Sanierung – das greise Stiefkind
Würde Österreichs Wohnraum umfassend saniert, könnte der Staat die Konjunktur beleben, Arbeitsplätze sichern, Geld sparen und das Klima schützen. Das zeigen zwei neue Studien, die einmal mehr die Dringlichkeit der Sanierung betonen.
Es ist lange bekannt und trotzdem beschäftigt das Thema Experten verschiedener Disziplinen: Die Sanierungsrate ist nie dort, wo sie eigentlich sein sollte, um Geld zu sparen und CO2 zu reduzieren. Dabei war 2009 ein Jahr der Hoffnung. Damals, nach der globalen Finanzkrise, betrug die geförderte Sanierungsrate des Wohnungsbestandes in Österreich 1,8 Prozent. Seither ging es bergab. Für 2018 weist eine Statistik nur mehr 0,5 Prozent Sanierungen aus. Bei nur etwa zwei Drittel dieser Wohnbauten wurde umfassend saniert, beim Rest beließen es die Eigentümer bei Einzelmaßnahmen, wie etwa dem Fenstertausch oder der Heizkessel-Erneuerung.
Etwas anders hat sich die ungeförderte Sanierung entwickelt. Sie lag 2009 mit weniger als 0,4 Prozent am Boden, stieg dann 2012 und 2013 auf rund 1 Prozent an. Danach gab es eine Abflachung, in den Jahren 2017 und 2018 wurden wieder etwa ein Prozent des Bestandes saniert.
Sanierunsrate 1,4 Prozent
In Summe liegt die Sanierungsrate derzeit bei rund 1,4 Prozent, nur etwa ein Drittel davon sind umfassende Sanierungen. Kenner der Materie urgieren seit vielen Jahren, dass die Sanierung des Bestandes entscheidend ist, um der heimischen Klimastrategie Leben einzuhauchen. Das wird aktuell mit zwei Studien untermauert: In einer Analyse, die das Umweltbundesamt gemeinsam mit Wolfgang Amann vom IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH erstellt hat, wird die Sanierungsrate neu definiert. Man unterscheidet nun umfassende Sanierungen und Einzelmaßnahmen. Eine weitere Analyse zu steuerlichen Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors haben Karin Fuhrmann, TPA Steuerberatung GmbH, Walter Stingl, Stingl Top Audit und die IIBW vorgelegt.
Die Schlussforderung der Experten ist eindeutig: „Zur Erreichung einer vollständigen thermisch-energetischen Ertüchtigung des Wohnungsbestands bis 2040 muss die Sanierungsrate (umfassende Sanierungen und kumulierte Einzelmaßnahmen) kurzfristig auf 2,6% und ab 2025 auf 3,2% erhöht werden“, erklären die Umweltamt-Experten Alexander Storch und Wolfgang Schieder sowie Wolfgang Amann vom IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH.
Mit welchen Maßnahmen, welche Bestandssegmente mit steuerlichen Lockmitteln angekurbelt werden könnten, haben sich Fuhrman, Stingl und Amann im Detail angesehen.
Sanierung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen
Nach Ansicht der Experten sollten alle thermisch-energetisch relevanten Maßnahmen einer Gebäudesanierung steuerlich absetzbar sein. Dazu gäbe es zwei Möglichkeiten:
Umfassende Sanierung mit Sanierungskonzept; die Gesamtenergieeffizienz oder der Heizwärmebedarf eines Gebäudes muss um mindestens 60% verbessert werden. Einzelbauteilsanierungen sollen förderungswürdig sein, sofern die jeweiligen Bauteile den thermischen Standard von Neubauten erreichen.
Sanierungsausgaben werden mit € 100.000, – gedeckelt. Die abzuschreibende Summe wird in fünf gleiche jährliche Beträge aufgeteilt und über Einkommensteuererklärung bzw. Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht. Bei umfassender Sanierung können 65% der Kosten steuerlich geltend gemacht werden, bei Einzelbauteilsanierungen 40% der Kosten (können nachträglich zu einer umfassenden Sanierung ausgeweitet werden). Niedrigverdiener können alternativ eine Negativsteuer in Anspruch nehmen.
Sanierung privater Mietwohnhäuser
Voraussetzung für die Förderung ist eine Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz oder des Heizwärmebedarfs eines Gebäudes um mindestens 40%.
Stark verkürzte Absetzung in Form einer Sonderabschreibung (innerhalb von 5 Jahren) oder alternativ eine Investitionsprämie von 15% der Investitionskosten
Weiters sollte für denkmalgeschützte Gebäude die Liebhabereiberechnung entschärft werden.
Mietzinsreserven: zum Ansparen der Finanzierungsbeiträge für Sanierung. Werden diese nicht für energetische Sanierung verwendet, sind sie nachzuversteuern.
Sofortabsetzung Wohnungen bei Mischobjekten (analog gewerblich genutzte Mietflächen)
Budgetäre Effekte und Auswirkungen
Es käme zu einer Reduktion von 2 Mio. Tonnen CO2 innerhalb von 10 Jahren und ein zusätzlicher Bruttoproduktionswert von 2,6 Milliarden Euro und 18.000 Arbeitsplätze werden dauerhaft gesichert.
Es könnten 31.000 Häuser und Wohnungen jährlich saniert werden, die daraus resultierenden Steuer-Mindereinnahmen werden mit 630 Millionen Euro beziffert. Demgegenüber stehen 790 Millionen Euro an zusätzlicher Lohnsteuer und USt., sowie Nichtausgaben Arbeitslosigkeit und Einsparung CO2-Zertifikate. Am Ende bliebe für die öffentliche Hand ein Plus von 160 Millionen Euro übrig.
Außerdem gilt: Gemeinsam schaffen wir das!