nicht im Projektgeschäft. Wir sind gerade bei zwei internationalen Hotels in Äthiopien mit an Bord und haben Kaltwasser-Projekte in Ghana, Nigeria und Südafrika. Bei diesen Projekten geht es um eine hohe Verfügbarkeit, da kommen chinesische Produkte kaum zum Einsatz.
Building Times: Ein großes Thema ist in der Branche der Fachkräftemangel. Wo drückt Ihre Unternehmen der Schuh am meisten?
Gerhard Glinzerer: Das beginnt bei Maschinenbauern und Ingenieuren, also HTL und FH-Absolventen, und endet bei Werkzeugmachern, also Drehern, Fräsern und Mechatronikern. Wir helfen uns zunehmend mit Auslagerungen in Länder, wo wir noch Techniker und Ingenieure finden. Wir bauen gerade den Standort Niš in Serbien aus und auch in Slowenien haben wir erweitert – diese Fabriken sind dafür die besten Beispiele.
Building Times: Kürzlich wurde in Oberösterreich ein vollelektrisches Firmengebäude eröffnet. Der Bau wird ohne wassergeführtes System mit Elektro-Fußbodenheizung und Bauteilaktivierung beheizt. Sehen Sie da eine Bedrohung?
Gerhard Glinzerer: Ich glaube nicht daran, dass sich das durchsetzt. Wir reden permanent vom Blackout und zugleich werden elektrische Systeme forciert, das wird sich nicht ausgehen. Dazu kommt, dass die Sanierung und Renovierung einen wesentlichen Teil unseres Geschäfts ausmacht und dort wird man solche Systeme kaum zum Einsatz bringen.
Building Times: Seit heuer sind Sie Vorstand im Zukunftsforum SHL, das sich für die Modernisierung von Heizungsanlagen stark macht. Inzwischen gibt es so viel Fördergeld wie nie zuvor, braucht es da noch Sitzungen und Positionspapiere?
Gerhard Glinzerer: Ja, damit gewisse Dinge Bestand haben, muss man dranbleiben. Wenn Förderungen kurzfristig etabliert und wieder abgeschafft werden, ist das kontraproduktiv. Es gibt auch Fristen in den Förderungen, die derzeit Probleme machen, weil es Produkte und Kapazitäten nicht gibt. Es gibt ausreichend Agenden, denen man sich widmet, denn das wesentliche Ziel des Zukunftsforums SHL, die Modernisierung des österreichischen Bestandes an Heizungsanlagen, ist noch lange nicht umgesetzt. Ob Zukunftsforum SHL oder Herz, es gilt, weiterzumachen.